Ernsthaft, ...

Text

von  Saudade

... ich bin wirklich froh, dass ich nichts übernehmen musste von meinen Vorfahren. Oma stärkte zwar noch die Wäsche und bügelte 1A, aber auch erst in der Rente, vorher machte das alles die Hausdame. Man konnte immer vom Boden essen, ein picobello Ärztehaushalt, auch danach. Nichts nahm ich an, ich bin schlampig, vermisse die Ordentlichkeit. Einmal die Woche kommt die Putzfrau, die leiste ich mir, "für das Grobe", wie die Oma so schön sagte. Die bügelt mir auch die Bettwäsche. Und wenn der Notar endlich grünes Licht gibt, dann stelle ich auch eine Haushälterin ein. 

Haushälterinnen sind die wertvollsten Personen überhaupt. Man kann sie nicht genug wertschätzen. 

Es war die Haushälterin, die mit mir Aufgaben machte, mir Märchen erzählte, mich oft beschützte und mit mir spazieren ging. Ich liebte diese Frau sehr und auf ihrem Begräbnis weinte ich Rotz und Wasser, da war ich schon groß. 

Haushälterinnen sind für einen da, gute Geister, die immer eine Antwort wissen. Oma bezahlte fast das Doppelte, dafür tat Frau Haberl auch dreifach so viel. Sie hätte sich nicht um mich kümmern müssen, aber sie tat es mit viel Liebe. 

Oma war der Meinung, dass ich sowieso zwei Linke habe, so übertrig sie mir nichts im Haushalt. Sie sagte abfällig, ich käme ganz nach dem Großvater, sei wie seine Familie, die "Denkerinnen und Akademiker"! Nein, das sagte sie nicht nett. Sie verstand sich nicht gut mit den Lehrerinnen, den Schwestern des Großvaters, die waren ihr zu "intellektuell". Grete, überhaupt, sie studierte Philosophie, die beiden waren spinnefeind. Oma hatte ein einfaches Gemüt, aber sie wusste, wie "schöne Frauen" sein mussten, um zu "betören". Sie sagte: "Kind! Geh gerade, sonst kriegst du einen Bauern!" 

Auf Bällen behängte sie mich mit ihrem Schmuck, denn jeder sollte sehen, "dass Geld da war"... schon lustig, unter'm Jahr hatte ich Hunger, zuhause bei Mama, aber zu solchen Anlässen musste ich zeigen, aus welcher Familie ich stammte. Frau Haberl flüsterte mir zu, "ich solle so sein wie ich bin, das ist reizend, der Rest ergibt sich von selbst."

Oma sagte: "Sei stets eine Dame!"

So saß ich mit einem Verehrer auf den Stufen der Hofburg und trank Bier aus der Flasche. Prost! Oma wusste davon natürlich nichts. Meinte nur zynisch: "Die Reinigung hätte ein VERMÖGEN gekostet!" So, so? Wieso!? Ich schwieg. 

Frau Haberl schenkte sich hinter ihrem Rücken einen Schnaps ein und prostete mir zu. Nachher sagte sie leise und kicherte dabei: "Ich hab nach meinem ersten Ball auf der Rückbank eines Autos meine Unschuld verloren!" Ich lachte. Es war nicht der Verlust meiner Unschuld, aber es gab da auch einen Mercedes und viel Tüll, viel zu viel Tüll. Aber, das erzählte ich Frau Haberl nicht, sie wusste es nämlich sowieso. 

Ihre Krebsdiagnose kam unerwartet und es ging recht schnell bergab mit ihrer Gesundheit. Es war schlimm. Oma kaufte nun für sie ein und pflegte sie sehr lieb, war jeden Tag bei ihr. Oma sagte: "Keine 55, es ist ein Jammer."

Ich besuchte sie auch oft, sie saß zugedeckt auf dem Sofa. Da fragte ich: "Willst du Musik hören? Ich habe dir eine Kassette aufgenommen." Sie lächelte und nickte. Das erste Lied war "Earth Angel" von den The Penguins. Sie lächelte. Sie sagte, da war sie ein Teenager. Ich grinste, fragte: "Im Auto?" Sie sagte gespielt empört: "Das ist doch wohl intim!" Da lachte sie. 

Ich sah sie an dem Nachmittag das letzte Mal lachen. 


Nun, nein, ich habe nichts machen müssen, die Kämpfe, um das "aufgeräumte Zimmer" verlor meine Mutter stets. Ich werde jetzt abwaschen. Irgendwie sollte ich das tatsächlich tun. Bald habe ich wieder so einen Engel, das weiß ich und freue mich schon darauf. 


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