VOM EIGENLEBEN DER DINGE
Gedicht zum Thema Schizophrenie
von hermann8332
VOM EIGENLEBEN
DER DINGE
Die Dinge entziehen sich
mehr und mehr meinem Willen
Sie werden immer störrischer
und ich kann mich immer weniger
mit ihnen verständigen
oder sie bändigen
Die Tendenz zum Eigenleben
der Dinge weist einen progressiv
steigenden Trend auf
und ich nehme in Kauf,
daß sie mir entgleiten
und mit mir Schindluder
treiben
Denn eine ganze Reihe
von Dingen
kann ich nicht mehr
wollen
oder ich will sie
nicht mehr können
ob es sich dabei um
Viagra
Tennisschläger
Kletterausrüstung
oder Motorradkleidung
dreht
und er mir nicht mehr steht
oder ich nicht mehr Flugball
oder hoch hinauf kann
und mich unsicher fühle auf der
Harley Davidson ...
Was macht das schon ?
...und daß es früher
anders war …
Doch mir ist klar,
die Dingen versuchen
mich zu Fall zu bringen
buchstäblich
und im übertragenen Sinne
Es rebellieren die Dinge:
zB lösen sich wie von Geisterhand
mein Schnürsenkel
und ich trete auf die Enden
so daß ich ins Stolpern gerade
und stürzen kann
unversehens und irgendwo
und irgendwann
Oder meine Schuhe
laufen mit mir statt nach Haus
ins Wirtshaus
und wenn ich es trunken verlasse
bescheren sie mir
einen unsicheren Gang
und ich torkle die Gasse entlang
Das macht mich hilflos
ängstlich und depressiv
und dauernd geht etwas schief
und deshalb ziehe ich öfters
meine Schuhe aus
und nehme sie in die Hand
und gehe barfuß durch die
Fußgängerzone
zu dem Haus
wo ich in der City wohne
ein einziger Spießrutenlauf
aufgrund der Kommentare
der Passanten,
die das recht seltsam
fanden
Schaut mal :
der Narr
der verrückte Alte
Der gehört
ins Irrenhaus
Vielleicht
riß er von dort aus
In letzter Zeit habe ich
die Dinge wieder einigermaßen
im Griff ...
denn wenn sie ungehorsam
und aufmüpfig waren
so räche ich mich
und bestrafe sie
und zwing sie in die Knie
So schmiß ich eine über-
schwappende Kaffeetasse
mit vollem Inhalt an die
Wand ...
...und meine Frau dachte
ich verlöre den Verstand
und ich habe mein Feuerzeug
verbrannt
weil es nicht zünden wollte
wie es dies sollte
Und als mein Auto
sich dauernd verfuhr
dorthin wo ich nicht wollte,
steuerte ich es zur Strafe
gegen einen Baum
Oder war es ein Gartenzaun ?
Auf jeden Fall
nahm ich ihm die Fahrfähigkeit
und war gern bereit
meinen Führerschein abzugeben
und ohne Auto immobil zu bleiben
Warum soll ich unter den Irrtümern
meines Autos leiden ?
Manchmal befürchte ich
daß die Schlaftabletten
ein Komplott schmieden
und sich gegen mich
verschwören
und gegen mich wenden
und ich muß an einer Überdosis
per Suizid verenden
Und daß sich die Messer
gegen mich kehren und
mit mir Harakiri machen
und dabei hämisch und
sadistisch lachen
oder ich komme wegen
eines hinterhältigen Teppich-
zipfels zu Fall
und mein Smartphone,
das mir beim Sturz
aus der Tasche und
auf den Estrich fiel
kriecht unerreichbar weg
von mir
so daß ich den
Notruf nicht tätigen kann
und ich bin ein von den
Dingen total besiegter Mann
der bedingungslos kapituliert
und tot da liegt
und sich nicht mehr rührt
so daß ich selbst
zum Ding werde
und integriert werde von den
Dingen als lebloses Ding
und Leiche
die einst zu Staub zerfällt
durch die Entropie
so wie es geht mit allem
denn alles wird diffundiert
und nihilisiert und annulliert
Da fällt mir spontan ein
Wir sind ja selbst ein Ding
Warum sollte ein Mensch
kein Ding sein ?
Nämlich ein beseelter Android ,
gefühlsprogrammiert
und mit einer AI versehen
der auf Gedeih und Verderb
muß mit allen anderen Dingen
leben
sei es die Zahnbürste
oder seine Frau
die auch ein Ding ist
samt den Dingkindern
und den Verwandten -
und Bekanntendingen
und dem Nachbarschafts-
und Gesellschaftsding
alles Dinger
eingepfercht in den Zwinger
der Determination und der
Konvention
und oft im Streit und Zwist
befindlich
und nicht willfährig
sondern störrisch
und programmiert
schier unergründlich
als selbstlernendes
KI – System :
So sollte man
die Menschen sehn !