Ficken mit Urdeutschen

Text

von  Isensee

Du bist weg. Ich bin noch hier. Und alles riecht nach warmem Plastik, Weizenbier und ungewaschenem Mai. Ich weiß nicht, warum ich dir schreibe. Vielleicht, weil der Monat mich aggressiv macht. Oder weil ich dir das hier nicht gesagt habe, als du noch auf meiner Couch lagst, barfuß, mit diesem Blick, als hättest du die Welt schon gelesen und für dumm befunden.

Ich hab dich über Kleinanzeigen kennengelernt, was schon klingt wie ein schlechter Witz: Urbaner Typ trifft völkische Biofrau mit Ahnengalerie im Hausflur. Du kamst rein, rochst nach Sandelholz, hattest Haare wie frisch gewaschenes Tierfell, und ich dachte: Okay. Die fickt entweder gar nicht oder alles – aber nur mit Bedeutung. Ich hatte Unrecht. Es war schlimmer: Du hast mit Ideologie gefickt. Und ich hab mitgefickt. So gesehen war’s fair.

Ich hab dir Leipzig gezeigt – du wolltest „echte Geschichte“ sehen. Ich hab gedacht, das meint Plagwitz oder Eisenbahnstraße, du meintest das Völkerschlachtdenkmal. – Leipzig hat keinen Stolz, nur Patina und Latte Art –
Verzogen, halb ernst, halb entschuldigend.
Du hast gelacht.
Nicht über die Stadt. Über mich.

Wir standen vorm Späti in Connewitz,
du mit deinem Kiefernadeltee und deiner Miene wie frisch aus einem Erntedankritual,
und ich dachte:
Wenn sie mich jetzt küsst,
bin ich verloren.

Du hast’s getan.
Ich hab’s geschehen lassen.
Weil ich dachte, Liebe ist vielleicht auch nur ein Naturfehler mit gutem Timing. Ich bin ein Idiot.


Aber ehrlich: Ich mochte, wie du gegessen hast. Gierig. Wie jemand, der den Krieg kennt. Und wie du dich gedehnt hast morgens, als wär dein Körper nicht gemacht für Betten mit Matratzen. Ich mochte das, weil ich dachte, ich wär Teil davon. Aber das war ich nie.

Du bist eingestiegen mit einem Jutebeutel.
Hast in der Bahn nach Westen gesehen,
und ich hab nach deinen Händen geschielt,
die sahen aus wie Wörter, die ich nicht schreiben kann.
Mit denen du aber Romane ins Moos kratzt.
Oder Männer.

Ich war dein Leipzig-Mann.
Dein Stadtkörper.
Eine Zwischenunterkunft in der Zivilisation,
bevor du zurückkehrst ins Reich des Sonnenkults.
Dort, wo keiner nachfragt, wenn jemand sagt:
„Es war nicht alles schlecht.“
Dort, wo Männer mit Stirnbändern Götter zitieren,
aber nicht wissen, wie man eine Spülmaschine einräumt.

„Der Körper erinnert sich.“
Klar.
An Kälte.
An deine Knie auf meinen Schultern
wie Schuldgefühle,
an dein Lachen über meinen Bildschirmhintergrund,
an den Moment, als ich wusste:
Ich werde dich nicht retten.
Aber ich werde es versuchen.
Dumm.
Männlich.
Niedlich fast.


Du bist zurück nach Brandenburg. In eure Kommune, wo man sich „auf alte Werte besinnt“ und Hirse nicht kocht, sondern „ehrfürchtig gart“. Deine Freunde sagen Sachen wie „Wir sind das echte Volk“, und ich denke: Das echte Volk hat WLAN und Bauchspeck. Und trotzdem lag ich abends allein im Bett und hab mir vorgestellt, wie du dort stehst, barfuß im Kreis, mit Fackel und Trommel, und dann ein bisschen an mich denkst, während irgendein Typ dir den Rücken mit Brennnesseln schlägt.

Ich wünschte, ich hätte dir damals gesagt: Du bist komplett wahnsinnig, M. Und ich find dich geil. Aber ich will nicht irgendwann in einem Lehmhaus aufwachen, um mit dir Runen zu deuten und unsere Kinder Thoralf zu nennen.


Aber ich hab geschwiegen. Ich hab gekocht. Ich hab geküsst. Ich hab gefickt.
Und dann hab ich deine Zahnbürste weggeschmissen, als wär’s ein Beweisstück.

Jetzt sitz ich hier, schwitze in meiner Küche, die Sonne brennt mir ins Hirn, draußen grölt jemand, drinnen hör ich deinen Satz: „Der Körper erinnert sich.“ Ja, M., mein Körper erinnert sich. Leider.

Wenn du das liest, lach ruhig. Sag den anderen, da war mal so ein Städter, der hat gedacht, er kann den Wahnsinn rausvögeln. Hat nicht geklappt. Ich war nur ein Zwischenstopp, ein urbanes Feldexperiment. Du warst meine Sommerkrankheit.

Ich hoff, dir schmilzt der Ziegenkäse auf’m Altar. Und ich hoff, du kommst nie wieder. Und falls doch: Ruf vorher an. Ich hab bessere Bettwäsche jetzt. Und ’ne neue Zahnbürste. Nur für den Fall.


Grüße aus dem brennenden Mai,
– A.



Möchtest Du einen Kommentar abgeben?
Diesen Text kommentieren

Kommentare zu diesem Text


 AchterZwerg (15.05.25, 16:52)
Wenn du nur nicht so gut schreiben könntest, Widerling! 8-)

Ich bin ein paar Takte älter als du und kann mich noch gut an die Zeit der sog. freien Liebe erinnern, mit allem Drum und Dran.
Am Ende war sie dann doch weniger frei als gedacht - insbesondere für Frauen.

Aber die Sache mit den Landkommunen, Anarchohöfen und arroganten West-Berlinerinnen (wie mich) ist mir gut im Gedächtnis verankert.
Offensichtlich wiederholt sich alles.
Kein Wunder in dieser verkugelten Welt.

Man grüßt

 Augustus (16.05.25, 09:53)
Man fragt sich einerseits als neutraler Leser, ob es überhaupt ratsam ist Briefe persönlicher Art zu kommentieren; andererseits kann es sich jedoch auch um einen bloß fiktiven Brief handeln. 
Mich persönlich interessiert hier nicht die Beziehung zwischen den Personen selbst, diese ist der Privatsphäre zuzuordnen. Der Inhalt des Briefes geht über die Thematik bloßer körperlicher Lustbeziehung hinaus und bietet andere spannende Einsichten in eine heidnische Welt, die von einem Beteiligten gelebt und ernst genommen wird.

Es gäbe zu heidnischen Kulten und Glauben viel zu sagen, insbesondere aus historischen Überlieferungen, aus der Edda, aus der Dichtung der Völuspá und derjeweiligen Forschungsliteratur. Weit weniger verbreitet ist unter der Bevölkerung die Kenntnis über die praktischen Umsetzungen dieser mystisch-heidnischen Inhalte heutzutage. 

Mit Brennnesseln sich auf den Rücken schlagen zu lassen, kündet die Anwendung uralter medizinischer, heilwirkender Methoden auf den Körper an. Ob die Brennessel darüber hinaus weitere Bedeutungen zugesprochen wurden, könnte der Autor uns vielleicht damit vertraut machen. 

Klar gesichert aus der Sicht der Archäologie ist der Ursprung von Runen nicht. Allein Odin, der hier 9 Tage aufgehängt an der Esche yggdrasil hing, entdeckte - laut der Edda - die Runen, als Symbole höherer Welt und als Schrift. 
Heute sollen die Runen Bedeutungen tragen und werden durch verschiedene Rituale gedeutet. 

Die „Seherinnen“ in ursprünglichen Naturvölkern, Abseits der grenznahen Limes, genossen hohen Status unter den germanischen Männern, denn sie standen mit den Göttern in Bund. Vor kriegerischen Ausseinandersetzungen mit feindlichen Stämmen oder den Römern, ließen sie kleine Stöcke oder kleine Knochen auf einem Tuch fallen und deuteten so den Ausgang der Schlacht und somit, ob der Zeitpunkt gut oder schlecht für Schlacht gewählt ist. 

Aus historischen Quellen lässt sich noch eine Anekdote erzählen, wonach die Weiber die Männer mit seltsamsten Methoden in Schlachten zum Sieg motivieren konnten, gleichwohl es zuerst nach einer Niederlage aussah. Bei einer Schlacht flüchteten die Männer von einem Stamm zurück in die Hütten, als sie sahen, die Schlacht sei verloren. Als sie aber in die Hütten kamen, erbosten sich die Weiber, sie entblößten ihre Kleider vom Körper und riefen: „Wollt ihr das euren Feinden hergeben!?“ 
Die bis dahin entmutigten Männer verfielen in Rage, so als ob Odin durch sie durchgefahren wäre und sie stürmten zurück in die Schlacht und schlugen den Feind nieder. 

Mit dem Einfluss des katholischen Glaubens ab dem 6/7 Jahrhundert wurde der  heidnische Glauben bekämpft und zurückgedrängt. 
Es wird sogar von „Martin Luther“ erwähnt, dass die katholische Kirche die Germanen (dieser Begriff rührt von Julius Caeser und meint etwa; Hand und Erde, also den Bauer) in deutsche und Germanen unterteilt hätte, wonach die Deutschen, die Germanen seien, die bereits katholisch getauft wurden, während andere noch heidnisch blieben. Dieses Ansicht ist jedoch nicht gesichert und wird von wenigen Menschen vertreten. 

Die barsche Vorgehensweise der katholischen Kirche gegen Andersdenkende, wie etwa damals die Germanen, zeigt sich in dem maßlosen Verhalten die heiligen Eichen niederzustürzen. Genau auf diesem Platz, wo einst die stolzen Eichen zum Himmel ragten, erbaute die katholische Kirche ihre „Stadt oder Dorfkirchen“, oftmals vom Körper der gefällten Eiche erbaut. 

Wer also heute an seiner Dorfkirche vorbei flaniert, hat eine gute Chance, dass einst dort eine uralte heilige Eiche stand, die dem Urgermanen heilig war. 
Vor diesem Hintergrund mag es ein Rätsel sein, warum nicht die „Esche“ als der Baum aus der mythologischen Überlieferung die Verehrung unter den heidnischen Völkern fand als viel mehr die Eiche, da beide Baumarten in den Regionen gleichviel vorzufinden waren. 
Möchtest Du einen Kommentar abgeben?
Diesen Text kommentieren
Zur Zeit online: