Schwanengesang
Gedicht zum Thema Atem/ Atemlosigkeit
von Isaban
Kommentare zu diesem Text
Hi liebe Sabine
Da schwingt sehr viel Melancholie mit, in Deinem Gedicht.
Habe es mit tiefem Mitgefühl gelesen.
Herzliche Grüße von Franky
Da schwingt sehr viel Melancholie mit, in Deinem Gedicht.
Habe es mit tiefem Mitgefühl gelesen.
Herzliche Grüße von Franky
Aich dir liebe Grüße, Franky!
Sabine
Sabine
Ich habe leider recht wenig Zeit, aber ich will mich mal mit ein paar Worten an dein Gedicht heranwagen, Sabine.
Als Schwanengesang (oder auch Schwanenlied) bezeichnet man das letzte Werk eines Musikers oder Dichters. Hier scheint es um einen sterbenden Schwan zu gehen, der bei seinem Tod in einen an trauriger Schönheit unübertroffenen Gesang verfällt. Und um ein LyrIch, das beim Abschied fast vor Schmerz vergeht, sich aber schlussendlich mit diesem Lied ein wenig zu trösten vermag, das als Vermächtnis bleibt.
Das Gedicht selber hat auch etwas Liedhaftes. Nichts fröhlich Volksliedhaftes mit einem festen Reimschema, aber voller klingender Vokale, Wiederholungen und Reime, die es durchziehen. Ein Klagelied.
LyrIch scheint den Partner am Morgen im Sterben liegend vorzufinden, in jenem letzten tiefen Schlaf gefallen, der Endgültigkeit bedeutet (V.1 + V.2). Das „gewickelt“ steht als Reimwaise, da dieser letzte Gang nur alleine beschritten werden kann. In dem Wort steckt aber auch etwas Sanftes. Der Tod scheint sich ruhig angenähert zu haben, er hüllt den Sterbenden behutsam ein. Er hat sich bereits auf die Reise gemacht, ist abwesend - sowohl örtlich („an einem andren Ort“) als auch geistig, denn das verzweifelte (zweifache) Rufen von LyrIch findet keine Erwiderung mehr. Das „tief“ ist fest inmitten des ersten Verses verbaut, dass es nicht mehr als Paarreim zum doppelten „rief“ am Ende von V.2 gelangt.
In V.3 werden „Stirn, Herz, Ohr“ als Sinnesorgane aufgeführt, gefolgt vom „nahen Mund“ in V.5. Im ersten Moment fällt auf, dass das Auge fehlt. Aber es bedarf kein Auge, um Musik zu hören. Sie dürfen auch geschlossen sein. Der Klang fließt aus dem Mund des Sängers über das Ohr des Hörers zu dessen Stirn und Herz. Das Rufen von LyrIch hat sich allerdings zum Reifen in V.3 gewandelt (rief – Reif). Langsam scheint die kalte Erkenntnis zu reifen, dass Abschied genommen werden muss. Doch der aufliegende Reif blockiert die Sinneswahrnehmung, und einsetzender dichter Schnee verhindert beim Abschiedskuss sogar, dass LyrIch den Mund des Partners spüren kann. Die enge Ursache-Wirkung-Verknüpfung kommt durch den reinen Kreuzreim „spürte“ (V.5) und „berührte“ (V.7) zum Ausdruck.
Der starke Schneefall kommt durch dreifache Nennung („Schnee um Schnee“ in V.6 und „Schneefall“ in V.7) zum Ausdruck. Er fällt „dicht, / so dicht“, aber durch das Zeilenenjambement wird das „dicht“ auch mit dem synonymen „nah(en)“ verbunden, welches wiederum in V.5 soweit nach rechts eingerückt ist, dass der Widerspruch auch optisch deutlich hervortritt: Der dichte Schneefall verhindert eine Annäherung an den nahen Mund. Es ist ein kalter Abschiedskuss, eine Berührung ohne menschliche Wärme.
Inmitten des Eisigen wirkt das herausstechende „es verbrannte mich“ völlig fehl am Platz, ein scheinbares Paradoxon. Der gefrierende Schnee führt bei LyrIch zum Verbrennen. Der brennende Schmerz ist so übermächtig, dass er LyrIch verzehrt. Der angehängte Kurzvers V.8 mit seiner Reimwaise bildet einen Abschluss, der LyrIch alleine zurücklässt. War in V.7 noch von „uns“ die Rede, ist es in V.9 mit dem „Wir“ vorbei: „Ein letztes Wir schlich fort. Und doch:“ – und doch ist das nicht das Ende.
Die letzten drei Verse bieten etwas Trost: „Da bleibt ein Lied. Er singt es noch.“ Das Lied bleibt als Vermächtnis, dass eine bleibende Nähe ermöglicht, was auch durch den Paarreim „doch“ (V.9) und „noch“ (V.10) gezeigt wird. Bezeichnend ist allerdings, dass der Partner im gesamten Gedicht nicht als LyrDu auftaucht, sondern immer nur in der dritten Person Singular als „er“. Es beginnt mit: „Am Morgen lag er“ (V.1) und endet mit „Er singt es noch.“ (V.10) LyrDu bleibt durchgehend „er“, der sterbende Schwan, der sich übrigens mit seiner weißen Farbe gut ins Bild aus Eis und Schnee und weißen Laken fügt.
„Stirn, Herz, Ohr“ (Z.3) von LyrIch scheinen am Schluss wieder aufnahmefähig zu sein: „Ich lausche jedem Wort.“ (V.11) Die Werke eines Autors oder Künstlers bleiben den Hinterbliebenen als Nachlass erhalten, der ihnen die Stimme des Verstorbenen immer wieder lebendig werden lässt.
Sehr traurig und melancholisch, aber ich habe mich gerne damit beschäftigt. Liebe Grüße, Irma
Als Schwanengesang (oder auch Schwanenlied) bezeichnet man das letzte Werk eines Musikers oder Dichters. Hier scheint es um einen sterbenden Schwan zu gehen, der bei seinem Tod in einen an trauriger Schönheit unübertroffenen Gesang verfällt. Und um ein LyrIch, das beim Abschied fast vor Schmerz vergeht, sich aber schlussendlich mit diesem Lied ein wenig zu trösten vermag, das als Vermächtnis bleibt.
Das Gedicht selber hat auch etwas Liedhaftes. Nichts fröhlich Volksliedhaftes mit einem festen Reimschema, aber voller klingender Vokale, Wiederholungen und Reime, die es durchziehen. Ein Klagelied.
LyrIch scheint den Partner am Morgen im Sterben liegend vorzufinden, in jenem letzten tiefen Schlaf gefallen, der Endgültigkeit bedeutet (V.1 + V.2). Das „gewickelt“ steht als Reimwaise, da dieser letzte Gang nur alleine beschritten werden kann. In dem Wort steckt aber auch etwas Sanftes. Der Tod scheint sich ruhig angenähert zu haben, er hüllt den Sterbenden behutsam ein. Er hat sich bereits auf die Reise gemacht, ist abwesend - sowohl örtlich („an einem andren Ort“) als auch geistig, denn das verzweifelte (zweifache) Rufen von LyrIch findet keine Erwiderung mehr. Das „tief“ ist fest inmitten des ersten Verses verbaut, dass es nicht mehr als Paarreim zum doppelten „rief“ am Ende von V.2 gelangt.
In V.3 werden „Stirn, Herz, Ohr“ als Sinnesorgane aufgeführt, gefolgt vom „nahen Mund“ in V.5. Im ersten Moment fällt auf, dass das Auge fehlt. Aber es bedarf kein Auge, um Musik zu hören. Sie dürfen auch geschlossen sein. Der Klang fließt aus dem Mund des Sängers über das Ohr des Hörers zu dessen Stirn und Herz. Das Rufen von LyrIch hat sich allerdings zum Reifen in V.3 gewandelt (rief – Reif). Langsam scheint die kalte Erkenntnis zu reifen, dass Abschied genommen werden muss. Doch der aufliegende Reif blockiert die Sinneswahrnehmung, und einsetzender dichter Schnee verhindert beim Abschiedskuss sogar, dass LyrIch den Mund des Partners spüren kann. Die enge Ursache-Wirkung-Verknüpfung kommt durch den reinen Kreuzreim „spürte“ (V.5) und „berührte“ (V.7) zum Ausdruck.
Der starke Schneefall kommt durch dreifache Nennung („Schnee um Schnee“ in V.6 und „Schneefall“ in V.7) zum Ausdruck. Er fällt „dicht, / so dicht“, aber durch das Zeilenenjambement wird das „dicht“ auch mit dem synonymen „nah(en)“ verbunden, welches wiederum in V.5 soweit nach rechts eingerückt ist, dass der Widerspruch auch optisch deutlich hervortritt: Der dichte Schneefall verhindert eine Annäherung an den nahen Mund. Es ist ein kalter Abschiedskuss, eine Berührung ohne menschliche Wärme.
Inmitten des Eisigen wirkt das herausstechende „es verbrannte mich“ völlig fehl am Platz, ein scheinbares Paradoxon. Der gefrierende Schnee führt bei LyrIch zum Verbrennen. Der brennende Schmerz ist so übermächtig, dass er LyrIch verzehrt. Der angehängte Kurzvers V.8 mit seiner Reimwaise bildet einen Abschluss, der LyrIch alleine zurücklässt. War in V.7 noch von „uns“ die Rede, ist es in V.9 mit dem „Wir“ vorbei: „Ein letztes Wir schlich fort. Und doch:“ – und doch ist das nicht das Ende.
Die letzten drei Verse bieten etwas Trost: „Da bleibt ein Lied. Er singt es noch.“ Das Lied bleibt als Vermächtnis, dass eine bleibende Nähe ermöglicht, was auch durch den Paarreim „doch“ (V.9) und „noch“ (V.10) gezeigt wird. Bezeichnend ist allerdings, dass der Partner im gesamten Gedicht nicht als LyrDu auftaucht, sondern immer nur in der dritten Person Singular als „er“. Es beginnt mit: „Am Morgen lag er“ (V.1) und endet mit „Er singt es noch.“ (V.10) LyrDu bleibt durchgehend „er“, der sterbende Schwan, der sich übrigens mit seiner weißen Farbe gut ins Bild aus Eis und Schnee und weißen Laken fügt.
„Stirn, Herz, Ohr“ (Z.3) von LyrIch scheinen am Schluss wieder aufnahmefähig zu sein: „Ich lausche jedem Wort.“ (V.11) Die Werke eines Autors oder Künstlers bleiben den Hinterbliebenen als Nachlass erhalten, der ihnen die Stimme des Verstorbenen immer wieder lebendig werden lässt.
Sehr traurig und melancholisch, aber ich habe mich gerne damit beschäftigt. Liebe Grüße, Irma
Kommentar geändert am 24.04.2023 um 10:37 Uhr
Kommentar geändert am 24.04.2023 um 18:45 Uhr
Ach, hätten anderen doch auch so wenig Zeit, die sie auf so wundervolle Weise nutzen könnten... :-D
Tausend Dank für deinen wundervollen Kommentar, für die ausführliche, wohlbegründete, dichterherzerfreuende Analyse und dein Wohlwollen - Kommentare wie der deine sind der Grund, warum alte Karteimumien wie ich das Schreiben trotz inzwischen größerer Pausen immer noch nicht lassen können.
Merci!
Bussi von
Sabine
Tausend Dank für deinen wundervollen Kommentar, für die ausführliche, wohlbegründete, dichterherzerfreuende Analyse und dein Wohlwollen - Kommentare wie der deine sind der Grund, warum alte Karteimumien wie ich das Schreiben trotz inzwischen größerer Pausen immer noch nicht lassen können.
Merci!
Bussi von
Sabine
diesem Kommentar ist in der Tat kaum was hinzuzufügen, außer vielleicht einer anderen Lesart, wie die meine, wie sie durch diese Zeilen irrt, von einem fast tierischen Instinkt getrieben, Wort für Wort nach der Spur wittert, innehält nochmal liest und nochmal von Anfang an, wieder liest, fast aus Versehen ein Schneeflockenschloß für Schwäne baut, darin der Atem ein Lied singt.
Tausend Dank, DW1L und ja, du hast Recht, Irmas Kommentar ist genial.
LG Sabine
LG Sabine
Dein Gedicht machte mich beim Lesen in der Tat atemlos. LG
Vielen Dank für deine Rückmeldung, Armin.
Liebe Grüße
Sabine
Liebe Grüße
Sabine
Atemlos nicht im Sinne von schnell, sondern von tod. Sehr poetisch und berührend geschrieben, Isaban. LG von Agnete
Vielen Dank. Ich freu mich.
LG von Sabine
LG von Sabine
Das ist so mein rostiger Porsche mit Beulen im Mettenhof. Aktenzeichen XY Ungelöst. Ich war das nicht, aber der sieht doch genau so aus, ne?
Dein Kommentar, lieber Teichhüpfer, ist wie immer ganz besonders einzigartig.
LG Sabine
LG Sabine