anstelle eines Pamphlets – jetzt positiv „Scheiße!“ schreien

Betrachtung

von  Tula

Der Deal ist nicht sehr positiv für die EU. Ok, etwas ehrlicher: Der Deal ist Scheiße. Nee wirklich, absolute Scheiße! Nur ein Blinder würde das Gegenteil behaupten.
Wir können getrost drei Tage lang heulen und zetern. Hilft nichts. Pessimismus noch viel weniger. Also ziehen wir mal den defätistischen Fuß aus der noch dampfenden … 

Bekam Trump tatsächlich was er wollte? –
Ganz gewiss, denn er lässt sich für sein Leben gern als Gewinner feiern. So medienwirksam wie nur möglich. Wenn es nicht anders geht, so wie Ramses nach der Schlacht von Kadesch. Die Headlines von heute zählen, nicht das Gebrabbel der Historiker drei Jahre später. Lassen wir ihm den Spaß. 

War das Ergebnis vorhersehbar? –
Ich vermute ja, zumindest für Insider. Man muss schon ziemlich naiv sein, wenn man glaubt, dass auch nur eine der beiden Seiten unvorbereitet in das Treffen gegangen wäre bzw. ad-hoc verhandelt hätte. Trump mag mitunter spontan agieren, aber als Showmaster und berufserfahrener Immobiliengangster kennt er seine Verhandlungsziele und Tricks. Mit absoluter Sicherheit haben auch Ursula von der Leyen und ihr Team genau die Position und Ziele vertreten, auf die man sich im Vorfeld (mit einigen bedeutenden Differenzen zwischen den Mitgliedsstaaten) geeinigt hatte. Das heißt im Klartext: keine Mehrheit für den harten Kurs der Konfrontation. Lieber einen längeren Sturm durchstehen als ein kurzes, aber alles zerstörendes Erdbeben. Lieber langfristig Arbeitsplätze erhalten als einen wirtschaftlichen und den mit diesem verbundenen sozialen Schock. Die Unterstützung für die Ukraine nicht erneut riskieren … Keinen Sieg um jeden Preis.

Dann noch einige Zahlen –
Es ist nicht einfach zu ermitteln, ob die EU momentan überhaupt LNG Aufnahme- und Speicherkapazität für die angegebenen Mengen hat. Gewiss hat die Politik beim Kauf von Energieprodukten ein enormes Gewicht. Zum anderen sind die Konditionen nicht klar. Was da bei solchen Treffen gern verkündet wird, sind oft nur ‚good intentions‘, extra-Feuerwerk für den Verhandlungstisch. Nicht bloß bei Trump. Es wäre jedenfalls zu hoffen, dass die EU-Länder nur die Mengen kaufen, die sie tatsächlich brauchen und dies zu attraktiven Preisen, die hier erst noch ausgehandelt werden.
Bei den angekündigten Investitionen ist besondere Vorsicht geboten. Mit solchen brüstet sich der Dealmaker besonders gern. Seinen Erfolgen der letzten Monate nach zu urteilen, stehen der US-Wirtschaft mehrere Trillionen bevor. Aber die Politik kann dafür nur Anreize schaffen, z.B. mit Hilfe EU-typischer Förderprogramme. Den Löwenanteil investieren muss allerdings das private Unternehmertum. Die guten Bedingungen dazu müssen die USA schaffen; eine ewige Zoll-Drohpolitik ist eher abschreckend. Was am Ende in einem bestimmten Zeitraum investiert wird, entspricht jedenfalls selten den ersten großen Versprechen vor laufender Kamera.

You have no cards  –
Das hat Trump unter Umständen auch beim Treffen vorgebracht. Auf lange Sicht wird sich zeigen, ob er als Bluffer und Zinker das Spiel wirklich gewinnen und wie positiv sich das wirtschaftliche Szenario in den USA entwickeln wird. Jeder weiß, dass Zölle vom (hier: amerikanischen) Importeur bezahlt werden; früher oder später steigen in und entlang der Wertekette die Preise. Man kann sich dahingehend gut vorstellen, dass nach dem Deal die eigentlichen Verhandlungen im Detail zu einer Reihe von Kompromissen (also geringere Zölle für immer mehr Produkte) seitens der Amerikaner führen. Nicht der EU zuliebe, sondern weil man die Inflation der USA im Zaum halten will und betroffene Industrien und Zweige in dieser Hinsicht Druck machen werden. Trump weiß, dass er bei steigender Inflation in innenpolitische Erklärungsnot kommt.

Wie heißt das alte Sprichwort? –
Der Klügere gibt nach.
Oder auch: Wer zuletzt lacht ...

Ich habe hier in Portugal eine schwere Finanzkrise miterlebt. Persönlich hatte ich Glück (viel mehr war es sicher nicht), kein Jobverlust. Wie dem auch sei, nach all den Jahren gravierender Einschnitte hat sich die Wirtschaft verbessert, ist konkurrenzfähiger geworden und exportiert stärker. Es ist eben so, dass man sich erst wirklich aufrafft, wenn man gehörig auf die Fresse gefallen ist. Das könnte und sollte kollektiv auf Europa genauso zutreffen. Oder im Vergleich: sich nach der Scheidung einen verlässlicheren Partner suchen; oder eben beim nächsten 'Ehevertrag' ein paar extra-Klauseln einbauen.

Also das beste daraus machen und vor allem - besser als vorher.
Das nächste Buch nicht von Amazon kaufen, sondern vom deutschen Verlag.
Und nicht zuletzt vor der Mahlzeit gut abwägen: deutsche Wurst statt Mac, deutsches Bier statt Coca Cola !!!



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Kommentare zu diesem Text


 AchterZwerg (30.07.25, 07:42)
Lieber Tula,

solche Ernährungsratschläge musst du mir gar nicht erst geben, daran halte ich mich schon immer, obwohl ich jetzt nicht die große Wurstesserin bin ...  :P

Ich kann mich noch an Zeiten erinnern, allzulange sind die noch nicht her, da wurden Verhandlungen geführt und keine Deals verhackstückt. - Das einzig Gute, das ich ich in dem "tollen" Ergebnis sehe, ist, dass sich Europa wohl mittelfristig mehr auf seine Eigenprodukte und deren Fertigung besinnen wird.

Herzliche Grüße

 Tula meinte dazu am 30.07.25 um 22:03:
Lieber 8er
Ich hoffe nur, die Zwerge sind etwas verhandlungs-pfiffiger, wenn auch sie (wahrscheinlich gleich nach den Pinguinen) an der Reihe sind. Ein Korb mit giftigen Äpfeln könnte ebenfalls hilfreich sein. Oder gleich den Jäger holen ...  8-)

LG Tula

 diestelzie (30.07.25, 10:22)
Es ist schon sehr beunruhigend, wie abhängig Deutschland von so einen ... Trump ist. Ob uns dabei Bier und Wurst weiterhelfen, glaube ich nicht wirklich, aber... ein Versuch ist es wert und ich bin definitiv dabei.  

Liebe Grüße
Kerstin

 Tula antwortete darauf am 30.07.25 um 22:06:
Liebe Kerstin,
'abhängig' ist genau das Stichwort. Genau daran, bestehende kritische Abhängigkeiten zu reduzieren, sollte Deutschland und die EU arbeiten. 

LG Tula

 Saira (30.07.25, 10:52)
Hallo Tula,
 
dein Vergleich zwischen Trump als „Dealmaker“ und Ramses nach der Schlacht von Kadesch bringt es auf den Punkt: In der internationalen Politik geht es oft mehr um große Schlagzeilen und schnelle Erfolge als um wirklich nachhaltige Lösungen. Du zeigst ziemlich klar, dass viele dieser „guten Absichten“ und die ganzen Investitionsankündigungen oft eher Show für die Medien sind, während die eigentlichen wirtschaftlichen Bedingungen und die Frage, ob solche Deals überhaupt umsetzbar sind, meist im Hintergrund bleiben.
 
Besonders gut gefällt mir dein Hinweis darauf, dass die Politik zwar Anreize setzen kann, die eigentlichen Investitionen aber vom privaten Sektor kommen müssen. Und dass eine aggressive Zollpolitik da eher abschreckend wirkt, ist ebenfalls ein wichtiger Punkt. 
 
Außerdem finde ich es stark, wie du daran erinnerst, dass Veränderung nicht nur auf der großen politischen Bühne passiert, sondern auch im Alltag jedes Einzelnen anfängt. Die bewusste Entscheidung für regionale Produkte und Anbieter ist, wie du sagst, ein kleiner, aber wirkungsvoller Schritt, um die europäische Wirtschaft zu stärken und unabhängiger von äußeren Einflüssen zu werden. 
 
Liebe Grüße
Sigi

 Tula schrieb daraufhin am 30.07.25 um 22:10:
Liebe Sigi
Ich bin in der Tat neugierig, wie die EU rein strategisch vorgehen wird, um der exportierenden Industrie den Rücken zu stärken. Neue Freihandelsabkommen würden nicht zuletzt auch ein Signal für die USA setzen, dass ein überzogener Protektionismus auf lange Sicht mehr Nach- als Vorteile bringt.

Dankend lieben Gruß
Tula

Antwort geändert am 30.07.2025 um 22:11 Uhr

 plotzn (30.07.25, 11:51)
Klasse Kommentar, lieber Tula! Gut ist der Deal sicher nicht für Europa, aber vermutlich das kleinere Übel.

Ich werde mich bemühen, das "Scheiße" so positiv wie möglich klingen zu lassen...  :unsure: .

Liebe Grüße
Stefan

 Quoth äußerte darauf am 30.07.25 um 13:20:
Dem schließe ich mich gerne an.

 Tula ergänzte dazu am 30.07.25 um 22:12:
Servus Stefan und Quoth
Genau! Eine weitere Variante als Prost mit Bier in der Hand wäre: "Scheiß drauf!"

LG Tula

 Teo (30.07.25, 13:40)
Tja Dirk,
mir fällt zu diesem Dödel auch nix mehr ein. Und alle gucken zu und nicken brav.
Du hattest in einem früheren Artikel mal von Gegenwehr und Widerstand in den USA geschrieben. Scheint wohl verpufft zu sein. Sind denn da alle Demokraten abgetaucht? Der Esel scheißt auf das Klima und wütet jenseits jeglicher Vernunft. 
Ich versteh das alles nicht....
Verzweifelte Grüße 
Teo

 Tula meinte dazu am 30.07.25 um 22:19:
Lieber Teo
Der Schein trügt vielleicht etwas. Wer weiß. 
Denken wir mal an den Vergleich mit einem Fußballspiel. Trumps Team führt in der 12. Minute, vielleicht sogar bereits mit zwei Toren. Kurz vor der Halbzeit gibt es noch einmal Wahlen, die darüber bestimmen, wer und wie weiter soccern darf. Und ein Treffer in allerletzter Sekunde könnte über Meisterschaft und Abstieg entscheiden.

LG Tula

 Augustus (30.07.25, 16:15)
Subventioniert die EU bzw. die Staaten nun bestimmte Exportzweige mit 15% wäre der Zoll von 15% ja wieder neutralisiert… 

Gibts dazu Überlegungen?

 Tula meinte dazu am 30.07.25 um 22:30:
Lieber Augustus
Subventioniert werden ja in der Regel Investitionen, d.h. die im eigenen Land. Einfach nur Geld in die Industrie zu pulvern, um Absatzverluste zu kompensieren, wäre wahrscheinlich kein guter Anreiz zum "besser machen". Dann lieber Förderung zur Entwicklung neuer Produkte in Schlüsselbereichen. Gibt es ja auch, kann man sicher ebenfalls besser und gezielter machen/fördern.

Export-spezifische Steuererleichterungen ... weiß nicht, ob das ginge. Neue und günstige Handelsabkommen mit Mercosur und anderen, das scheint mir jedenfalls ein Teil des richtigen Weges zu sein. 

Ansonsten sind die Märkte ziemlich "pfiffig" und finden relativ schnell neue Lösungen, um Zoll- und andere Schranken zu umgehen. Immer nach dem Motto des geringsten Widerstands und höherer Stromleistung  ;)

LG Tula

 TassoTuwas (31.07.25, 01:50)
Moin Tula,
wenn der Verhandlungspartner am längeren Hebel sitzt und er zudem auch noch Egomane ist, helfen dir die besten Argumente nicht weiter. 
Ich werde kein amerikanisches Auto kaufen, und wenn kein Mensch mehr zu Mac D. geht, stehen demnächst einige tausend Mindestlohn Angestellte bei der Arbeitsagentur auf den Flur.
Statt zu lamentieren sollten wir mal zur Kenntnis nehmen, dass unsere naive Komfortmentalität nicht so recht in ein Weltgeschehen passt, dass von Psychopathen bestimmt wird. 
LG TT

Kommentar geändert am 31.07.2025 um 01:51 Uhr

 Tula meinte dazu am 31.07.25 um 23:04:
Lieber Tasso
So ist es leider. Größenwahn und grenzenloser Egoismus sind ja auch nichts Neues in der Weltgeschichte. Dass gerade solche Typen demokratisch gewählt werden, ist durchaus bedenklich.

LG Tula
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