Und immer wieder diese vier Zeilen:
Felice chi è diverso
essendo egli diverso.
Ma guai a chi è diverso
essendo egli commune.
Glücklich wer anders ist
wenn er anders ist.
Doch wehe dem, der anders ist
wenn er wie alle ist.
Unmöglich durch noch so viele Relektüren sich dem sich entziehenden Sinn anzunähern. Vielleicht so:
Glücklich wer anders ist
wenn er sich anders fühlt.
Doch wehe dem, der anders ist
wenn er sich doch nur wie alle fühlt.
Man meint, sich dem Gedicht anzunähern und macht es im Akt der Annäherung, durch die Annäherung doch nur futsch. Wie bei einem Geliebten.
Aber selbst dieses sich Entziehen des Gedichts lässt sich genießen und man kann es - total unpoetisch - versuchen, noch konkreter zu machen:
Glücklich der Schwule, wenn er sich wie ein Pädophiler
als jemand von der Norm total abweichendes sieht.
Doch wehe dem Schwulen, der sich einreden lässt
dass er doch nur das gleiche wie ein Hetero in Grün ist.
Pädophiler ist nur ein Beispiel. Es bietet sich an, weil Penna Jungens so um die +/- 15 mochte. Also nicht wirklich pädophil, aber so von der Tendenz her. Mit jemandem wie ihm, also jemand gleichem, hätte er es jedenfalls nicht machen wollen. Also war er näher an der Pädophilie dran, als an der Homosexualität (homo - von griechisch "gleich"). Pädophilie als die letzte noch verbleibende Form von Heterosexualität (hetero - von griechisch "anders"). Zoophilie: Die Restsexualität, die wenn alles gleich gemacht ist, dann vielleicht irgendwann uns noch bleibt!
Man könnte aber auch andere Randfiguren nehmen. Internetforenautor zum Beispiel:
Gücklich der Forenpoet, wenn er sich wirklich
nur als Forenpoet außerhalb der Literatur sieht.
Doch wehe dem Forenpoet, wenn er
wie alle doch nur Literatur machen möchte.
Freilich trocknet das Reservoir an Randfiguren mit den zunehmenden Gleichmachungstenzen unserer Zeit immer weiter aus. Neger, Zigeuner darf man nicht einmal mehr sagen. Dass früher auch Matrosen so etwas wie Neger, Zigeuner waren und zudem angeschwult, empfindet heute schon keiner mehr.
Wagen wir es trotzdem und denken dabei an Léopold Senghor:
Glücklich der Neger
der sich als Neger als ein anderer fühlt.
Aber wehe dem Neger
der sich doch nur als einem Weißen gleich fühlt.
Ethnopluralistisch gedacht ließe sich dies so abwandeln:
Glücklich der Weiße
der sich als Neger fühlt.
Aber wehe dem Weißen, der sich
als Weißer allen doch bloß gleich fühlt.
Mit Weißen ist nicht die Hautfarbe sondern das westliche Lebensmodell gemeint.
Das westliche Lebensmodell als Unglücklichmachungsmaschine: Alle sind gleich, egal ob sie in Wirklichkeit ganz anders sind.
Keinerlei Hoffnung, dass sich außerhalb dieser Unglücklichmachungsmaschine dieser Prozess der Unglücklichmachung reflektieren, ja auch auch nur empfinden und - weil man sich von ihm im Akt des Empfindens ein wenig distanziert - auch ein wenig genießen lässt. Von Matrosen, Zigeunern oder Negern darf man heutzutage nichts mehr erwarten. Das Heil geht von Pädophilen aus, die nicht einmal wirklich pädophil sind - Sandro Penna.