Mitternacht

Kurzprosa

von  BeBa

Die Zeit ist abgelaufen, jetzt ist Schluss. finito. Sie haben mir eine Frist bis zum Ende des Tages gesetzt. Und nun höre ich durch das offene Fenster, wie die Turmuhr Mitternacht schlägt.
Es ist unerträglich heiß hier oben und von draußen kommt keine kühle Luft herein. Vielleicht geht unten auf der Straße ein erholsames Lüftchen. Aber sie haben mir ausdrücklich untersagt, die Wohnung nach Ablauf der Frist zu verlassen. Bis vor fünf Minuten hätte ich mich entscheiden können, doch erst jetzt, mit Ende des Ultimatums, kommen mir diese Gedanken.
Sie haben keinerlei Andeutungen gemacht, wie es weitergehen wird nach dieser Mitternacht. Dass sie jemanden schicken werden, davon gehe ich aus. Aber wann das sein wird, ist völlig ungewiss. Und hier sitzend, mitten in der schwülen Nacht, denke ich mir, dass die Wahrscheinlichkeit, beim Verlassen der Wohnung erwischt zu werden, vielleicht weitaus geringer ist als meine riesige Angst davor.
Sie haben Zeit bis 24 Uhr, hieß es, danach gelten verschärfte Bedingungen. Was immer das sein soll.
Sie sitzen am längeren Hebel. Das ist alles, was ich weiß. Oder vermute. Ich schwitze dazu und die Turmuhr hat ihren letzten Schlag getan. Sie wird erst um sechs Uhr in der Frühe wieder zu hören sein. Werden sie mich bis dahin abholen und woanders hinbringen? Oder verbringe ich meine Zukunft weiterhin hier? Fragen über Fragen!
Und Vermutungen! So dasitzend und nichts tuend spüre ich, dass etwas kühlere Luft hereinkommt. Erfrischt oder auch nicht gehe ich daran, meine Situation ein weiteres Mal zu durchleuchten.
Wer mir das Ultimatum gesetzt hat, weiß ich nicht und ich kenne niemanden von ihnen. Doch sind es überhaupt mehrere? Keine Ahnung! Weshalb ausgerechnet die heutige Nacht als Frist gilt, dafür habe ich keine Erklärung. Und dann, das hatte ich ja bereits erwähnt, sind etwaige Folgen bei Nichtbeachtung ihrer Vorgaben nie genannt worden. Das geht mir durch den Kopf, in der Schwüle sitzend, kühlere Luft zumindest erahnend. Ich atme durch.

steh auf, schließ das fenster, zieh die gardinen vor und verlass die wohnung. das licht im treppenhaus funktioniert nicht, also die stufen ganz vorsichtig nehmen. es wird dauern, denn es sind viele stufen.

Am Ende bleibt die Frage, wann und wie ich dieses Ultimatum überhaupt erhalten habe. Jetzt, mitten im dunklen Treppenhaus, weiß ich darauf keine Antwort.

geh, weiter.

Ich bin schon eine Weile unterwegs, da ist mir plötzlich, als kämen Geräusche von unten. Zunächst so etwas wie das Zufallen einer Tür, dann sind es Schritte. Und jetzt, ohne Zweifel, höre ich sie. Die ersten Stimmen.


Hinweis: Du kannst diesen Text leider nicht kommentieren, da der Verfasser keine Kommentare von nicht angemeldeten Nutzern erlaubt.

Kommentare zu diesem Text


 AchterZwerg (06.07.24, 17:27)
Kafkaesk und sehr spannend! :) 

Meine Kritik richtet sich ausschlielich auf die Vielzahl der Partizipialkonstruktionen, die unnötig steif wirken.
Beispiel:

"Das geht mir durch den Kopf, in der Schwüle sitzend, kühlere Luft zumindest erahnend. Ich atme durch."

Liebe Grüße
der8.


 BeBa meinte dazu am 06.07.24 um 23:20:
Danke dir. Die Kritik kann ich nachvollziehen, da habe ich es wohl etwas übertrieben.  ;) Sobald ich an eine Überarbeitung gehe, habe ich das auch im Hinterkopf. Versprochen.

LG
BeBa
Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram