Das Absolute

Bericht

von  uwesch

Dieser Text gehört zu folgenden Textserien:  PHASEN DES LEBENS (Prosa),  Aus dem Leben gegriffen

Wie oft bei gequälten Seelen war er sehr freundlich und sanft. Sein Vater hatte ihn abgelehnt. Irgendwann hatte er sich Gott zugewandt. Er las den ganzen Tag die Bibel.

Seine Leidenschaft galt jetzt dem ABSOLUTEN, gestand er seiner Mutter. Es machte ihr natürlich Angst. Sie begleitete ihn zum Flughafen, was sie sonst nie tat. Er wollte sich auf eine Pilgerfahrt nach Jerusalem begeben.

Als sie dort standen und warteten fühlte er ein Unbehagen aufkommen. Es war nichts, was sie gesagt hatte, es war diese Stille. Er konnte nichts dagegen tun, hatte ihr gestern gesagt, dass er in seinem Heimatdorf nicht mehr sein könne. Sein Leben sei an dem Ort, wo er Gott am nächsten ist. In den Ohren der Mutter klang es wie eine Farce.

„Vielleicht kann ich dich mal besuchen“, sagte sie beim Abschied und gab ihm einen flüchtigen Kuss auf die Stirn.

„Das wäre schön.“

Er eilte zur Personenkontrolle, dann in die Haupthalle und ging an Bord, ohne sich noch einmal umzuschauen. Noch bevor das Flugzeug abhob, fühlte er eine Leere und eine immense Traurigkeit. So als würde er das Land, in dem er geboren wurde, zum letzten Mal sehen. Langsam sah er die vertraute Landschaft unter sich verschwinden.

Plötzlich vermisste er alles.



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Kommentare zu diesem Text


 Regina (12.03.23, 05:55)
"wo er Gott am nächsten ist", das ist nicht unbedingt Jerusalem, sondern kann sehr individuell ausfallen. Aber auf Mutters Schoß macht einer auch zu wenig Erfahrungen.

 uwesch meinte dazu am 12.03.23 um 15:50:
Ich denke, dass man Erfahrungen selbst machen sollte - war immer mein Weg. Gott, Priester, Gurus, Lehrer und sonstige Heilsprediger sind immer mehr oder weniger besessen von einer Idee, die sie für allgemeingültig halten.
Danke Dir für Deine Empfehlung und LG Uwe

 Tula (12.03.23, 10:04)
Moin Uwe
Kein Zweifel, es gibt viele sehenswerte Stätten zu bepilgern,  aber wirklich göttlich ist nur die Heimat  :)  

LG
Tula

 uwesch antwortete darauf am 12.03.23 um 15:52:
Ich habe viel von der Welt über das Reisen kennengelernt, das aber nie als Pilgerei gesehen.
Danke Dir für Deine Empfehlung und LG Uwe

 AlmaMarieSchneider (12.03.23, 14:34)
Plötzlich vermisste er alles.
Lieber Uwe,


geht mir auch oft so, man trennt sich von etwas, jemanden und kurz darauf vermisst man es/ihn/sie.

Gern gelesen.
Liebe Grüße
Alma Marie

 uwesch schrieb daraufhin am 12.03.23 um 15:55:
Doch man nimmt auch immer etwas mit - neue Erfahrungen und Ekenntnisse, die bestenfalls bereichernd sind. Das funktioniert ja sogar bei "Reisen" im virtuellen Raum wie hier bei KV.
Danke Dir für Deine Empfehlung und LG Uwe

 EkkehartMittelberg (12.03.23, 15:20)
Hallo Uwe,

die Entscheidung für das Absolute ist so resolut. :)

LG
Ekki

 uwesch äußerte darauf am 12.03.23 um 15:57:
.... vor allem, weil es das garnicht gibt, wenn man mal von faktischen Gegenständen absieht.
Danke Dir für Deine Empfehlung und LG Uwe
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