Facelifting

Kurzgeschichte zum Thema Schönheit/ Schönes

von  Clown

Doktor Schnippl deutete mit der Spitze eines schlichten Kugelschreibers an, wo der Schnitt für die Wangenstraffung verlaufen sollte. Astrid war ein wenig irritiert über den billigen Kuli, den er benutzte. In ihrer Tasche hatte sie einen eleganten Stift mit Japanlack überzogen, doch sie entschied sich, ihn nicht herauszuholen. Der Doktor hatte bereits mit den Vorbereitungen begonnen, und sie wollte ihn nicht aus dem Konzept bringen.


Für das Lifting der Stirn bevorzuge ich die klassische Methode“, erklärte er. „Sie hält einfach länger. Beim endoskopischen Verfahren müssten Sie bereits nach vier Jahren erneut etwas machen lassen.“

Astrid nickte; es war nicht das erste Mal, dass sie diese Information zu hören bekam. Alle anderen Chirurgen, mit denen sie ein Vorgespräch hatte, sagten ihr dasselbe.

Wichtig ist, ich will keine sichtbaren Narben haben“, antwortete sie.

Doktor Schnippl sah sie über den Rand seiner Brille halb überrascht an:

Selbstverständlich werden wir den Schnitt im Haarbereich setzen.“

Astrid sah ihn an und nickte zustimmend.


Um die Tränensäcke zu liften, werde ich hier die Schnitte setzen“, fuhr der Doktor fort und deutete auf den Bereich unter ihren Augen. Astrid grinste ihn an, wie man eine Tarantel angrinst. „Das werden sie hübsch bleiben lassen“, sagte sie. „Verschönern, nicht verschlimmbessern. Ich hab´ doch gerade verlauten lassen, dass ich keine sichtbaren Narben will.“

Doktor Schnippl trat einen Schritt zurück und musterte sie.

Was glauben Sie, wo Sie hier sind? In einer Metzgerei?“

Astrid schwieg.

Nach der Operation wird man nichts sehen. Ich betreibe mein Handwerk seit zwanzig Jahren.

Glauben sie wirklich, ich erzähle Ihnen Märchen?“


Der Doktor drehte sich um und ging zu einem Regal, gleich neben dem Fenster.

Astrid beobachtete, wie er Unterlagen herausnahm und zu ihr zurückkam, um sie auf dem Tisch auszubreiten. „Das hier sind Skizzen, die den Operationsverlauf dokumentieren“, erklärte er. Er legte ein Blatt zurecht, das einen detaillierten menschlichen Kopf zeigte, und skizzierte mit einem einfachen Kugelschreiber die geplanten Schnitte, während er seine Erläuterungen dazu gab.

Astrid hörte aufmerksam zu und fühlte sich zunehmend beruhigt. Dieser Schnippl schien tatsächlich kompetent zu sein. „Nehmen sie den Spiegel in die Hand“, forderte der Doktor sie auf. Astrid nahm den Handspiegel, den er ihr reichte, und hielt ihn vor ihr Gesicht. Schnippl stellte sich hinter sie, schob mit beiden Zeigefingern die Haut über den Ohren zur Seite und sagte: „So werden sie danach aussehen.“


Ein Lächeln breitete sich auf Astrids Gesicht aus. Wenn ich tatsächlich so aussehen werde, wäre das großartig. „Gefällt mir“, sagte sie zum Doktor, etwas distanziert, da sie ihre Freude nicht übermäßig zeigen wollte. Schließlich handelte es sich um eine ernste Sache.

Der Doktor bemerkte mit süffisantem Lächeln: „Sie werden danach länger leben, das ist erwiesen. Frauen, die sich verjüngen lassen, fühlen sich auch jünger.“

Da könnte er durchaus recht haben, dachte Astrid. Ein jugendliches Aussehen könnte ungeahnte Energie freisetzen. Sie stand auf, trat vor den Doktor, gab ihm die Hand und sagte: „Abgemacht, jetzt brauche ich nur noch den Termin.“









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