Aus dem Ruder gelaufen

Mit einer Hand fährt sie sich über die kurzen, blonden Haare, die bis jetzt noch kaum von Grau belagert sind. Sie schaut in den Spiegel und sieht das Gleichgewicht der Welt aus dem Ruder laufen. Es strengt sie an, die Enttäuschung, die ihren ganzen Körper füllt, herunterzuschlucken. Sie geht in die Küche, um sich einen Kaffee zu kochen. Ihre leise schlürfenden Geräusche auf dem Flur zerren an der Stille. Vor ihrem Auge sieht sie die ganzen Ersparnisse, die sie in Aktien für das Alter angelegt hat, wie Butter in der Sonne dahinschmelzen. Das Geld braucht sie demnächst, wenn sie in Rente gehen muss. Diese reicht kaum für ein einigermaßen erträgliches Leben. Dabei hat sie immer auf die Ratschläge ihres Sparkassenberaters und die der Politiker gehört, dass man etwas für sein Alter zurücklegen muss. Nun bleibt ihr keine andere Wahl als sich für einen Hilfsjob zu verdingen – vielleicht putzen gehen oder Kinder reicher Leute betreuen.