Provinzielle Villanelle

Villanelle

von  Quoth


Ist’s schimpflich wohl, aus der Provinz zu stammen,
wo dürr, gespenstisch Vogelscheuche winkt?
Man sollte niemanden dafür verdammen.

Denn aus geringsten Dörfern stammen Ammen,
aus deren Brust das Kind Erleuchtung trinkt.
Nicht schimpflich ist‘s, aus der Provinz zu stammen.

Es ist zugegen, wenn die Schafe lammen
und wenn der Hengst die Stute geil bespringt.
Warum wohl sollte man‘s dafür verdammen?

Es lernt schon früh, den Zaunpfahl einzurammen,
erlernt das Lied, das man beim Dreschen singt.
Nicht schimpflich ist‘s, aus der Provinz zu stammen.

Wohl holt es sich beim Strolchen viele Schrammen
und lernt, wie man den Bösen niederringt.
Warum wohl sollte man‘s dafür verdammen?

Zwar gibt es Schlamm und unerbet’ne Flammen
doch auch in Metropolen brennt’s und stinkt.
Nicht schimpflich ist‘s, aus der Provinz zu stammen.
Man sollte niemanden dafür verdammen.



Anmerkung von Quoth:

Angeregt von AlmaMarieSchneiders Wacken-Villanelle
https://keinverlag.de/462226.text

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Kommentare zu diesem Text


 AlmaMarieSchneider (23.08.22, 11:57)
Auweia, da muss ich noch heftig viel lernen. Eine wunderbare Villanelle. Ich finde es schön, dass Du den Refrain aufgelockert hast.
Na hoffentlich kann ich Dich auch mal beeindrucken und so ein gelungenes Werk vorstellen.

Liebe Grüße
Alma Marie

 Quoth meinte dazu am 23.08.22 um 15:42:
Deine Wacken-Phantasie hat mich dazu ermuntert - und als ich las, die Villanelle sei vom Ursprung her ein bukolisches Kunstlied, das Themen aus dem Landleben aufgriff. Außerdem weiß ich ja, wo Du aufgewachsen bist! Vielen Dank, liebe Muse! Quoth
Agnete (66) antwortete darauf am 25.11.23 um 19:26:
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 EkkehartMittelberg (23.08.22, 12:10)
Wer jemanden für seine Herkunft aus der Provinz verdammt, erweist sich selbst als provinziell.

 Quoth schrieb daraufhin am 23.08.22 um 15:26:
Ja, stimmt, die Leute aus Großsteinbach blicken verächtlich auf die Leute aus Kleinsteinbach herab! :) Vielen Dank für Empfehlung und Kommentar!

 Graeculus (23.08.22, 13:26)
Schimpflich oder gar verdammenswert ist es gewiß nicht, in der Provinz zu leben. Idyllisch ist es freilich ebensowenig.
Seit sieben Jahren lebe ich nun auf dem Dorf; seitdem hat es hier zwei Morde, zwei Raubüberfälle und einen Fall von Exhibitionismus gegeben.

Ich habe mal eine Glosse über unser Dorf geschrieben:

Unser Dorf zählt 2200 Einwohner. Das ist nicht viel, aber wenn wir Statistiken trauen dürfen, dann ist das doch viel:

1150 von ihnen sind weiblich, 1050 männlich. 100 sind homosexuell. 50 haben sadomasochistische Neigungen. 600 sind zu jung oder zu alt für sowas. 200 sind alkoholabhängig. 1800 nutzen das Internet. 1000 sind in Vereinen. 1500 besitzen ein Auto. 20 engagieren sich bei der Freiwilligen Feuerwehr. 150 halten einen Hund, etwas mehr eine Katze. 1700 klagen über das Wetter, etwa ebensoviele über die Politik und das Geld. 1000 gehen zu Wahlen. 200 sind ernsthaft religiös – na, bei uns wohl ein paar mehr. 100 lesen gerne Bücher – bei uns vermutlich etwas weniger.

Und 2200 werden sterben, was 99 % von ihnen nicht sonderlich gefällt. Dennoch bezeichnen sich 1500 als Optimisten.

 Quoth äußerte darauf am 23.08.22 um 15:31:
Es könnte durchaus sein, Graeculus, dass meine Verteidigung des Ländlich-Sittlichen ein wenig zu sehr in Richtung Idylle weist; beruht auch auf Kindheitserinnerungen! Danke für Kommentar und Empfehlung.
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