Demenz oder Autowelten

In den betäubend frischen Frühlingstagen
und den endlos hellen Sommerstunden
geraten Dunkel und Regen, geraten Stille und Abschied
in ein seltsames Vergessen.

Ach, wir hatten so eine schöne und große Zeit!

Kleine Lackschäden und abgefahrene Bremsbeläge
oder fehlendes Kühlwasser oder….

wir fuhren mehrmals um die Erde...
Zum Mond wären wir gefahren, hätte man uns gelassen.
Zur Sonne!
Zu den Sternen!

Als die Scheinwerfer verreckten,
fuhren wir nur noch tagsüber;
nicht mehr brauchten wir die Nacht zum Fahren.

Als die Scheibenwischer
für immer oben auf der Scheibe stehen blieben,
verbrachten wir die Tage und Nächte
in unserer Garage,
auf deren Dach der Regen prasselte.

Als die Fahrertür sich nicht mehr öffnen ließ,
stieg ich als Beifahrer ein,
bis sich auch diese Tür für immer schloss;
lange Zeit stieg ich durch die hinteren Türen ein
und ich pflegte stumm und liebevoll
die noch intakten Schlösser.

Ach, der Rost.
Er fraß.
Und fraß.
Und obwohl wir immer seltener
die Straßen unseres Lebens befuhren,
litten die Reifen.
Die Zylinderkopfdichtung.
Die Achsen.
Die Kotflügel.
Das Getriebe.
Zuletzt der Motor.

Jetzt waren Stunden da voller Gram.
Und Hass.
Da lag die Karre wie ein krankes Rind
mit müdem, hängendem Kopf.
Wie ein abgewracktes, hässliches Tier.
Wie kaputter Ballast.
Und die Tränen liebevoller Erinnerung
blieben ungeweint,
wurden erstickt durch das unerträgliche Heute und Jetzt.

So war der Winter, kalt und untragbar,
in unserer kleinen, garstigen,
nur uns zwei gehörenden Hölle der Garage.

Noch einmal war der eine Moment da.

Der war wichtig und entscheidend.

Der Blick voller Liebe.
Das Wissen um das Ganze.
Das Verstehen und das Hinnehmen.
Das Ende
angenommen.