mäandernd I
Gedankengedicht zum Thema Allzu Menschliches
von managarm
Anmerkung von managarm:
11. Oktober 2022
Kommentare zu diesem Text
Für mich ist das Hermetik. Allerdings bin ich auch kein Profi .
Schön zu lesen auf jeden Fall.
Liebe Grüße
Kerstin
Schön zu lesen auf jeden Fall.
Liebe Grüße
Kerstin
Vielen Dank, liebe Kerstin. Bis ein "Profi" anderer Meinung ist, wird es Hermetik.
Liebe Grüße
Frank
Liebe Grüße
Frank
Hi ihr zwei,
ob ich ein Profi bin, wage ich nicht zu beurteilen, zumindest aber kann ich mit einer Entscheidungshilfe dienen.
Die hermetische Dichtung ist besonders durch ihre Chiffren gekennzeichnet, eine metaphorische Form, die sich nicht nur dem unmittelbaren Verständnis und der Empfindung des Lesers entzieht, sondern auch auf mehreren Ebenen gestaltet ist, zumeist enthält sie eine Botschaft in der Botschaft ..., etc., vergleichbar mit der Matrjoschka, den russischen Schachtelpüppchen oder dem Infinity Cube.
Zum direkten Vorgänger der hermetischen Lyrik dürfte die Gedankenlyrik zu rechnen sein, als Beispiel dazu ein Gedicht von Gottfried Benn, welches zwar auf der Schwelle zur Hermetik steht, eine wirkliche Verschlüsselung sprachlicher Formen, bzw. eine die Grenzen konventioneller metaphorischen Vorstellungskraft überschreitende Verklausulierung findet dort noch genausowenig statt wie die Überbringung einer Mitteilung, deren Schlüssel nur Eingeweihten zur Verfügung steht oder der erst noch vom Leser angefertigt werden muss, um zum Kern der Gedichtswelt vorstoßen zu können, dazu aber gleich mehr, zunächst einmal hier Benns Gedicht
Ein Wort
Ein Wort, ein Satz - aus Chiffren steigen
erkanntes Leben, jäher Sinn,
die Sonne steht, die Sphären schweigen
und alles ballt sich zu ihm hin.
Ein Wort - ein Glanz, ein Flug, ein Feuer,
ein Flammenwurf, ein Sternenstrich -
und wieder Dunkel, ungeheuer,
im leeren Raum um Welt und Ich.
In diesem Gedicht sind die Metaphern, wie z. B. das Wort mit einer Sternschnuppe gleichzusetzen und die damit verbundenen Gedanken des lyrischen Ich deutlich auszumachen, obwohl oftmals als Hermetik bezeichnet, ist es jedoch noch der Gedankenlyrik zuzuordnen, während das folgende Gedicht von Ingeborg Bachmann eindeutig zur Hermetik zu zählen ist:
Aria I
Wohin wir uns wenden im Gewitter der Rosen
ist die Nacht von Dornen erhellt und der Donner
des Laubs, das so leise war in den Büschen,
folgt uns jetzt auf dem Fuß.
Wo immer gelöscht wird, was die Rosen entzünden
schwemmt Regen uns in den Fluß. O fernere Nacht!
Doch ein Blatt, das uns traf, treibt auf den Wellen
bis zur Mündung uns nach.
Ingeborg Bachmann bedient sich hier nämlich nicht nur kühner Metaphern in Kombination mit symbolträchtigen Bildern, sondern beschreibt in ihrem Gedicht auch einen Ausschnitt aus ihrem Leben, nämlich die Beziehung zu Paul Celan, der übrigens zunächst auch mit Gedankenlyrik begann.
Der Leser vermag diese Passage jedoch nur zuzuordnen, wenn er sich mit beider Beziehung auseinandergesetzt hat, die Ahnung jedoch, dass es hier um mehr als nur Gedankendichtung geht, vermittelt ihm Ingeborg Bachmann in jedem Fall.
Inwiefern Dein Gedicht nun Gedankenlyrik oder Hermetik darstellt, kannst letztendlich nur Du wissen, für mich präsentiert es sich jedoch deshalb "nur" als Gedankengedicht, weil ich keinerlei Hinweise auf eine tieferliegende, verrätselte Botschaft entdecken kann.
Ciao, Frank
P. S.: Die Chiffre "Im Gewitter der Rosen" könnte allgemein mit dem Begriff "Liebeskummer" übersetzt werden, in diesem speziellen Fall sind aber die Nachwehen der Liebe zwischen Bachmann und Celan gemeint. Die zweite Strophe hat Ingeborg Bachmann nachträglich beigefügt, was der Problematik in der Beziehung zwischen den beiden noch eine zusätzliche Nuance verleiht.
ob ich ein Profi bin, wage ich nicht zu beurteilen, zumindest aber kann ich mit einer Entscheidungshilfe dienen.
Die hermetische Dichtung ist besonders durch ihre Chiffren gekennzeichnet, eine metaphorische Form, die sich nicht nur dem unmittelbaren Verständnis und der Empfindung des Lesers entzieht, sondern auch auf mehreren Ebenen gestaltet ist, zumeist enthält sie eine Botschaft in der Botschaft ..., etc., vergleichbar mit der Matrjoschka, den russischen Schachtelpüppchen oder dem Infinity Cube.
Zum direkten Vorgänger der hermetischen Lyrik dürfte die Gedankenlyrik zu rechnen sein, als Beispiel dazu ein Gedicht von Gottfried Benn, welches zwar auf der Schwelle zur Hermetik steht, eine wirkliche Verschlüsselung sprachlicher Formen, bzw. eine die Grenzen konventioneller metaphorischen Vorstellungskraft überschreitende Verklausulierung findet dort noch genausowenig statt wie die Überbringung einer Mitteilung, deren Schlüssel nur Eingeweihten zur Verfügung steht oder der erst noch vom Leser angefertigt werden muss, um zum Kern der Gedichtswelt vorstoßen zu können, dazu aber gleich mehr, zunächst einmal hier Benns Gedicht
Ein Wort
Ein Wort, ein Satz - aus Chiffren steigen
erkanntes Leben, jäher Sinn,
die Sonne steht, die Sphären schweigen
und alles ballt sich zu ihm hin.
Ein Wort - ein Glanz, ein Flug, ein Feuer,
ein Flammenwurf, ein Sternenstrich -
und wieder Dunkel, ungeheuer,
im leeren Raum um Welt und Ich.
In diesem Gedicht sind die Metaphern, wie z. B. das Wort mit einer Sternschnuppe gleichzusetzen und die damit verbundenen Gedanken des lyrischen Ich deutlich auszumachen, obwohl oftmals als Hermetik bezeichnet, ist es jedoch noch der Gedankenlyrik zuzuordnen, während das folgende Gedicht von Ingeborg Bachmann eindeutig zur Hermetik zu zählen ist:
Aria I
Wohin wir uns wenden im Gewitter der Rosen
ist die Nacht von Dornen erhellt und der Donner
des Laubs, das so leise war in den Büschen,
folgt uns jetzt auf dem Fuß.
Wo immer gelöscht wird, was die Rosen entzünden
schwemmt Regen uns in den Fluß. O fernere Nacht!
Doch ein Blatt, das uns traf, treibt auf den Wellen
bis zur Mündung uns nach.
Ingeborg Bachmann bedient sich hier nämlich nicht nur kühner Metaphern in Kombination mit symbolträchtigen Bildern, sondern beschreibt in ihrem Gedicht auch einen Ausschnitt aus ihrem Leben, nämlich die Beziehung zu Paul Celan, der übrigens zunächst auch mit Gedankenlyrik begann.
Der Leser vermag diese Passage jedoch nur zuzuordnen, wenn er sich mit beider Beziehung auseinandergesetzt hat, die Ahnung jedoch, dass es hier um mehr als nur Gedankendichtung geht, vermittelt ihm Ingeborg Bachmann in jedem Fall.
Inwiefern Dein Gedicht nun Gedankenlyrik oder Hermetik darstellt, kannst letztendlich nur Du wissen, für mich präsentiert es sich jedoch deshalb "nur" als Gedankengedicht, weil ich keinerlei Hinweise auf eine tieferliegende, verrätselte Botschaft entdecken kann.
Ciao, Frank
P. S.: Die Chiffre "Im Gewitter der Rosen" könnte allgemein mit dem Begriff "Liebeskummer" übersetzt werden, in diesem speziellen Fall sind aber die Nachwehen der Liebe zwischen Bachmann und Celan gemeint. Die zweite Strophe hat Ingeborg Bachmann nachträglich beigefügt, was der Problematik in der Beziehung zwischen den beiden noch eine zusätzliche Nuance verleiht.
Hallo Frank, vielen Dank und vielen Dank für die intensive Beschäftigung.
Nach langem Überlegen denke ich auch, es ist Gedankenlyrik. Es gibt schon einen tieferen Sinn, aber außer mir kann den nur noch ein Mensch erkennen, es ist quasi ein Insidertext. Der Rest der Leserschaft hat quasi keine Chance und an den sollte ich denken. Danke und dir einen schönen Abend!
LG Frank
Nach langem Überlegen denke ich auch, es ist Gedankenlyrik. Es gibt schon einen tieferen Sinn, aber außer mir kann den nur noch ein Mensch erkennen, es ist quasi ein Insidertext. Der Rest der Leserschaft hat quasi keine Chance und an den sollte ich denken. Danke und dir einen schönen Abend!
LG Frank
"Danke" auch von mir an Frank/Ralf... )
Kleist schrieb einst an seine Schwester: "Ich passe mich nicht unter die Menschen!" und erschoss sich dann am Kleinen Wannsee. Ähnlich später Trakl, der durch eine Überdosis aus dem Leben schied und schrieb: "Es ist die Seele ein Fremdes auf Erden!"
LG
Henning
LG
Henning
Muss sich das LI jetzt Sorgen machen, Henning? Vielen Dank!
LG Frank
LG Frank
"Die Zeit ist aus den Fugen;
Schmach und Gram,
dass ich zur Welt,
sie einzurichten, kam."
Grüße aus Stratford,
R.
Schmach und Gram,
dass ich zur Welt,
sie einzurichten, kam."
Grüße aus Stratford,
R.
Danke. Tja, aber einfach verweigern geht auch nicht so recht, Rainer. VG Frank