Ein leerer Platz
Tragikomödie zum Thema Missbrauch
von Jack
Als Sündenbock von Täter zu Schreibtischtäter zu Täter weitergereicht, als wäre mein Leben eine Überraschungsshow mit dem Titel: „Plötzlich schuldig!“ Ein Schritt nach rechts, hieß es „Menschenhass“, ein Schritt nach links, und es hieß „Selbstmitleid“, wobei letzteres immer ein Totschlagargument war, um das Leid unsichtbar zu machen.
Ich bin nicht konformistisch, aber gutgläubig; ich vertraue und vergebe. Wie oft das auch ausgenutzt wird, ich kann nicht anders. Ob das Naivität oder Reinheit ist, wer hat das Recht, darüber zu urteilen? Als ein leerer Platz sozialisiert (die Gesellschaft machte weiter, wo die Familie aufgehört hatte), bekam ich stets zu hören, wie egoistisch ich angeblich bin. Dass ich überhaupt eigene Wünsche hatte, wurde mir sehr übel genommen; es wurde erwartet, dass ich errate, was ich mir wünschen darf, doch ich weiß eben selbst, was ich will, und kann nichts anderes wollen.
Sie verlangten, dass ihr Lob mir etwas bedeuten sollte, dass ihr Tadel mich verletzte, doch ich, Egoist, fühlte mich ungerecht behandelt und changierte undankbarerweise, je nach Laune, zwischen Selbstmitleid und Menschenhass. Oberflächlich betrachtet, haben sie mir das Ideal des Erfolgs anerziehen wollen, alles Moralische sollte nur als Druckmittel im Fall des Ungehorsams verwendet werden, aber niemals Teil meines Charakters werden. Dass ich redlich und integer wurde, nahmen sie mir sehr übel und versuchten immer wieder, mich durch Abrakadabratricks meiner Güte und Integrität zu berauben.
Das Ideal, das sie mir wirklich mit auf den Weg gaben, war die Erwartung an mich, ein leerer Platz zu sein: ohne eigene Werte und Wünsche, immer verfügbar. Und, natürlich, immer schuldig. Die seelische und geistige Fülle sollte verschwinden, einer von außen aufgedrängten inneren Leere weichen. Dafür, das Ideal, ein leerer Platz zu sein, nicht erfüllen zu können, wurde mir ein Schuldkomplex aufgedrückt. Ich hatte die Wahl, nichts oder schuldig zu sein.
Ich habe mich nie gerächt, ich habe ertragen und versucht, zu verstehen: Was mache ich falsch? Was wollen sie eigentlich von mir? Warum darf ich nicht einfach sein, so wie jeder Mensch, Hund und Baum? Vergebung und Verständnis wurde mir als Schwäche ausgelegt. Sie fühlten sich durch meine vermeintliche Ohnmacht stark. Ich wollte weiterhin nur verstehen. Als ich aber endlich verstanden habe, gab es eigentlich nichts mehr zu verstehen: es gab nur die Leere.
Diese unentrinnbare Leere ist mir äußerlich geblieben, ich habe mich selbst schützen und bewahren können. Ich habe eine intakte Persönlichkeit mit einem Transzendenzhorizont, bin erleuchtet vom Dreigestirn des Wahren, Guten und Schönen. Es geht mir gut, ich bin fähig, Lust und Freude zu empfinden, und natürlich auch diverse komplexe emotionale Schattierungen zu erleben. Ich bin kein Fall für Therapie geworden, aber eine weltimmanent emotional obdachlose Verlegenheitsexistenz. Mit stimmt alles, das weiß ich jetzt endgültig.
Diese Leere, die gehört nicht mir; ich nehme diesen „Preis“ nicht an. Ich stehe vor dem Nichts; aber ich bin nicht nichts, und das ist wichtiger. Haben ist zeitlich begrenzt, das Gehabte nutzt sich schnell ab. Nur, was ich bin, mehr ist in meinem Leben nicht. Das fühlt sich zunächst einmal nach Freiheit an. Ich suche weltimmanent keinen Sinn mehr. Ich lebe in Freiheit und Klarheit, und bin den Göttern dankbar, dass ich im vollsten Sinne überlebt habe.
Wie die Restzeit vorübergeht, betrachte ich mit immer größerer Gelassenheit. Ich bereue nichts, will weder etwas nachholen noch etwas richtigstellen. Zu sagen, mein Leben oder das Leben sei leer, wäre eine oberflächliche Verabsolutierung flüchtiger emotionaler Zustände. Ich wurde früher der Sprache beraubt, jetzt lasse ich sie freiwillig los. Die Sprache ist eine Verbindung zu einer Welt, zu der ich keine Verbindung mehr habe; ich habe mich von allen auf Missverständnissen basierenden „Beziehungen“ gelöst.
Was ist dieser leere Platz, zu dem ich werden sollte? Er hat es nicht in mich hinein geschafft, aber andererseits hat er auch verhindert, dass etwas anderes mich erreichen konnte. Damit kann ich leben.