Mai. Montag. 13:47.
Die Türen zischen auf
als wäre Schweigen ein Luftdruck.
Einsteigen.
Lenny, der mit dem Glitzer im Gesicht,
setzt sich rückwärts hin.
Er sagt nichts.
Er isst was –
irgendwas Glutenfreies
aus knisternder Alufolie.
Kopf runter.
Immer wenn’s über die Weiche geht,
wippt sein Knie im Takt.
Er zählt heimlich mit,
denkt, das merkt keiner.
Vor mir:
Chiara, sie schneidet Sticker aus.
Messer in der Hand,
aber freundlich.
Auf dem Pulli steht „Stay Weird“
in einer Schrift, die schreit
und gleichzeitig flüstert:
„Ich halt das nicht mehr lang aus.“
Hinten lehnt sich Paul
gegen die Wand wie jemand,
der schon raus will,
aber erst in zwei Stationen.
Seine Airpods glimmen wie
elektrisches Desinteresse.
Er ist 17,
aber seine Augen sehen aus
wie aus ’ner Mahagoni-Kommode gezogen.
Scharniere raus, alles klappert.
Durchsage:
„…bitte beachten Sie, dass…“
Ich höre nie zu,
außer wenn jemand neben mir „Schwanz“ sagt.
Dann horch ich auf.
Heute nicht.
Ein Kichern.
Keiner weiß, woher.
Oder wer.
Vielleicht war’s ich.
Der Wagen zuckt
über das Gleisbett
als würde die Realität laden.
Aber nur bis 72 Prozent.
Connewitz verschwindet
im dreckigen Rückspiegel
der Türfenster.
Reudnitz kommt,
als hätte es nie aufgehört,
dieser Moment
zwischen fast da
und nie angekommen.
Lenny steht auf,
vergisst den Müll.
Chiara bleibt sitzen.
Paul nickt mir zu,
aber nur mit einer Wimper.
Tür auf.
Zug zischt.
Kälte rein.
Ich steig aus
als wäre ich gar nicht drin gewesen.
Wie ein Schatten auf der Bank,
der aufsteht
und sich in nichts auflöst.
Kein Finale.
Kein Applaus.
Nur Schritte
auf warmem Beton
im falschen Monat.