mäandernd I

Gedankengedicht zum Thema Allzu Menschliches

von  managarm

ach, so tief ...

dort

wo es sich eben bäumt

um Freiheit ringt

auch wenn die Suche Trauer bringt und Leere

vielleicht


hinaus, zu finden

die eigene Art

oder die ihr gleich

doch viel zu klein das Netz, die Maschen viel zu weit

zu unstet der Blick


und wenn man nicht als Fremdling sich begleitet

bleibt mancher Weg in alle Ewigkeiten ungegangen

und Wissen gefangen

über Pfade

vielleicht bar genug an Kreuzen, deren Wege nur in Wege führen


Häute, Mäntel, Masken, Wort -

und fast ein eignes Wesen

das trickster sein kann, hassen, hatzen

ein Molech fast

der dies auch wollen darf und lachen noch dabei

und heuchelnd gut verbirgt die Fremdheit seines Wirts

und dessen Weh


Heute keine Steinigung!


wozu mit Kleinem rechnen

wo doch Mammuts streifen im Geviert

die ihren Käfig in sich tragen

wie manchereins


hinaus ist nicht die Schwierigkeit

hinein! wie nur hinein ... und dann: wohin?

... das ist hier die Frage





Anmerkung von managarm:

11. Oktober 2022

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Kommentare zu diesem Text


 diestelzie (12.10.22, 10:46)
Für mich ist das Hermetik. Allerdings bin ich auch kein Profi :( .
Schön zu lesen auf jeden Fall.

Liebe Grüße
Kerstin

 managarm meinte dazu am 12.10.22 um 10:52:
Vielen Dank, liebe Kerstin. Bis ein "Profi" anderer Meinung ist, wird es Hermetik.
Liebe Grüße
Frank

 FrankReich antwortete darauf am 15.10.22 um 13:41:
Hi ihr zwei,

ob ich ein Profi bin, wage ich nicht zu beurteilen, zumindest aber kann ich mit einer Entscheidungshilfe dienen.
Die hermetische Dichtung ist besonders durch ihre Chiffren gekennzeichnet, eine metaphorische Form, die sich nicht nur dem unmittelbaren Verständnis und der Empfindung des Lesers entzieht, sondern auch auf mehreren Ebenen gestaltet ist, zumeist enthält sie eine Botschaft in der Botschaft ..., etc., vergleichbar mit der Matrjoschka, den russischen Schachtelpüppchen oder dem Infinity Cube.
Zum direkten Vorgänger der hermetischen Lyrik dürfte die Gedankenlyrik zu rechnen sein, als Beispiel dazu ein Gedicht von Gottfried Benn, welches zwar auf der Schwelle zur Hermetik steht, eine wirkliche Verschlüsselung sprachlicher Formen, bzw. eine die Grenzen konventioneller metaphorischen Vorstellungskraft überschreitende Verklausulierung findet dort noch genausowenig statt wie die Überbringung einer Mitteilung, deren Schlüssel nur Eingeweihten zur Verfügung steht oder der erst noch vom Leser angefertigt werden muss, um zum Kern der Gedichtswelt vorstoßen zu können, dazu aber gleich mehr, zunächst einmal hier Benns Gedicht

Ein Wort

Ein Wort, ein Satz - aus Chiffren steigen
erkanntes Leben, jäher Sinn,
die Sonne steht, die Sphären schweigen
und alles ballt sich zu ihm hin.

Ein Wort - ein Glanz, ein Flug, ein Feuer,
ein Flammenwurf, ein Sternenstrich -
und wieder Dunkel, ungeheuer,
im leeren Raum um Welt und Ich.

In diesem Gedicht sind die Metaphern, wie z. B. das Wort mit einer Sternschnuppe gleichzusetzen und die damit verbundenen Gedanken des lyrischen Ich deutlich auszumachen, obwohl oftmals als Hermetik bezeichnet, ist es jedoch noch der Gedankenlyrik zuzuordnen, während das folgende Gedicht von Ingeborg Bachmann eindeutig zur Hermetik zu zählen ist:

Aria I

Wohin wir uns wenden im Gewitter der Rosen
ist die Nacht von Dornen  erhellt und der Donner
des Laubs, das so leise war in den Büschen,
folgt uns jetzt auf dem Fuß.

Wo immer gelöscht wird, was die Rosen entzünden
schwemmt Regen uns in den Fluß. O fernere Nacht!
Doch ein Blatt, das uns traf, treibt auf den Wellen
bis zur Mündung uns nach.

Ingeborg Bachmann bedient sich hier nämlich nicht nur kühner Metaphern in Kombination mit symbolträchtigen Bildern, sondern beschreibt in ihrem Gedicht auch einen Ausschnitt aus ihrem Leben, nämlich die Beziehung zu Paul Celan, der übrigens zunächst auch mit Gedankenlyrik begann.
Der Leser vermag diese Passage jedoch nur zuzuordnen, wenn er sich mit beider Beziehung auseinandergesetzt hat, die Ahnung jedoch, dass es hier um mehr als nur Gedankendichtung geht, vermittelt ihm Ingeborg Bachmann in jedem Fall.
Inwiefern Dein Gedicht nun Gedankenlyrik oder Hermetik darstellt, kannst letztendlich nur Du wissen, für mich präsentiert es sich jedoch deshalb "nur" als Gedankengedicht, weil ich keinerlei Hinweise auf eine tieferliegende, verrätselte Botschaft entdecken kann.

Ciao, Frank

P. S.: Die Chiffre "Im Gewitter der Rosen" könnte allgemein mit dem Begriff "Liebeskummer" übersetzt werden, in diesem speziellen Fall sind aber die Nachwehen der Liebe zwischen Bachmann und Celan gemeint. Die zweite Strophe hat Ingeborg Bachmann nachträglich beigefügt, was der Problematik in der Beziehung zwischen den beiden noch eine zusätzliche Nuance verleiht.

 managarm schrieb daraufhin am 15.10.22 um 23:35:
Hallo Frank, vielen Dank und vielen Dank für die intensive Beschäftigung.
Nach langem Überlegen denke ich auch, es ist Gedankenlyrik. Es gibt schon einen tieferen Sinn, aber außer mir kann den nur noch ein Mensch erkennen, es ist quasi ein Insidertext. Der Rest der Leserschaft hat quasi keine Chance und an den sollte ich denken. Danke und dir einen schönen Abend!
LG Frank

 diestelzie äußerte darauf am 16.10.22 um 09:34:
"Danke" auch von mir an Frank/Ralf... :))

 harzgebirgler (13.10.22, 12:56)
Kleist schrieb einst an seine Schwester: "Ich passe mich nicht unter die Menschen!" und erschoss sich dann am Kleinen Wannsee. Ähnlich später Trakl, der durch eine Überdosis aus dem Leben schied und schrieb: "Es ist die Seele ein Fremdes auf Erden!"

LG
Henning

 managarm ergänzte dazu am 13.10.22 um 16:49:
Muss sich das LI jetzt Sorgen machen, Henning? Vielen Dank!
LG Frank

 RainerMScholz (14.10.22, 23:25)
"Die Zeit ist aus den Fugen;
Schmach und Gram,
dass ich zur Welt,
sie einzurichten, kam."

Grüße aus Stratford,
R.

 managarm meinte dazu am 15.10.22 um 00:34:
Danke. Tja, aber einfach verweigern geht auch nicht so recht, Rainer. VG Frank
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