Der Karnickelmörder

Kurzgeschichte zum Thema Jugend

von  Koreapeitsche


Der Abenteuerspielplatz lag mitten im Neubaugebiet des Stadtteils. Wie die meisten Spielplätze war auch dieser verdreckt mit Glasscherben, Bierdosen und Hundescheiße. Spritzen wurden hier jedoch bisher nicht gefunden.  
Schilder wiesen ausdrücklich darauf hin, dass hier Alkoholkonsum und auch Hunde verboten waren. Doch die meisten Leute scherten sich einen Dreck darum, fast alle Hundehalter aus dem näheren Umkreis gingen hier mit ihren Hunden Gassi. So passierte es dann auch, dass Kinder beim Spielen in der Hundescheiße landeten oder sich an Glasscherben schnitten. Der Polizei war das ziemlich egal.
Eine Klicke Jugendlicher hatte damals immer ein kleines Zwergkaninchen dabei, das eine von ihnen, ein junges Mädchen aus der Nachbarschaft, zum Geburtstag geschenkt bekommen hatte. Sie ließen das weiße Kaninchen immer im hohen Grass hüpfen, und fingen es wieder ein, wenn es zu nahe an die Knicks kam, die den Abenteuerspielplatz begrenzten. 
Es trug sich so zu, dass täglich ein älterer, alleinstehender Herr mit einem ausgewachsenen, braun-weiß-gecheckten Boxer auf dem Spielplatz umherlief. Der Mann ließ ihn frei laufen, warf auch hin und wieder ein Stöckchen und ließ es den Hund apportieren. Die Jugendlichen hatten immer Angst um das kleine Kaninchen, wenn der Boxer auftauchte, und sie nahmen es dann immer schnell stmöglich auf den Arm. In der Mitte des Abenteuerspielplatzes war ein kleiner Hügel, auf dem ein Kletterbaum stand, von dem aus auch zwei Seilbahnen starteten.  
Eines Nachmittags ließen die Jugendlichen das kleine Kaninchen wieder laufen, als der Boxer nicht da zu sein schien. Das Kaninchen hoppelte durch das hohe Grass, als plötzlich der Boxer um den Hügel herumjagte und direkt auf das kleine weiße Etwas zusteuerte. Den Jugendlichen stockte der Atem, es brach Panik aus, und sie versuchten, das Kaninchen schnell zu erreichen, um es wieder auf den Arm zu nehmen. Doch der Boxer war schneller. Er erwischte das Kaninchen am Genick und schüttelte das kleine Knäuel durch. Die Kleine aus der Nachbarschaft fing gleich an zu schreien und brach in Tränen aus. Das Herrchen des Hundes sah sich das Drama an und machte keine Anstalten, den Boxer zurückzupfeifen. Sobald das erste Blut am weißen Kaninchen zu sehen war, spritzten bei dem Nachbarsmädchen die Tränen umso mehr, und sie schrie noch verzweifelter. Uns ging es nicht sehr viel anders. Der Boxer schüttelte das Zwergkaninchen durch, knurrte dabei wild und Angst erregend. Nach einer Weile hing das hilflose Wesen leblos in seinem Maul. Der Boxer fing an, das tote Kaninchen zu zerreißen. Die Jugendlichen gaben jedoch die Hoffnung nicht auf, dass ihr geliebtes Haustier die Sache doch noch überleben könnte. Sie schrien nun auch zum Hundebesitzer rüber, dass er endlich seinen Hund zurücknehmen solle. Schließlich kam der bisher ignorante Hundehalter ein Stück näher und gab dem Hund den Befehl  
„Komm hier her - bei Fuß,“  
damit er endlich von dem toten und zerfetzten Wesen ablasse. Das Mädchen war total in Tränen aufgelöst und traumatisiert. Der Hundebesitzer ging dann mit seinem Boxer einfach weg, als sei nichts gewesen, ohne sich zu entschuldigen oder mit den Kindern zu sprechen.  Wir mussten das Nachbarsmädchen später trösten. Der Verlust war groß.
Die Kinder beerdigten das Kaninchen später. Sie schafften sich nie wieder ein Kaninchen an. Das Ünglück wirkte noch Jahre nach dem Vorfall weiter. Sie verließen meistens den Spielplatz, wenn Hundebesitzer mit großen Hunden auftauchten. Und jedes Mal, wenn sie den Mann mit dem Boxer begegneten, nannten sie ihn „Mörder“. Auch Jahre später noch , als sie schon volljährig waren, kam immer wieder Unmut auf, wenn sie diesen speziellen Hundebesitzer trafen. Der alte Boxer war mittlerweile tot. Der Mann hat sich inzwischen erneut einen Boxer zugelegt. Doch nach dem Vorfall ging er nicht mehr auf den Spielplatz. Er hatte wohl Angst, dass die Sache schlussendlich doch noch Konsequenzen haben würde.  








Anmerkung von Koreapeitsche:

Wir haben echt gelitten

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