Auf der Wahrheit ruht ein Flügelschlag

Skizze zum Thema Alles und Nichts...

von  nadir


i.

Dass einer wie Platon auf die Idee kommt dem Reich des Realen eine Welt der Ideen gegenüberzusetzen, die das Reich des Realen bedingt und ermöglicht, mag vor allem daran liegen, dass sich dieses Reale zwar Funktional tüchtig, aber in der Wechselwirkung eben jener Funktionalität und der Anschauung wenig ästhetisch ausnimmt. Zumindest nicht für den Traumverliebten Geist, also einem der überwachen und viel diskutierenden Schlafwandler unter dem Menschengeschlecht, denen die Morgenröte niemals Dichtung und keiner der vielzähligen Vögel und Grillen Orpheus genug sein kann, solange sie träumen.

Dasselbe machen andere. Einstein, oder auch Heisenberg, wenn sie von der Ordnung, der Formel, der Gereitheit von Kräften und Säften und dem Zusammenspiel des mathematisch fassbaren Logos der Kosmen des Realen sprechen. Es sind alle die unsichtbaren Hände der Idee, oder der Ordnung, die Hand und Nagel an das Reale anlegen. Alle die unzähligen Hände die arbeiten und aufblühen zu gespensterblauen Rosen hinter der Materie, die eine Glaswand ist, durch die das Eigentliche durchscheint und aufgeht im Geist des Ästhetischen Menschen, sich rasch mit der Materie verschränkt und unmittelbar klar wird, wo sonst Nebel und Dunst auf den Bildern liegt, weil das Bild normalerweise direkt, unabgegrenzt und Eindeutig vor das Auge des Betrachters tritt.

Im Grunde doppeln sie nicht das Reale, sondern das sinnlich Erfahrbare, eigentlich sogar das logisch Denkbare. Es ist als ob eine Art von lyrische Fäulnis über die Haut der Sinneswahrnehmung dahinkriecht, stetig, langsam und übel von schlechtem Geruch. Für den Ästhetiker hat die Welt baden zu gehen und er führt sie hin zur Wanne in dem die Gesamtheit aller Kräfte und Wechselwirkungen, die vor sein geistiges Auge als abstraktes Konzept treten, die Haut der Welt scheuern, bis sie ihm sauber und vollkommen gereinigt von aller unvollkommenen zweideutigkeit gegenübertritt. Und ihn blendet?

ii.

Es sind Fragen, die uns in den Schlaf begleiten. „Du“ sagt der Schlaf, „wirst die Antwort nicht finden, solange du in der Nervenkrankheit aus Sinneseindrücken und Muskelvibrationen unter den Fittichen der Raubvögel stehst, die das Wachsein umkreisen und dich augenblicklich fixieren.“ Hier“, sagt der Schlaf, „habe Traum und Symbol für deinen Acker und werde fruchtbar, oder pflanze und bestelle.“ Und rasch gleitet man ab.

iv.

Eine Stimme zeichnet auf Kristall;
der himmel ist heilig und groß/ dass sich die wolken verlaufen/ ich lasse, was mich bindet, los/ mag die welt in ihrer größe ersaufen. mit sanfter salbe geht ein vogelklang/ hin über schrunden/ die ein schrei ins erdreich zog/ ach, mag die welt an ihrer größe gesunden. ich sehe durch das fenterglas/ wie dem großen vogelgeist der flug entfällt/ in meterhohes, blaues gras/ in das die trauer große bäume stellt. jetzt, ausgerollt und in die welt gedehnt/ geht alle größe wie ein kaltes nord/ und ich, ein mensch, steh an die wand gelehnt/ vor dieser größe, als ein krummes wort.

v.


„Wirst du noch lange hierbleiben?“ Denn er erkannte, dass ich in den Schlaf gegangen war. Beim Reden und dem Erheben der schmutzigen Hände, schlug sein Körper seitwärts an die blecherne Wanne. „Du wirst es wissen, 6 bis 8 Stunden, wie gewohnt“ Ich ertrug sein Angesicht nicht. „Fange mir den Vogelgesang“ Ihm lief wie einem Kind aus den Mundwinkeln Speichel, der sein Gerede dick und schmatzend machte. „Drossel, Amsel, Spatzenlied. Ich will gewaschen werden, gewaschen, waschen.“

Mich muss unsägliches Mitleid überkommen haben, oder der Traum muss mir den Kopf verdreht haben, denn ich ging zu den Bäumen, die im Traum durch den Raum wuchsen, in dem wir uns befanden und haschte nach den zarten Tönen, die aus den Kronen zu uns herabschallten. Ich öffnete und schloss meine Hände, öffnete sie mal langsam und mal rasch und griff so hoch ich konnte in die Luft, doch ohne Erfolg.

„Es ist Vergeblich“, seufzte er. „ Ach, ist es nicht Haschen nach Wind?“ Er stieg hinaus aus der Wanne und seine Bewegungen waren langsam wie ein Schlammrutsch, der an einem Hang in Bewegung gerät. Sein Körper war zu einem gewaltigem Halbkreis gebogen, dass man eine Sehne hätte spannen können, von der Scheidewand der Nase aus, die zwischen dem müden und schlaff gewordener Gesichtsmuskeln hervortrat, bis hin zu den Zehen, die beim Gehen in sich selbst zu rollen schienen.

Da standen wir und waren lächerlich still. Unser beider Schweigen aber setzte sich in leisen Tranzendentalschwingungen in den Ohren des anderen fort und als wir auseinandertreten wollten (denn wie hätten wir uns helfen können) wuchs uns die Welt unter den Füßen fest und hielt unseren Schritt sanft aber deutlich geschlossen in ihrer erdenen Faust, bis ich erwachte.


vi.

Das sind zwei Arten einer Katharsis, einer Reinigung, wer weiß. Als ich aber durch die noch schlafdurchschlammte Luft an Fenster trat und es öffnete, entwischen die Gedanken und mit ihnen gut ein dutzend Pfund an Psychologie und Philosophie in die klare Frühsommerluft eines Montagmorgens. Wer hier wen blendet, wer hier was, wie, oder wo blendet, das mag ein Fremder entscheiden, denke ich.. Ich lege den Stift beiseite, nehme meine Tasche und gehe ins Büro.








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Kommentare zu diesem Text


 HerzDenker (29.11.21, 14:36)
Da heben sich in den Ästen von Deinem schwungvoll-denkerischen Wortbaum viele Wahrheiten eingenistet! Ich danke Dir dafür. Kann es sein, dass Du auch rein-philosophisch was machst? Klingt sehr so, als.ob Pantheismus Deine geistige Heimat wäre. Schön, da bin ich nahe dran.

 nadir meinte dazu am 29.11.21 um 18:33:
Rein philsophisch mache ich eigentlich nichts, nein, zumindest schreibe ich nichts, was nicht auch einen literarischen Anspruch hätte. Schwer fällt es mir allerdings zu sagen, wie ich mich als philosophischer Leser und stiller pseudo-Denker zu verordnen wage, vielleicht einmal hier und einmal dort, vielleicht sind Überzeugungen aber wirklich Gefängnisse, das weiß ich nicht. Man hat als Person ja immer zwei Möglichkeit; man kann Individuum sein und das hieße vorallem seinen Idealen folgen und damit mindestens Teile seines eigenen Wesens verabsolutieren, oder auf Ideale und Überzeugungen zu verzichten, denn das Vertreten von persönlichen Wesenszügen, die dann Positionen bedingen, geschieht doch recht häufig auf kosten der Wahrheitsliebe. Nicht einmal der Wahrheit, aber doch; wer seinen Idealen und perönlichen Winkelzügen folgt, gerät in die Gefahr rasch bornierter zu denken und zu reden, als es gesund sein mag. 

Glaube ich, vielleicht ist das auch Unfug ;) Jedenfalls freut es mich, dass du diesen Text kommentiert hast, ich habe bei einem solchen, doch schwierigem und langem Text ehrlich gesagt nicht mit einer Antwort gerechnet, umso erfreuter bin ich, denn der Text bedeutet mir etwas :)

LG
Nadir

 HerzDenker antwortete darauf am 29.11.21 um 19:59:
Danke schön für deine ausführliche Antwort! Ich denke, bei der Wahrheitssuche soll man authentisch und ehrlich sein. Viele Menschen lassen sich unbewusst von Freunden oder Vorbildern beeinflussen und nehmen dann aus denkerischer Bequemlichkeit manche Position ein, zu der sie gar nicht wirklich stehen. Ich finde, der Erkenntnis nach soll man einigermaßen versuchen zu leben. Da dies in der akademischen Philosophie selten so wichtig genommen wird, sage ich auch gerne, dass ich Lebensphilosoph sein (oder werden) möchte.  Speziell noch bei mir: Im Grunde bin ich seit 55 Jahren intensiv an den Themen dran.
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