Morgenmann, die Nacht von gestern

Einakter zum Thema Untergang

von  S4SCH4

Morgenmann steht auf, schlägt die Tür zu und beginnt lautstark zu reden, während er in seinem Zimmer herumgeht und einige dort befindlichen Dinge betrachtet, offensichtlich zu ihnen spricht. Ein Schiff in einer gläsernen Flasche, das auf einem seiner Regale steht, ist sein erster Stopp.


Beseitigt und leblos treibe es sich dahin, aussortiert, überschrieben und unbeachtet, abgetrennt von einem Schiff, das man „ich“ nannte. Und alles was sie, die wartenden Wellenwärter, nun von mir noch wollen, sind Worte für ihre Leere, ein Lied, eine Laune, um lebensfernes Dasein lebenswirklich zu erfassen. Etwas, das für sie spräche, wenn es in einer Flasche gefunden werden wird. Für sie, jene abgesteiften Fetzen aus und von mir, von mir dem Morgenmann, dahingelegte Segel für eine neue Zeit in neuer Sonne.

 
Er dreht sich der gegenüberliegenden, leeren Wand des Zimmers zu und fährt mit seinem Gerde fort.


Häutend wie die Schlange; enthäutet zwischen Ohnmacht und Aufschrei sucht es mich und sucht erneut mit der Welt in Kontakt zu geraten. Doch brennend und fehlgeleitet trifft es auf das rote Fleisch und lässt mich zurück als Unwilliger um williges Fleisch.
Kein Brand, kein Ertrinken könnte schlimmer sein, als diese Verstoßenheit eines Leibes, der sich nicht bemerkbar machen kann in seinem Gesuch nach Schutz und Schatten und Schonung. Selbstschuldig und alleine brennend, als schwitze das Fleisch Öl aus, welches sich an einer Träne und einem Verlust am Mitleid, entzündete.

 
Schließlich wieder am Bett angelangt, zieht Morgenmann die Vorhänge zu und setzt sich in einen Sessel in der Ecke des Raumes.


Keine süße Verlockung auf einem Sterbebett und kein Heldentum heroischen Untergangs wartet nun. Verdunkelung meines Lebens ist eingetreten! Als Nacht soll ich forthin Schatten werfen, als etwas, das alles in Schwarz und Nebel hüllt, um mitanzusehen, wie mein Morgen zu einem zweiten Tage wird, zu dem ich nicht länger gehöre. Ein zweiter Tag, der einen Morgen nicht kennt, weil er sich auf einen ersten Tag berufet und diesen gänzlich verurteilt. Getilgt und vergangen nun: jeder Schein sanften Erwachens und der Tau in der Frühe, der den Tag wie einen schonenden Balsam überzieht. Was bleibt, ist nur Helligkeit aus Helligkeit, gleißendes Licht, das keine Sonne ist, sondern: ein durch Wahn eingebranntes Gestern im Himmel, sowie das finstere Versteck der Nächte, mein Exil.


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Kommentare zu diesem Text


 Nuna (04.11.25, 12:16)
Ein verzweifelter Protagonist in einer trüben Gedankenwelt gefangen dem die Leserin ein Buddelschiff mit einem Brief enthalten wünscht, der eine wundervolle Botschaft enthält und ihn aus seiner Resignation holt.

LG Nuna

 S4SCH4 meinte dazu am 04.11.25 um 18:05:
ich werde es ihm ausrichten, wenn er meine Wege kreuzen sollte. danke grüße sascha

 Nuna antwortete darauf am 04.11.25 um 18:53:
tschulli, konnte ja nicht ahnen das es hier um jemand anderen geht,  :) Deine Text sind immer so vielschichtig...die kann man nicht einfach nur 1x mal lesen

 S4SCH4 schrieb daraufhin am 04.11.25 um 18:55:
wie war das mit: wer sind wir und wenn ja, wieviele? klar kommt man aus der nummer nicht immer ganz raus, aber lyrich ist im trainingsmodus.

 Wastl (04.11.25, 15:38)
Das fühlt sich für mich mit sehr viel Poesie geschrieben an. Wie eine durchdringende Melodie, die meinen Geist berührt.

Liebe Grüße

Wastl

 S4SCH4 äußerte darauf am 04.11.25 um 18:05:
Danke Wastl, lieben Gruß sascha

 Saira (04.11.25, 19:11)
Das Schiff in der Flasche ist ein starkes Bild – es steht für Bewegung, die nicht mehr hinausfindet. Auch die Verbindung zum Körper, „enthäutet zwischen Ohnmacht und Aufschrei“, trifft tief: das Ich scheitert an sich selbst. Besonders gut gefällt mir, dass du keinen schönen Untergang schreibst, sondern nur Dunkelheit zeigst, so wie sie ist. „Helligkeit aus Helligkeit“ ohne Sonne – das klingt wie ein Leben ohne Morgen. Dein Text ist kein Klagen mehr, sondern ein stiller Bericht aus der Nacht.
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