Der Toddler

Short Story zum Thema Qual(en)

von  Terminator

Dieser Wichser hat mein Leben zerstört, erzählt Karsten. "Ein dreijähriger Wichser!?" Ach, halt die Fresse! ...Es war also so: wir verabredeten uns bei Heinz. Wir wollten Pornos gucken. Ich bin 13 geworden und hatte das Recht auf Sex, oder etwa nicht? Wir holten uns "Filthy Girls", das aber nicht so gut war, weswegen wir uns stritten. Heinz sagte noch: "Es gibt doch so einen Film, wo diese Bitch richtig misshandelt wird", aber er machte es nur noch schlimmer, weil er den Titel nicht kannte. Ok, was solls, dann halt Filthy Girls.


Ich kam, ich komme ja immer zuerst, dann war da die Cousine von Heinz, die Elke, die war schon 14, Ken, der Cousin n-ten Grades kam, um auf uns Kinder aufzupassen, er war schon 16. Er wollte auch nicht mitgucken. Tim kam, der war noch 12, hatte aber den längsten von uns allen, und wichste schon dreimal täglich, achja, und die Bitches aus meiner Klasse, Sexeen und Leckie, so nannten wir sie. Nur Jennifer kam halt nicht. Gut, wir tranken Bier, wir setzten uns, machten den großen Bildschirm an, und dann kam ER aus irgendeiner verdammten Hölle gekrochen. Scheiße! Er wollte ein Glas Milch, Heinz gab ihm Milch und schickte ihn schlafen. Er kam aber wieder, der widerliche Hurensohn. Er wollte spielen. Verdammt, wer will denn jetzt mit ihm spielen?


Ich würde den ganzen Abend auf den Kleinen aufpassen, wenn Jennifer da wäre. Aber wo bleibt sie? Das ist unfair. Dann ist mir auch egal, dann lese ich halt ein Buch.


Ken ist halt sehr introvertiert. Er war im Nebenraum und las. Aber er war halt pro forma da, um auf uns aufzupassen. Er war in Jennifer verknallt. Eigentlich pädophil: er schon in der 10-ten, sie noch in der 7-ten, wie wir. Verdammt, warum stand er nicht auf den Toddler? Er hätte ihn in der Zeit locker durchnehmen können, und, glaub mir, das wäre besser für ihn gewesen. "Besser?" Du scheiß Priester bist doch auch ein Kinderficker, etwa nicht? "Leider wurde ich als Messdiener missbraucht, aber ich habe selber Kindern nichts angetan". Du Opfer! Sorry. Soll ich weiter erzählen? Gut, wir tranken natürlich weiter, ist ja klar, wir mussten uns die dicken Mädchen und die hässliche Elke ja schöntrinken. Und ich hatte bei Gott und Jesus endlich mal das Recht auf meinen ersten Blowjob!!


Ich würde den nicht so vernachlässigen, wenn er mein kleiner Bruder wäre. Aber Jennifer hat doch versprochen, zu kommen. Sie bricht gerade mein Herz.


Da kam er also wieder und ich sagte, Heinz, mach was, dass dieser Toddler hier wegkommt. Was, der will mitgucken? Nein, das ist nicht Harry Potter. Was er mit Bailey macht? Er fickt sie in den Mund, was sonst. Was ficken ist? Vergewaltigen. Heinz, stopfst du ihm das Maul oder soll ich ihm eine verpassen? Scheiße. Jetzt wollte er Eis. Also gut, Heinz, wenn du zu sehr damit beschäftigt bist, mit Sexeen zu knutschen, dann gebe ich deinem Bruder Eis. Und ich gab ihm eine ganze Schüssel voll, alles, worauf der kleine Wichser Bock hatte. Als ich zurück im Wohnzimmer war, da bliesen die beiden anderen beide Tim! Beide, Elke und Leckie, Tim! Und mir!? Ich hatte ein verdammtes Recht auf meinen hart verdienten Blowjob. Und da kam ER wieder und beschwerte sich.


Warum schreit ihr ihn an? Warum droht ihr ihm, dass seine Mama stirbt? Warum lügt ihr ihn an, dass sie Krebs im Endstadium hat, sie ist doch auch deine Mutter, Heinz! Jennifer hat einen Verrat an meinem Herzen begangen. Na gut, dann nix mit Empathie, ich lese weiter "Das Leben Jesu", vielleicht schaffe ich endlich den Rekord von 214 Seiten an einem Tag zu übertreffen. Er weint? Mir doch egal, geht mich nichts an. So wie ich halt Jennifer egal bin.


Dein Hals tut weh. Aha. Sag mal, wolltest DU Eis, oder habe ich dich zu etwas gezwungen? Hört er endlich auf zu flennen? Heinz!? Und da überkam es Heinz, denn nun bliesen alle drei Tim, und Heinz hatte irgendwie keinen Steifen bekommen. Gib ihm noch mehr Eis, sagte er mir, und ich gab, ist ja sein Bruder, dem kleinen Arschbastard noch eine Schüssel Eis. Und dann, das war nicht ich, das war Heinz, kam noch Pfeffer und Chili und Spucke und Dreck vom Teppich und Spülreiniger und Waschpulver und was weiß ich nicht alles mit dazu, ich tats in den Mixer und verrührte. Hmm, lecker! "Ihr Schweine. Mir fehlen die Worte". Also wenn ich noch beichten soll, musst du dich noch etwas gedulden. Was? Was noch!? "Hast du kein schlechtes Gewissen?" Wozu, damit ich mich ritze, so wie Tim? Nee, kein Bock.


Ken machte gemächlich sein Tagebuch auf und schrieb: Sie haben ihn in eine Kiste gesperrt und machen ihm große Angst. Sie sagen, dass Voldemort ihn gleich holen wird. Nun spielt ihm Elke eine Szene vor: sie sagt, das Krankenhaus hätte angerufen, die Mama gestorben. Das kommt davon, Jennifer, wenn du mein Herz brichst. Jetzt habe ich auch kein Herz mehr für Kinder. Kein Wunder: es ist ja gebrochen.


Toddler, Toddler, wo ist deine Mama? Ja, das sangen wir. Wir alle. Außer Ken natürlich, der schließlich die Tür verschloß, um seine Ruhe zu haben. Er schrie wie am Spieß und wir spielten die Bombardierung von Dresden. Wie? Na, wir zündeten Kerzen an, jagten ihn durchs Haus und hotwaxten den Toddler, diese Mistsau. Hat den ganzen Abend ruiniert. Und mein Leben. "Du sitzt seit fünf Jahren hier ein, und ich habe den Eindruck, dass du dich überhaupt nicht entwickelt hast". Inwiefern, unheiliger Vater? "Du bereust nichts! Dir ist alles egal". Nein. Naaaain, mir ist nicht alles egal. Natürlich denke ich an die Zukunft und so. An Rache zum Beispiel. "Rache!?" Na, ich sage doch, der Toddler hat mein Leben zerstört. Er müsste jetzt 8 sein. In zehn Jahren ist er ein erwachsener Mann. Und dann reden wir nochmal drüber. Dieser Hurensohn, seufzt Karsten und zündet sich eine Zigarette an. Hätten wir bloß keine auf seinem Arsch ausgedrückt, dann hätte es keine Beweise gegeben. Naja, da sind wir, schätze ich mal, selber schuld. Besonders Leckie. Sie wäre nie im Leben meine Freundin geworden, wenn ich da nicht mitgemacht hätte. Dabei war ich der einzige, der zwischendurch aufhören wollte.


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Kommentare zu diesem Text


 Augustus (25.03.22, 09:06)
Großes Kino. Hier schlägst Du einen eigentümlichen Schreibstil an, der die verkorkste Zeitepisode eines Teenagerdaseins trifft. Das Lebensgefühl eines phantasievollen Teenegers, der die Welt durch die Bücher sieht,  oder das Lebensgefühl von Teenegern, die komfortabel aufwachsen, wird nicht aufgegriffen, vielmehr wird der chaotische Zustand von Teenagern aufgezeigt, der gegen den absoluten Untergang ringt. Die die Welt von sich stoßende, verneinende Sprache fußt auf Frust, die zerstörerischen auf die niedrigen Instinkte basierenden Handlungen sind ein Greifen nach einem Strohhalm des Lebens zu begreifen, die sich dem Tod zu versperren versuchen. 

Insgesamt ein total gelungener Text, in Sprache und Form. Insbesondere ist der Sprachfluss sehr authentisch, fließend und mehr dem fiktiven Charakter eigen, als dass man den Autor dahinter bemerken würde.

 Terminator meinte dazu am 25.03.22 um 10:11:
"Hardcore", "A Serbian Film" oder Pasolinis "120 Tage von Sodom", das wäre großes Kino in diesem Genre. Das Schlechteste im Menschen zeigen: muss auch sein, es ist nunmal da.

Hier geht es vor allem um eine Kindheit in der Pandemie unserer Zeit: der Narzissmus-Pandemie. Jeder wächst auf im Glauben: "Es geht im Leben nur um mich!" Null Empathie, null Selbstreflexion. Ich weiß nicht, ob ich bremsen würde, wenn mir so etwas vor den Lamborghini liefe.

Und "Generation Porn" natürlich: es ist ja niedlich, wenn Siebtklässler sich heimlich zum ersten Mal einen Porno angucken, weil sie neugierig auf Sex sind. Aber diese Bälger sind so hartgesotten, dass sie am liebsten Vergewaltigungsvideos schauen würden, vielleicht auch Kinderpornos. Sie haben alles schon gesehen, was es in der hintersten Ecke der Videothek gibt, sie müssen sich dabei noch besaufen, damit es nicht langweilg wird.

Und der Romantiker: er macht, ob er ein Kleinkind vor schwerer Misshandlung rettet, davon abhängig, ob ein Mädchen vorbeikommt. Wenn icht, dann ist er sauer auf "die Welt": "Bin ich der Welt egal, ist sie es mir auch".
Taina (39) antwortete darauf am 25.03.22 um 10:20:
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