großonkel ludger

Gedicht

von  Redux

unser altes backhaus

nebenan der melkstall
eine werkbank
und der waschkessel
petroleumduft
ein rostiger herd
in jedem winter
verlor hier 1 schwein
sein leben
und wurde zu blut- und leberwurst
eine brüchige kommode
wurmstichig
häufchen holzmehl in den ecken
und darinnen die briefe
von großonkel ludger
klamm und spackig
die er in den fünfzigern
aus lourdes und fatima uns sandte
wo er trost fand
der mit 12 schon gelähmte
die geschnitzten schachfiguren
wintertage vor dem herd
es ist so still
als hörte die zeit auf
versunkene welten
gestorben 69 mit 55

ich war 5

2 erinnerungen

er sitzt im rollstuhl

mama wäscht ihm die füße

er sitzt im rollstuhl

offene tennentür

streut futter für die hühner
1 familienanekdote
eines tages
wusch oma
seine schwägerin
nicht mehr seine füße
er graptschte nach ihr
er wäre doch auch nur ein mann

als die nazis regierten

bat man opa 2 mal

seinen bruder
in eine anstalt

nahe bielefeld

zu überweisen

dort wäre für ihn gesorgt

opa sagte 2 mal nein

als ludger starb

bekam ich sein zimmer

und mein leben fing an

1 Jahr später

mit schultüte
ein großer blasser junge
briefmarkensammler
mit marken
aus frankreich und portugal



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Kommentare zu diesem Text


 willemswelt (14.10.23, 08:51)
bin gern deinen Erinnerungen gefolgt,Redux,weckt natürlich auch bei mir einiges-wir sind schon geprägt von unserer Vergangenheit,ob wir wollen oder nicht-einen Gruß zum Wochenende, Willem

 Redux meinte dazu am 14.10.23 um 21:00:
Ja, die Vergangenheit,  das Erlebte prägt uns, aber es kann auch ein Schatz der Erinnerungen sein. 
LG
Agnete (66)
(14.10.23, 20:46)
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 Redux antwortete darauf am 14.10.23 um 21:03:
Hallo Agnete, der Text sollte nicht beklemmend wirken und meine Erinnerungen habe ich auch nicht so empfunden. Eigentlich hatte ich überhaupt keine Erinnerungen an meinen Großonkel und da das Zimmer nach seinem Tod komplett renoviert wurde,  habe ich es eher als angenehm empfunden. 
Danke für den Kommentar. 
LG
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