Unglücksbotin

Elegie

von  IngeWrobel


Ändere, Kassandra, deinen Namen.

Nimm den meinen für die Unkenrufe,

Der erschaffen nur zu dem Behufe,

Zu verstreuen feinen Unglückssamen.

 

Längst erkannte ich des Schicksals Häme.

Bringt es Unglück doch dem, den ich liebe.

Darum zügle ich nun meine Triebe,

Und bekenne, dass ich mich d’rob schäme.

 

Denn obgleich es ja der Götter Wille,

Deren Zorn allein dich mit dem Schicksal schlägt,

Bin es ich, die schwerer noch als du dran trägt.

 

Nenn Eudoria, mein Freund, mich heute.

Stell mich an den Pranger in die Meute.

Schnür die Kehle mir, bis dass es stille.



Möchtest Du einen Kommentar abgeben?
Diesen Text kommentieren

Kommentare zu diesem Text


 LotharAtzert (08.10.22, 11:01)
Kassandras Schicksal läßt kaum einen unberührt. Jedenfalls keinen, der diesen Archetyp selbst in sich trägt. Sie lehrt: wer die Untergänge vor ihrer Zeit „sieht“ und davor warnt, hat in der Folge nicht mehr viel zu lachen.
 
Spontan dazu fällt mir eine Anekdote ein, die ich vor über 50 Jahren las: Es war der Vorabend der Französischen Revolution, fünf Männer und ein als Seher geltender Greis trafen sich auf einem festlichen Banket und natürlich war das Kommende Gesprächsstoff. „Erzählt uns doch, werter S. was erwartet jeden einzelnen von uns Ihrer Meinung nach in der Zukunft?“
Nur sehr zögerlich und erst nach mehrfacher Aufforderung begann der Alte: „Ihr, Comte A, werdet verhaftet und verliert Euren Kopf noch bevor der nächste Mond voll ist. Ihr, mein lieber B. werdet auf dem Schlachtfeld zutode kommen. C. wird auf der Flucht von einem Mörder erdolcht und auch ich  werde die Revolution nicht überleben.“
Betretenes Schweigen, Kichern, Kopfschütteln darauf …
Eliphas Levi, selbst ein Mystiker, von dem die Anekdote stammt, wandte sich nach einer Pause und nicht ohne Schaudern an den Alten: „Ihr habt mich ausgelassen, Sire, hat das einen Grund?“
„Ihr, lieber Levi,“ fuhr der Angesprochene fort „werdet als einziger überleben und diese Begebenheit der Nachwelt erzählen“. Und so kam es dann auch.
 
Gruß
Lothar

 IngeWrobel meinte dazu am 08.10.22 um 12:14:
Ich danke Dir sehr, lieber Lothar, für diese Geschichte! 

Mich fasziniert immer wieder das philosophische Geschehen unserer "Altvorderen" – egal welcher Nation. Ich lerne nicht nur aus den alten Schriften, sondern fühle mich beim Lesen unbedeutend und reich zugleich. 

Wenn ich selbst darüber schreibe, passt sich meine Wortwahl wie von selbst der Stimmung an. 
Und ich gestehe, dass es mich glücklich macht, wenn einige wenige meiner Zeitgenossen meinen verschrobenen Worten lauschen! 

Ich grüße Dich herzlich! 
Inge
Möchtest Du einen Kommentar abgeben?
Diesen Text kommentieren
Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram