Ballons
Erzählung
von minze
Am Donnerstag bin ich in einer Durchschlagkraft den ganzen Tag müde, dass ich meine, ich hänge noch im Dienstag, als ich nur für eine halbe Stunde nach Hause wollte und nicht mit den Bauarbeiten und Stau gerechnet habe. An diesem Tag hatte ich den ganzen Tag die Doc Martins an; vielleicht macht sich die halbe Größe zu groß bemerkbar.
Ich ignoriere das schon viel zu lange, seit Yann sie mir zu groß geschenkt hat und ich sie trage, denke ich, dass ich sie einlaufen werde und sie dann bequemer sind, ich habe jetzt einen guten Tritt, ich finde sie bei Sturm und Schnee gut, aber sie sind immer noch groß, und eigentlich entspricht es nicht meiner Körperhaltung, weil sie schwer sind und meinen Gang bestimmen, meine Beine sind darin, als wären sie nach den Schuhen ausgerichtet, nicht, als wären die Schuhe eine passende Endung des Körpers, ein einfaches Fortbewegungsmittel. Ich habe es am ehesten beim Tanzen gemerkt, das irritiert mich auch, weil es viele gibt, die damit tanzen.
Ich trage donnerstags die Wollschuhe, die sind wie noch im Bett sein, sie machen es meinen Füßen leichter, verträumter, aber meine Lider hängen schwer im Tag und wissen, dass es unverdient meinen Kindern gegenüber ist.
Mara hat von Mittwoch auf Donnerstag wieder wegen der Erkältung ihr Abendessen in der Nacht auf die Matratze und ihren Bruder gespuckt, ich versuche jetzt den Tag über herauszufinden, ob ich erschöpft bin vom Matratzen auswaschen und baden mit ihr in der Nacht oder von der Wut, die mich aufwühlt gegenüber Yann, weil sie geweint hat nach dem Kotzen und er laut geflucht. Ich dosiere nicht mehr die Wut, wenn ich sie so gerecht finde wie in der Mittwochnacht und wenn ich befürchte, er wird es mit einer dosierten Form nicht verstehen. Er hat dann reagiert und sie gebadet, liebevoll und ich war wütend mit der großen Matratze, wütend mit der Waschmaschine, wütend mit dem Lappen und wütend, weil mich seine Wut aufgeweckt hat, keine Bitte um Unterstützung, die Wut, weil er ein kotzendes Kind bemerkt. Wir werden sie trotzdem in den Kindergarten bringen, ich schlafe danach mit ihr, sie liegt hoch gebettet, ich schneide wieder die Zwiebel, sie zieht den Rotz schon raus. Sie bringt noch etwas Schleim raus, da zieh ich sie vor dem Raushusten quer über mich, nur das Parkett kriegt was ab, ein kleiner Fleck noch am Laken. Ich sehe ihn erst morgens, getrocknet.
Mein Kollege bestätigt mir, dass das Raushusten oft das Ende der Erkältung seiner Tochter bedeute, aber es ein schlechtes Gefühl in der Nacht hinterlasse. Er hat dickere Schontücher.
Ich komme an diesem Tag früher nach Hause, weil wir Yann bei der Krankenkasse melden, nachdem wir alle Papiere haben, geht das schnell, auch ohne Termin. Wir können danach noch eine Erledigung im Baumarkt machen, holen die Kinder spät. Ich denke an jedem Punkt ans Bett und sage es Yann, er fragt zurück, ob wir nicht in diesem Möbelhaus essen wollten. Mir kommt es wie eine verzweifelte und lächerliche Idee vor, ich bin gleichzeitig noch gerührt davon.
Seit wir im Möbel Braun ein Sofa gekauft haben, gelten wir als Stammkunden und bekommen Essensgutscheine, sie verbilligen nur das Essen, von dem Laden zugeschickt. Es gibt dort das Möbel Braun Restaurant. Mein Kollege erinnert mich daran, dass es im Ikea für einen Euro Würstchen gibt. Als Kind bin ich mit meinen Eltern nicht in den Ikea sondern hier hin, für zwei Kugeln Eis und egal was, wir sind am Samstag hin, als Familien Ausflug.
Wir kommen abends an, das Möbelhaus ist leer und die müden Angestellten räumen auf, ändern Etiketten und saugen. Das Restaurant ist offen und Joscha hält die Bons in der Hand für die Nuggets und Pommes, es gibt auf dem Schild asiatische Nudeln, aber in der warmen Theke liegen nur noch Blumenkohlschnitzel und panierte Pilze, wenn man kein Fleisch nimmt. Yann hat den Bon fürs Schnitzel. Es sieht schlecht aus, was ausgestellt ist, aber ich bekomme den Appetit von früher, auch den, den ich als Kind hatte, wenn wir Reste von Omas Krankenhausessen bekamen, weil es auch in einem Restaurant gemacht wird und nicht Mama kocht. Ich werde eingenommen von der Lust auf das Essen von früher, die Kinder sind real aufgeregt, Yann nimmt sich ein Bier.
Ich glaube, dass wir was zu trinken nehmen sollten, also fülle ich Wasser in die Gläser.
Es schmeckt Mara und Joscha und ich werde angenehm leer im Kopf, weil dieses große Geschäft schon so sauber und so leer ist. Es liegt im Industriegebiet gegenüber von Puff und Sexshop, man sieht den gemischten Himmel und die Bergkette hinter der Stadt, den Sonnenuntergang. Es nervt uns, dass die Kinder nicht sitzen bleiben, aber Yann spürt meine Nostalgie und macht Witze.
Wir essen sorgfältig fertig, obwohl es scheiße schmeckt. Die Kinder rennen im Möbelhaus herum, ich habe das auch gemacht, noch mit 13 mit meinem Bruder, als wir alleine hingefahren sind mit den Bons. Mich wundert es nicht, dass du mit deinem Bruder und nicht mit Freunden dahin bist.
Als wir sie einsammeln wollen, habe ich kurz die Furcht, dass sie weg sind, Joscha rennt uns aber entgegen, dann die Furcht, dass die kleine Mara weg sein könnte, sie steht am Deko-Hirsch, sie steigt nicht auf, ich nehme sie zu mir. Es hat niemanden gestört, dass sie hustet, dazu war es zu leer, das dachte ich gleich, als wir hinein sind.
Am Ausgang ist die Luftballonstation mit der Heliumflasche, die Kinder finden einen Mitarbeiter, der es bedienen kann. Ich will die Mitarbeiter des Hauses nicht aufscheuchen, sie sind es aber aus eigenem Antrieb, eine Frau nimmt sich unserer Kinder an und findet einen jüngeren Mann. Ich glaube, in dem Moment, als die Ballons oben sind, schaffe ich es, die Müdigkeit zu überwinden, zumindest für das nach Hause fahren, das Schlafanzug anziehen und Zähne putzen. Maras Ballon geht kurz vor der Haustür in den Himmel, Yann sagt, zu Pépé. Sie akzeptiert es bald, ich lege die Matratze zurück ins Schlafzimmer. Yann kümmert sich um die Kinder.
Er liest Asterix vor, er liest ohne Melodie. Ich bin geduldig mit mir, halte es aus, nicht einzuschlafen. Als die Kinder schlafen, putze ich mir die Zähne.