... Wenn du sprichst, brennt noch unser Licht, es leisten auf ihr Mannsein nicht Verzicht
die Männer, Frauen lächeln wunderbar, noch gibt es Menschen - doch sie wurden rar...
Peter Popper beschließt mit diesem Gruß seines Landsmanns Attila József an Thomas Mann sein Büchlein „Training der Gefühle“. Die Rigorosität der Nachdichtung Hermlins im letzten Vers schockiert beinahe - rar gewordene Menschen, noch gibt es sie. Fast kommensuriert man vage: einige wenige, und fühlt sich dennoch weniger vor düsterer Perspektive gewarnt denn aufgefordert jene Noch-Menschen zu suchen, ebenso, wie Popper auf knappen neunzig Buchseiten versucht hat, Hilfestellung zu geben zu Selbsterkenntnis und Wiedergewinn seelischen Gleichgewichts, dem Suchen und Finden der eigenen Mitte.
Gnothi seauton - erkenne dich selbst! zitiert Popper eingangs seiner Abhandlung das delphische Orakel und beweist mit kleinem historischem Wurf ewigmenschliche Notwendigkeit. Daß er sich im Weiteren auf langtradierte Techniken wie Yoga, Meditation und andere stützt, überrascht dann nicht, doch im zweiten Hinsehen stutzt man vielleicht darüber, wie lange schon sich Menschen, ganze Völker und Kulturen um diese Frage bemühen.
Ohne sie auszusparen reduziert Popper also nicht auf die sogenannten Zivilisationsmacken des modernen Individuums. Mensch ist bei ihm zugleich immer Gattungswesen mit Geschichte. Es klingt fast verwegen, auch den Versen Attila Józsefs diese Sicht beizumessen. Doch er, der Dichter, sagt es nur anders.
Frauen lächeln wunderbar... - da spricht ein Mann, keine Frage, und der beharrt expressis verbis darauf, ein solcher zu sein, sein zu dürfen. Wer sollte ihm das bestreiten wollen? Frauen? Möglicherweise - aber die täten solches kaum wunderbar lächelnd, wären demnach keine. Also wer?
Das Gattungswesen Mensch besteht zu seiner Gänze immer nur in beidem zugleich wirklich, immer pari: Mann und Frau. Jedes wäre ohne des andern vergebens, und so kann man wohl behaupten, daß über die natürliche Verschiedenheit eine Brücke gedacht werden muß, die sich nicht nur bauen sondern auch betreten läßt. Allen Brücken dieser Welt aber ist eigen, daß es eines Vertrauens bedarf, sie zu betreten, um so mehr zwischen Menschen als zwischen Ufern.
Attila József beschreibt in Umrissen selbstbewußte Menschen, Männer, die ihr Mannsein verstehen und beanspruchen, Frauen, die ihr Lächeln als Ausweis ihres Frauseins gebrauchen, souverän bezaubernd. Selbstbewußtsein ist ohne Selbsterkenntnis unvorstellbar, es wäre denn kalte Arroganz. Fast gleichnishaft bedeutet József in der Metapher vom Licht zugleich Wärme, Brennen, das kein Verbrennen ist, sondern aus Sprechen, Reden zu... oder Reden mit... stetig genährt wird.
Man zündet auch nicht ein Licht an und setzt es unter einen Scheffel, sondern auf einen Leuchter; so leuchtet es denn allen, die im Hause sind. Der Prediger auf dem Berge gemahnt auf Gleiches und rundet das Bild mit dem Ur-Gefühl des Behaustseins, wo viele unter einem Dach einander Licht sind.
Denn es ist schließlich die Fähigkeit zu eigener Artikulation, die den einen für andere, den oder die andere wichtig werden läßt. Niemand vermag seiner selbst Ausdruck zu geben, wenn er nicht weiß, was das ist, was oder wer er ist. Es gibt nicht Kommunikation über... oder ...zu..., sondern wirkliche Kommunikation einzig zwischen Individuen gleichen Status’ und Rechts. Das ist der Kern, Jahrtausende alt. Es geht nicht um männliche oder weibliche, sondern um menschliche Emanzipation. Jeder vor jedem, jeder vor seiner Geschichte, seiner Kultur, in der Zeit, an jedem Ort. Sich selbst verstehend, ist dies freilich leichter, wie auch Mut nur aus dem Verständnis eigener Möglichkeit erwächst, das Vertrauen in den Mut eines anderen aber nie größer sein kann, als das eigene Selbstbewußtsein.
Man muß tanzen, mein Herr. Die Musik wird dann schon irgendwo herkommen... ist Popper Motto seines Buchs. Es steht im Sorbas, und das wundert nicht.