Leere

Text

von  Pearl

Ich kämpfte gegen die Donau, die Etsch, die Spree.

Traumweiß sind ihre Wasser, und wie meine Seele leer.

Schreiben über Kosmos, seine Monde, Sterne

... der Grund dafür? Ich fühle, dass ich mich entferne.

Der Körper, den ich lebe, ist mir manchmal fremd

wie ein Kleid, das ich trage, ein Schuh, ein Hemd.

Zuhause, zu Hause, sag, wo mag das sein?

Ich kenne dieses Gefühl, kannte es schon von klein

auf, das Gefühl, dass ich hier nicht hergehöre.

Kein Kuss konnte es löschen, keine Umarmung töten.

Dieses Gefühl, dass ich wie zwischen Sternen schwebe.


Ich trank Berliner Luft, in Luftschlössern hüpfte -ich -

war unendlich glücklich, wollte, das Licht.

Liebte, wurde wiedergeliebt, kostete von Eifersucht,

grüne Pflanze, umschlingend, Luft holen, verflucht.

Schon einige Lektionen lehrte mich das Leben.

Dass nichts, niemand mir und ich niemandem gehörte.


Ich kämpfte gegen die Etsch, die Spree, die Donau.

Vielleicht um mich zu bekämpfen oder das Grau

im Wasserfarbenbild dieser Erde,

das den Ursprung zu übertünchen versucht, die


                                 Leere


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Kommentare zu diesem Text


 Quoth (10.10.25, 22:16)
das Gefühl, dass ich hier nicht hergehöre.
Es drängt sich die Vermutung, vielleicht die Hoffnung auf, dass es eine Heimat für Dich, für mich gibt, die nicht von dieser Welt ist.

 Pearl meinte dazu am 11.10.25 um 00:02:
Lieber Quoth,

Das kann niemand wissen. Und denen die vorgeben zu wissen, vertraue ich nicht. Die wie wir hoffen, kann ich verstehen. Da sind wir halt menschlich.

LG,

Pearl

 Graeculus (10.10.25, 23:37)
Das Gefühl, nicht hierherzugehören, kenne ich, aber ich vermute, daß es sich nicht auf eine andere, bessere Welt bezieht.

Vielleicht gefällt Dir das Gedicht "Euthanasia" von Lord Byron:

When Time, or soon or late, shall bring
  The dreamless sleep that lulls the dead,
Oblivion! may thy languid wing
  Wave gently o’er my dying bed!

No band of friends or heirs be there,
  To weep, or wish, the coming blow:
No maiden, with dishevell’d hair,
  To feel, or feign, decorous woe.

But silent let me sink to earth,
  With no officious mourners near:
I would not mar one hour of mirth,
  Nor startle friendship with a fear.

Yet Love, if Love in such an hour
  Could nobly check its useless sighs,
Might then exert its latest power
  In her who lives and him who dies.

‘Twere sweet, my Psyche! to the last
  Thy features still serene to see:
Forgetful of its struggles past,
  E’en Pain itself should smile on thee.

But vain the wish - for Beauty still
  Will shrink, as shrinks the ebbing breath;
And woman’s tears, produced at will,
  Deceive in life, unman in death.

Then lonely be my latest hour,
  Without regret, without a groan;
For thousands Death hath ceased to lower,
  And pain been transient or unknown.

„Ay, but to die, and go,“ alas!
  Where all have gone, and all must go!
To be the nothing that I was
  Ere born to life and living woe!

Count o’er the joys thine hours have seen,
  Count o’er thy days from anguish free,
And know, whatever thou hast been,
  ‘Tis something better not to be.

 Graeculus antwortete darauf am 10.10.25 um 23:43:
Aber ich bitte Dich, mach es, wenn schon nicht mir, dann Samuel Beckett nach und halte es aus, halte durch!

 Pearl schrieb daraufhin am 10.10.25 um 23:58:
Danke, Graeculus, es ist schön und ich werde mich nach einer Übersetzung umsehen: my english...

Und keine Sorge: Unkraut vergeht nicht. Das meine ich jetzt positiv. Durchhalten ist etwas vom Wichtigsten. Das durfte ich schon lernen.

Alles Liebe dir,

Stefanie

 Graeculus äußerte darauf am 11.10.25 um 00:02:
Gut. Durchhalten.
Hier ist eine Übersetzung. Klanglich kommt sie an das Original nicht heran, aber immerhin eine Übersetzung:

Bringt einst, spät oder früh, die Zeit
Traumlosen Schlafes lange Ruh,
Dann wehe, o Vergessenheit,
Sanft um mein Sterbelager du.

Kein Freund, dem bangt, kein Erbe gar,
Der hofft, soll dann mir nahe sein,
Kein Mädchen mit zerrauftem Haar,
Ihr Kummer Wahrheit oder Schein.

Nein, senket still zur Erde mich –
Nicht eine Stunde nur der Lust
Möchte einem nur verderben ich,
Noch kränken eines Freundes Brust.

Doch Liebe zeige, wenn sie hier
Ihr nutzlos Weh ersticken kann,
Noch ihre letzte Macht in ihr,
Die lebt in ihm, der stirbt, sodann.

Schön, meine Psyche, wär es, säh
Ich sterbend klar noch deinen Blick;
Vergessend überstandnes Weh,
Gäb ich ihn lächelnd dir zurück.

O eitler Wunsch! des Weibes Hand
Und Herz ist schwach in letzter Not,
Und seine Träne, stets zur Hand,
Sie täuscht im Leben, entmannt im Tod.

Drum einsam meine letzte Stund
Und ohne Kummers Tränen sei;
Manch Tausend ruht schon unterm Grund
Von Leiden und von Schmerzen frei.

Ja, „doch mit jener großen Schar
Zu ziehn – wohin?“ und noch einmal
Das Nichts zu sein, das erst ich war,
Eh ich geboren ward zur Qual!

Zähl deine Freuden Tag für Tag,
Die Stunden all, die frei von Pein,
Und, was du auch gewesen, sag,
Ob es nicht besser, nicht zu sein?

 Pearl ergänzte dazu am 11.10.25 um 00:05:
Oh. Schön! Und es bezieht sich zum Ende hin auch auf das Nichts... die man auch Leere nennen könnte!

Danke.

 Graeculus meinte dazu am 11.10.25 um 00:12:
Das kann man.

Froh bin ich, daß Du dem Gedicht seine Frauenfeindlichkeit nicht übel nimmst; sowas ist nicht rühmlich, auch wenn es wohl auf enttäuschten Hoffnungen beruht.

 Pearl meinte dazu am 11.10.25 um 12:18:
Ja, ich denke auch, es ist enttäuschte Liebe.

 Saira meinte dazu am 11.10.25 um 18:45:
Einfach wundervoll: 



Bringt einst, spät oder früh, die Zeit
Traumlosen Schlafes lange Ruh,
Dann wehe, o Vergessenheit,
Sanft um mein Sterbelager du.

Kein Freund, dem bangt, kein Erbe gar,
Der hofft, soll dann mir nahe sein,
Kein Mädchen mit zerrauftem Haar,
Ihr Kummer Wahrheit oder Schein.

Nein, senket still zur Erde mich –
Nicht eine Stunde nur der Lust
Möchte einem nur verderben ich,
Noch kränken eines Freundes Brust.

Doch Liebe zeige, wenn sie hier
Ihr nutzlos Weh ersticken kann,
Noch ihre letzte Macht in ihr,
Die lebt in ihm, der stirbt, sodann.

Schön, meine Psyche, wär es, säh
Ich sterbend klar noch deinen Blick;
Vergessend überstandnes Weh,
Gäb ich ihn lächelnd dir zurück.

O eitler Wunsch! des Weibes Hand
Und Herz ist schwach in letzter Not,
Und seine Träne, stets zur Hand,
Sie täuscht im Leben, entmannt im Tod.

Drum einsam meine letzte Stund
Und ohne Kummers Tränen sei;
Manch Tausend ruht schon unterm Grund
Von Leiden und von Schmerzen frei.

Ja, „doch mit jener großen Schar
Zu ziehn – wohin?“ und noch einmal
Das Nichts zu sein, das erst ich war,
Eh ich geboren ward zur Qual!

Zähl deine Freuden Tag für Tag,
Die Stunden all, die frei von Pein,
Und, was du auch gewesen, sag,
Ob es nicht besser, nicht zu sein?

 Saira (11.10.25, 18:41)
Liebe Pearl,
 
dein Gedicht trägt die stille Größe jener Texte, die nicht nach Trost suchen, sondern das Fehlen von Trost aushalten.

Die Flüsse, gegen die du kämpfst … Donau, Etsch, Spree … werden zu Sinnbildern der inneren Strömungen: Orte des Widerstands und zugleich des Sich-Treibens. Sie fließen durch ein Leben, das sich selbst befragt.

 
Was mich besonders berührt, ist, wie du das Fremdsein nicht als Bruch, sondern als Zustand beschreibst, als etwas, das schon in der Kindheit begonnen hat und sich fortsetzt, leise, wie ein Ton, den nur du hörst.

Diese „Leere“ am Ende ist kein Nichts, sondern ein Raum, in dem Bewusstsein entsteht … so wie Stille nicht Abwesenheit von Klang ist, sondern seine Möglichkeit.

Ein Text von seltener Schwere und Klarheit.
 
Herzliche Grüße
Saira

 Pearl meinte dazu am 12.10.25 um 21:45:
Liebe Saira, wie gut du dich einfühlen kannst, dein Verständnis, erstaunte mich schon öfter. Und ja, auch das mit der Leere hast du sehr gut so verstanden, wie ich es meinte. Die Leere ist einfach nur da und schlecht ist an ihr nichts, nur die Versuche, sie zu leugnen und zu " übertünchen" kritisiere ich hier.

Vielen lieben Dank,

Stefanie
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