Nerven wie Drahtseile(1.Teil)
Erzählung zum Thema Jugend
von tastifix
Kennen Sie das? Aber natürlich kennen Sie das. Ja, was denn eigentlich? Gleich Sie werden mir garantiert mit einem Seufzer aus tiefstem Herzen beipflichten.
Wir wenden uns einer allerorts bekannten Problematik zu, mit der sich unter Garantie zumindest die eine erwachsene Hälfte der Bevölkerung konfrontiert sieht. Meistens die weibliche, da deren bessere Hälfte dieser Konfrontation tagsüber lieber geschickt aus dem Wege und stattdessen fröhlich zur Arbeit geht. Die ist dann meistens längst nicht so nervtötend wie das, was sich oft zwischenzeitlich zuhause abspielt. Denn sollte die dazu gehörige weibliche Hälfte sich außer Hausfrau sogar noch mit Nachnamen Mutter nennen, dann gnade ihr Gott. An ihre Nerven werden unter Umständen enorme Ansprüche gestellt. „Ja“, betonen Sie jetzt, „das ist ja wohl überall das Gleiche. Wo Kinder sind, da ist nun mal ewig irgendetwas im Argen“.
Also, ich bin vierfache Mutter. Früher wäre ich deswegen Kandidatin fürs Mütterkreuz gewesen, aber heutzutage...? Vier Babys ausgezogen, gebadet, gewickelt, angezogen, gefüttert und in den Schlaf gewiegt. War mir das Glück hold, konnte ich sie sogar direkt anschließend draußen spazieren fahren und mich in den Komplimenten der Passanten sonnen. Aber, wie gesagt...nur, wenn ich Glück hatte. Doch oft genug war ich vom Pech verfolgt: Ich hielt bereits den Hausschlüssel zwecks Abschließens der Eingangstür in der Hand. Genau in dem Moment ward meine Vorfreude auf einen gemütlichen Spaziergang zunichte gemacht: Baby beabsichtigte ganz offensichtlich nicht, sich im Kinderwagen längere Zeit mit der Aussicht auf einen mehr oder weniger bewölkten Himmel zufrieden zu geben. Flugs entschied es sich zu einer dann für seine Mama höchst erquickliche Verzögerungstaktik. Um diesen ach soo lustigen Ausflug noch etwas aufzuschieben. Es wusste da sich bestens zu helfen und machte in letzter Sekunde vor Verlassen des Hauses so ´mal eben schnell die Hose voll. Das damit verbundene unangenehme Gefühl der Nässe sowie einsetzender Kühlung an dem rückwärtigen Körperteil plus des doch recht impertinenten, extraedlen Duftes veranlasste es dann nach spätestens zwei Sekunden, ein lautstarkes Protestgeschrei vom Stapel zu lassen.
Meine Spontanreaktion fiel nicht gerade besonders liebevoll aus, war aber ehrlich: „Ja, wer von uns beiden hat denn in die Hose gemacht? Ich etwa...oder vielleicht doch eher du!?“ Darauf wusste der geliebte Mininachwuchs so schnell denn doch nicht die richtige Antwort. Dafür fehlten ihm sprichwörtlich noch die Worte. Ich, seine Mama, war eindeutig im Vorteil. Brachte mir aber nicht viel. Kehrt um, marsch, Schlüssel aus der Handtasche gewurschtelt, leicht angesäuert zurück zur Wickelkommode und das ganze Spiel „Raus aus dem Strampler“ und „Wiederreinprumpeln“ von vorne. Doch während dieser doch weniger vergnüglichen Tätigkeit erwies sich ein 100%ig zutreffender Gedanke als Balsam für meine mütterliche Seele: „Am laufenden Band schafft Baby das nicht. Ich darf also davon ausgehen, mich zumindest eine halbe Stunde an der frischen Luft aufhalten und an meinem schlafenden Kinde freuen zu können.“ Wie erwartet erwies sich der sanft schaukelnde Kinderwagen als die beste Quietschkommodenberuhigungstablette der Welt! Welch eine Wonne, dann das Bild einer stolz-entspannt strahlenden Mama abzugeben, der das Wort „Stress“ höchstens aus Versehen ´mal im Duden begegnet war.
Doch nicht ausschließlich Babys brachten eine liebende Mütter zur Weißglut und zum Lustig-vor-sich-hin-Fluchen, sondern auch die Kleinkinder, die I-Dötzchen und leider Gottes desgleichen die viel Älteren beherrschten bestens die nötige Taktik, um...! Obwohl ich als vorbildliche Erziehungsberechtigte ja nie ausflippte. Höchstens ´mal so ganz allein für mich im eigenen Kämmerchen.
Ja, ja, die Älteren! Wenn Sie glaubten, das nervtötende Theater hörte endlich auf, wenn die lieben Kleinen dann endlich ihr 18. Lebensjahr vollendeten, wäre das ein Zeichen Besorgnis erregender Naivität. Oder Sie Glückspilz hätten ganz außergewöhnlich viel Glück gehabt und reine Engel geboren. Da es die aber, wie es mich meine Erfahrungen lehrten, jedoch nicht gibt, halte ich es leider für erwiesen, dass Sie einfach in all den Jahren mit dem geliebten Nachwuchs nichts, aber auch absolut nichts dazu gelernt hatten.
Da war es dringendst Zeit, Ihnen endlich die Augen zu öffnen.
Selbst Sie wussten, zumindest dies war Ihnen im Laufe der Zeit höchstwahrscheinlich denn doch klar geworden, dass aus Babys Kleinkinder, aus Kleinkindern Schulkinder, die dann älter...und dummerweise Teenager und Twens wurden. „Das anstrengendste sowie gefährlichste, da anstrengendste Alter für Eltern überhaupt!“, stellten Sie aufstöhnend fest. Das hatten Sie schon recht gut erkannt, aber noch nicht ganz gut. Es war nämlich keinesfalls gewährleistet, dass Sie nach jenen Horrorjahren, die sie häufiger Entsetzensschreie ausstoßen ließen, endlich ihre Ruhe kriegten.
Oh nein. Nur zu gerne setzte sich dieser Generationenkampf auch dann noch fort, wenn die lieben Kleinen eigentlich längst den Pubertätspampers entwachsen waren und sich so liebend gerne „Jungerwachsene“ schimpften.(Klang ja auch sympathischer für deren altjugendliche Ohren als „spätpubertierende Teenager“!). Ob Sie sich weiterhin mit „jugendlicher Persönlichkeitsbildung“ und deren Auswüchsen bzw. den infolge nicht ausbleibenden Auswirkungen herumschlagen durften, hing einzig und allein davon ab, welche(!) Jungerwachsenen bei Ihnen im Hause lebten. Angeblich gab es sogar welche, die sogar freiwillig daheim ihre Hilfe anboten. Mit Argusaugen darüber wachten, dass auch bestimmt kein anderes Familienmitglied, schon gar nicht die Mama, mit dem schweren, wohlriechenden Bioabfall bis zum nächsten Container eilte. Sie meldeten sich mit einem geradezu aufdringlichen „Ich-Schrei“, entwanden Ihnen das besagte Dreckutensil und pesten sofort strahlendsten Gesichtes mit ihrer Beute zum Mülleimer. Nannte man ganz besonders hilfsbereite Exemplare sein Eigen, ließen diese den Abfall, oh Wunder, sogar zielgerecht in die Tonne und nicht etwa aus Faulheit daneben plumpsen. Hinterher stopften diese „Engel“ doch wirklich sogar noch eine neue Tüte in den Eimer. Einfach traumhaft!!
Irgendetwas hatten wir wohl bei der Produktion unserer vier Töchter grundlegend falsch gemacht. Das waren doch nicht unsere Gene, die wir denen da vererbt hatten. Soo waren wir nie gewesen in deren Alter. Soo nicht. Konnten wir aber auch gar nicht gewesen sein, mussten wir uns eingestehen, denn damals gab es z. B. noch keine so tollen gelben, braunen, blauen Müllbehälter wie heute. Sondern nur blöde langweilig-schwarze Abfalltonnen. Und an denen fielen heraus hängende, zerknitterte Käsescheibenverpackungen nicht so malerisch ins Auge. Auf Grund dessen verzichteten wir, die Jugendlichen und Jungerwachsenen von damals, wahrscheinlich auf dieses Hobby, die da so dekorativ zu platzieren. Gab ja gottlob genug anderes, um den Kreislauf seiner armen geplagten Erziehungsberechtigten auf die Überholspur zu hetzen.
Zerknirscht mussten wir als Erziehungsberechtigte uns dann eingestehen, es waren denn doch unsere Gene, leider! Es ließ sich nicht verleugnen. Wie kam uns doch alles verdächtig bekannt vor, erinnerte uns an eigene Jugendsünden. Wenigstens waren der Papa meiner Kinderschar und in besonderem Maße erst recht ich mittlerweile so raffiniert und elterlich kluger Taktik mächtig, dieses Ergebnis jener frustrierenden Gedächtnisleistung plus das Erschrecken darob zu verbergen. Zumindest das hatten wir im Laufe der Jahre mit den Minis gelernt. Ja nicht zuzugeben, dass man selbst eventuell...wahrscheinlich...nein, ganz gewiss sogar ähnliche bzw. wohlmöglich genau die gleichen Ideen zum „Eltern-auf-die-Palme-bringen“ gehabt und die dann obendrein ebenfalls in die Tat umgesetzt hatte. Das übrigens war ein sorgsamst zu hütendes Geheimnis. Andernfalls wären alle Versuche, dem Nachwuchs Benehmen beizubringen, für die Katz. Zumal die heranwachsenden Kinderchen zunehmend selbstständig zu denken imstande waren.
In der Schule zwar verbargen sie zeitweise verschämt diese Fähigkeit, setzten sie allerdings mit geradezu umwerfendem Eifer dafür ein, um die ehemaligen, ihrer Meinung nach niemals verjährenden jugendlichen Schandtaten ihrer Eltern denn doch endlich aufzudecken. Und das leider mit für unsere Autorität niederschmetterndem Erfolg! „Also“, konstatierten sie triumphierend, „die sollen besser ihre Klappe halten und fix vom selbst erstellten Engelspodest runter steigen!...Und „Sowas“ wagt uns auch noch Vorschriften zu machen. Das fehlte noch!“
Die Konsequenzen dieser jungerwachsenen, scharfsinnigen Überlegungen hatten dann der Papa meiner Kinder und ich zu ertragen. In beträchtlich umfangreicheren Maße ich. Der männliche Erziehungsberechtigte saß nämlich derweil meist geschützt in seinem Büro und zog den 8stündigen Arbeitsflirt mit seinem Computer dem häuslichen Theater vor. Ich dagegen kleidete mich bereits frühmorgens direkt nach dem Aufstehen in eine Spezialritterrüstung, extra konzipiert fürs mütterliche Nervenkostüm. Deren Erwerb hatte mich zwar keinen einzigen Cent, doch aberwitzigerweise jede Menge Nerven gekostet. Der nicht zu unterschätzende Vorteil dieses schicken Infits: Es wog doch wirklich kein einziges Gramm, war aber gottlob von enormer Gewichtigkeit. Was sich als äußerst wichtig heraus stellte.
Töchterliche Zimmer mir anzusehen, verbot ich mir seit geraumer Zeit. Ich fürchtete um meine Ritterrüstung. Sie hätte unter Garantie gröbste Kratzer bekommen. Mein Haus ist groß. Ich hatte auch so noch mehr als genügend Möglichkeiten, beim Kontrollgang durch sämtliche Räumlichkeiten sowie während des üblichen Tagesablaufes auf dann doch schonendere Weise die Qualität meines Schutzanzuges zu prüfen.
Frühstück:
Wozu hatten wir Haustelefone? Damit durchs Haus gebrüllt wurde. In einer Lautstärke, dass selbst Eurasier „Knödelchen“ zusammen schreckte und sich fragte: „Hat da sich etwa jemand noch lautstarker gemeldet als eigentlich nur ich das darf?“ Jenes ging ihm mächtig gegen den Strich. Also schimpfte Hund mit beachtlicher Stimmgewalt „Wau-wuff-knurr!“ gegen das menschliche Gebrüll an. Ach, das war so das Richtige für meine die Ruhe liebenden Ohren. „Könnt Ihr denn nicht mal alle...?“ Den Rest dieser bei Fortsetzung vielleicht doch unverschämt unhöflichen Frage verkniff ich mir. Mamas haben ja immer Vorbild zu sein. Sowieso wunderte ich mich, dass nach galanter Ruf-Einladung sich ab und zu wirklich bereits nach sage und schreibe nur drei Minuten einer der Zwillinge in der Küchentür zeigte. Normalerweise dauerte das nämlich länger. Oft bis nach dem Frühstück. Mit der Begründung, man hätte das Telefon(Lautstärke 300) nicht gehört. Oder: „Weshalb habt ihr denn nicht einfach geklopft?“ Suuper!!
Vorbereitungen für den Start zur Schule:
20jährige Schulkinder sind ´was Feines. Fast noch feiner als ihre jüngeren, doch angeblich(!) „noch richtiger“ pubertierenden Artgenossen. Wieso? Warten Sie ´mal ab. Die Erkenntnis, dass eines meiner Zwillingsmädchen zu den Ausgaben „Spieglein, Spieglein an der Wand usw.“ zählte, hatte ich schon vor ein paar Jahren, die Augen hilfeflehend gen Himmel erhebend, notgedrungen demütig hingenommen. Von da oben kam nämlich keine Hilfe. Für ihre Zwillingsschwester Tina bedeutete das einen schweren Schicksalsschlag. Vor allem dann, wenn sie aus wahrlich unaufschiebbaren Gründen ins Badezimmer musste. Denn das war absolut nicht zu bewerkstelligen. Die Tür war zu. Von drinnen hörte man ihre andere Hälfte mit mindestens vierzehn kleinen und größeren Flaschen und Tuben ungefähr gleichzeitig rumoren. Ab und zu unterbrach auch schon ´mal ein zartes Klirren diese ansonsten gleichbleibende Geräuschkulisse. In dem Falle war im Eifer des Gefechtes Töchterchen Katja unter Garantie bestimmt ausgerechnet ihre Lieblingsparfumflasche auf den harten (oh, wie gemein!), da ja gefliesten Badezimmerboden geknallt. Dieser für sie kam zu ertragende Unglücksfall veranlasste jene junge Dame, wutschnaubend die Tür zu öffnen und sie danach zwecks Frustabbaus per lautem Knall hinter sich zufallen zu lassen.
Das, aber auch nur das war dann Tinas große Chance, vor Schulbeginn dem Badezimmer den dann doch dringend erforderlichen Besuch abstatten zu können. Endlich, doch tatsächlich schon nach immerhin dreißig Minuten. Gottlob hielt diese Schwester absolut gar nichts von künstlerischer Gesichtsbatik. So sah ich es doch tatsächlich nach nur einer Viertelstunde wieder. Bezeichnend: Sie sah im Gegensatz zu ihrer in frischen Farben erblühten, um zwei Minuten jüngeren Hälfte fast noch genau so aus wie vor ihrem Flirt mit der Waschbeckenablage. Die allerdings hatte auch ausschließlich Seife, einen vereinsamten Labello-Stift und ein mindestens ebenso vereinsamtes Deofläschchen vorzuweisen. Sonst gähnende Leere. Mit einer näheren Beschreibung der Ablage daneben verschone ich Sie besser!
Nein, der nervtötende Aufstand an frühen Morgen war damit beileibe noch nicht überstanden. Das war erst der erste Akt. Der zweite folgte sogleich. Waschen allein reichte ja nicht. Man konnte ja schlecht nackt zur Schule ziehen. Es sei denn, man erhoffte sich in Erwartung einer drohenden Klausur in seinem absoluten Antilieblingsfach eine deftige Lungenentzündung, die dann für längere Zeit vor jeglicher Schreibverpflichtung schützte. Leider zwang einen das, bis auf Weiteres auf das Rendevous mit Freund x,y zu verzichten. Nein, da lieber in den sauren Apfel beißen und hinterher die Fünf einkassieren. Was war schon eine „Fünf“ gegen den Verzicht auf auch nur ein einziges Treffen mit dem geliebten Verehrer. Gar nichts.
So stellten sie sich notgedrungen vor den Kleiderschrank und wählten aus. Mit dem Ergebnis, festzustellen, das ausgerechnet die eine heiß geliebte Jeans da nicht zu finden wäre. Tina tröstete sich in solchen Fällen relativ schnell mit einem anderen Exemplar Hose. Die war da recht unkompliziert. Die komplizierte Veranlagung hoch 2 hatte sich ihre Schwester vorbehalten. Nesthäkchen Katja war sehr eitel. Sie gäbe sich nicht mit einer Notwahl zufrieden. Sie nicht. Stattdessen trampelte sie lieber auf den mütterlichen Nerven herum: „Hast Du meine Jeans gesehen?“ Ich: „Ich sag dir nicht ohne Grund, räum endlich dein Zimmer auf. Dann findest`e die garantiert unterm Bett, oder soo!“ Ich war sauer. Also setzte ich hämisch grinsend hinzu: „Oder im Schreibtisch. Haste da schon nachgeguckt?“
Beleidigt schiefer Blick meiner Tochter zu mir, dann Kehrtwendung dieses entzückenden Etwas und Start in Richtung Waschküche. Nicht etwa vornehm-leise, wie es sich für junge Damen gehörte. Nein, sie stampfte wie ein Elefant die Treppe herunter. Um mir klar zu machen, wie(!) wütend sie ob meiner lästernden Bemerkung wäre, bemühte sie sich nach Kräften, noch zusätzlich da total unnötigen Krach zu veranstalten. Sie hatte Verbündete. Die modernen Stiefelchen an ihren Füssen mit deren ebenfalls ach so modernen 7cm-Pfennigabsätzen halfen ihr bereitwilligst dabei. Klatsch, rums, peng! „Hoffentlich kommt sie heil unten an,“ dachte ich.
Mit gespitzten Ohren um die Ecken lauschte ich forschend nach unten. Ich hörte es rumpeln. Es machte peng. Und noch mal peng. Offensichtlich suchte sie wirklich. Immerhin(!) suchte sie. Eigentlich war allein das schon ungewöhnlich. Wurde dieser geliebte ¼ Nachwuchs etwa krank? Bevor aber meine besorgt-mütterliche Ader sich auswachsen konnte,(„sie wird doch keine Virusgrippe kriegen!?) verwandelte ein kraftvoll ausgestoßenes „Sch...“ meiner ach so dahin siechenden Tochter all diese Ängste einer liebenden Mutter ins absolute Gegenteil. Erst in Entsetzen, dann in pädagogisch wertvolle Wut, dass ausgerechnet mein Kind sich eine solche Ausdrucksweise erlaubte: „Sag` ´mal, könntest du deine Wortwahl ein wenig unter Kontrolle halten?!“ Mich streifte der zweite, dann noch schiefere Blick an diesem Tage. Und diesmal hechtete sie stampfend gleich einem einem Dinosaurier an mir vorbei die Treppe hoch. Ohne eine jegliche Antwort. Deutlicher ging`s ja wohl nicht. Das war schlimmer als ein zweites “Sch...“ Darob beschloss ich, mir die Sorge um ihr gesundheitliches Wohlergehen für spätere Zeiten aufzusparen. Und ich machte mir klar:„Dieses Töchterchen ist schlicht gesagt einfach unverschämt!“
Doch sollte ich angenommen haben, ich hätte es überstanden, täuschte ich mich über alle Maßen. Madämchen rauschte in die Jugendetage in ihr Zimmer. Wieder hörte ich ein lautes Knallen, Geraschel irgendwelcher Plastiktüten, die wohl störend bei der Sucherei im Wege herum flogen und ein jedoch dann nur gedämpftes Meckern. Wenige Minuten darauf zeigte sie sich wieder - in der besagten Jeans. Ja, und das war dann der Auslöser für einen Fast-Ohnmachtsanfall ihrer Mama. Ich beging nämlich den Fehler, mir das gute Stück einmal genauer anzusehen. Ich mach`s kurz: Sie alle kennen den Vileda-Wischmop aus der Werbung. Ich meine den mit den –zig Fransen dran. Damit man auch in jede Ecke kommt. Und genauso sah das Katjas Hosenbein aus. Ringsum Fransen, außerdem überall Fast-Löcher. An der Innenseite hing ein Stückchen Stoff gefährlich weit bis zum Boden.
Was wäre, wenn sie da aus Versehen drauf träte? Sie könnte böse hinschlagen!“, schoss es mir doch tatsächlich durch den Kopf. Gottlob hütete ich mich davor, das laut anzumerken. Stattdessen: „So willst du doch nicht etwa...?!“ Die Ausdruckskraft schiefer Blicke ist wahrlich beachtenswert. Der, dessen sie mich dann für würdig befand, gehörte zur Sorte “Wenn-Blicke-töten-könnten“! Zu ihrem Pech trug ich ja meine innere Ritterrüstung. So trat denn der von ihr ersehnte Effekt zu meinem Glück nicht ein, sondern ich stand auf wenn auch etwas wackligen Beinen weiterhin aufrecht vor ihr. Obwohl psychisch leicht angeknackst, blickte ich sogar erstaunlich mutig zurück.
Das gab dann ganz offensichtlich ihr den Rest. Sie schnappte sich ihre Tasche und dampfte mit extra blasiertem Gesichtsausdruck von dannen.
Für mich hieß das: Überstanden!
Pause bis zum frühen Nachmittag.
Wir wenden uns einer allerorts bekannten Problematik zu, mit der sich unter Garantie zumindest die eine erwachsene Hälfte der Bevölkerung konfrontiert sieht. Meistens die weibliche, da deren bessere Hälfte dieser Konfrontation tagsüber lieber geschickt aus dem Wege und stattdessen fröhlich zur Arbeit geht. Die ist dann meistens längst nicht so nervtötend wie das, was sich oft zwischenzeitlich zuhause abspielt. Denn sollte die dazu gehörige weibliche Hälfte sich außer Hausfrau sogar noch mit Nachnamen Mutter nennen, dann gnade ihr Gott. An ihre Nerven werden unter Umständen enorme Ansprüche gestellt. „Ja“, betonen Sie jetzt, „das ist ja wohl überall das Gleiche. Wo Kinder sind, da ist nun mal ewig irgendetwas im Argen“.
Also, ich bin vierfache Mutter. Früher wäre ich deswegen Kandidatin fürs Mütterkreuz gewesen, aber heutzutage...? Vier Babys ausgezogen, gebadet, gewickelt, angezogen, gefüttert und in den Schlaf gewiegt. War mir das Glück hold, konnte ich sie sogar direkt anschließend draußen spazieren fahren und mich in den Komplimenten der Passanten sonnen. Aber, wie gesagt...nur, wenn ich Glück hatte. Doch oft genug war ich vom Pech verfolgt: Ich hielt bereits den Hausschlüssel zwecks Abschließens der Eingangstür in der Hand. Genau in dem Moment ward meine Vorfreude auf einen gemütlichen Spaziergang zunichte gemacht: Baby beabsichtigte ganz offensichtlich nicht, sich im Kinderwagen längere Zeit mit der Aussicht auf einen mehr oder weniger bewölkten Himmel zufrieden zu geben. Flugs entschied es sich zu einer dann für seine Mama höchst erquickliche Verzögerungstaktik. Um diesen ach soo lustigen Ausflug noch etwas aufzuschieben. Es wusste da sich bestens zu helfen und machte in letzter Sekunde vor Verlassen des Hauses so ´mal eben schnell die Hose voll. Das damit verbundene unangenehme Gefühl der Nässe sowie einsetzender Kühlung an dem rückwärtigen Körperteil plus des doch recht impertinenten, extraedlen Duftes veranlasste es dann nach spätestens zwei Sekunden, ein lautstarkes Protestgeschrei vom Stapel zu lassen.
Meine Spontanreaktion fiel nicht gerade besonders liebevoll aus, war aber ehrlich: „Ja, wer von uns beiden hat denn in die Hose gemacht? Ich etwa...oder vielleicht doch eher du!?“ Darauf wusste der geliebte Mininachwuchs so schnell denn doch nicht die richtige Antwort. Dafür fehlten ihm sprichwörtlich noch die Worte. Ich, seine Mama, war eindeutig im Vorteil. Brachte mir aber nicht viel. Kehrt um, marsch, Schlüssel aus der Handtasche gewurschtelt, leicht angesäuert zurück zur Wickelkommode und das ganze Spiel „Raus aus dem Strampler“ und „Wiederreinprumpeln“ von vorne. Doch während dieser doch weniger vergnüglichen Tätigkeit erwies sich ein 100%ig zutreffender Gedanke als Balsam für meine mütterliche Seele: „Am laufenden Band schafft Baby das nicht. Ich darf also davon ausgehen, mich zumindest eine halbe Stunde an der frischen Luft aufhalten und an meinem schlafenden Kinde freuen zu können.“ Wie erwartet erwies sich der sanft schaukelnde Kinderwagen als die beste Quietschkommodenberuhigungstablette der Welt! Welch eine Wonne, dann das Bild einer stolz-entspannt strahlenden Mama abzugeben, der das Wort „Stress“ höchstens aus Versehen ´mal im Duden begegnet war.
Doch nicht ausschließlich Babys brachten eine liebende Mütter zur Weißglut und zum Lustig-vor-sich-hin-Fluchen, sondern auch die Kleinkinder, die I-Dötzchen und leider Gottes desgleichen die viel Älteren beherrschten bestens die nötige Taktik, um...! Obwohl ich als vorbildliche Erziehungsberechtigte ja nie ausflippte. Höchstens ´mal so ganz allein für mich im eigenen Kämmerchen.
Ja, ja, die Älteren! Wenn Sie glaubten, das nervtötende Theater hörte endlich auf, wenn die lieben Kleinen dann endlich ihr 18. Lebensjahr vollendeten, wäre das ein Zeichen Besorgnis erregender Naivität. Oder Sie Glückspilz hätten ganz außergewöhnlich viel Glück gehabt und reine Engel geboren. Da es die aber, wie es mich meine Erfahrungen lehrten, jedoch nicht gibt, halte ich es leider für erwiesen, dass Sie einfach in all den Jahren mit dem geliebten Nachwuchs nichts, aber auch absolut nichts dazu gelernt hatten.
Da war es dringendst Zeit, Ihnen endlich die Augen zu öffnen.
Selbst Sie wussten, zumindest dies war Ihnen im Laufe der Zeit höchstwahrscheinlich denn doch klar geworden, dass aus Babys Kleinkinder, aus Kleinkindern Schulkinder, die dann älter...und dummerweise Teenager und Twens wurden. „Das anstrengendste sowie gefährlichste, da anstrengendste Alter für Eltern überhaupt!“, stellten Sie aufstöhnend fest. Das hatten Sie schon recht gut erkannt, aber noch nicht ganz gut. Es war nämlich keinesfalls gewährleistet, dass Sie nach jenen Horrorjahren, die sie häufiger Entsetzensschreie ausstoßen ließen, endlich ihre Ruhe kriegten.
Oh nein. Nur zu gerne setzte sich dieser Generationenkampf auch dann noch fort, wenn die lieben Kleinen eigentlich längst den Pubertätspampers entwachsen waren und sich so liebend gerne „Jungerwachsene“ schimpften.(Klang ja auch sympathischer für deren altjugendliche Ohren als „spätpubertierende Teenager“!). Ob Sie sich weiterhin mit „jugendlicher Persönlichkeitsbildung“ und deren Auswüchsen bzw. den infolge nicht ausbleibenden Auswirkungen herumschlagen durften, hing einzig und allein davon ab, welche(!) Jungerwachsenen bei Ihnen im Hause lebten. Angeblich gab es sogar welche, die sogar freiwillig daheim ihre Hilfe anboten. Mit Argusaugen darüber wachten, dass auch bestimmt kein anderes Familienmitglied, schon gar nicht die Mama, mit dem schweren, wohlriechenden Bioabfall bis zum nächsten Container eilte. Sie meldeten sich mit einem geradezu aufdringlichen „Ich-Schrei“, entwanden Ihnen das besagte Dreckutensil und pesten sofort strahlendsten Gesichtes mit ihrer Beute zum Mülleimer. Nannte man ganz besonders hilfsbereite Exemplare sein Eigen, ließen diese den Abfall, oh Wunder, sogar zielgerecht in die Tonne und nicht etwa aus Faulheit daneben plumpsen. Hinterher stopften diese „Engel“ doch wirklich sogar noch eine neue Tüte in den Eimer. Einfach traumhaft!!
Irgendetwas hatten wir wohl bei der Produktion unserer vier Töchter grundlegend falsch gemacht. Das waren doch nicht unsere Gene, die wir denen da vererbt hatten. Soo waren wir nie gewesen in deren Alter. Soo nicht. Konnten wir aber auch gar nicht gewesen sein, mussten wir uns eingestehen, denn damals gab es z. B. noch keine so tollen gelben, braunen, blauen Müllbehälter wie heute. Sondern nur blöde langweilig-schwarze Abfalltonnen. Und an denen fielen heraus hängende, zerknitterte Käsescheibenverpackungen nicht so malerisch ins Auge. Auf Grund dessen verzichteten wir, die Jugendlichen und Jungerwachsenen von damals, wahrscheinlich auf dieses Hobby, die da so dekorativ zu platzieren. Gab ja gottlob genug anderes, um den Kreislauf seiner armen geplagten Erziehungsberechtigten auf die Überholspur zu hetzen.
Zerknirscht mussten wir als Erziehungsberechtigte uns dann eingestehen, es waren denn doch unsere Gene, leider! Es ließ sich nicht verleugnen. Wie kam uns doch alles verdächtig bekannt vor, erinnerte uns an eigene Jugendsünden. Wenigstens waren der Papa meiner Kinderschar und in besonderem Maße erst recht ich mittlerweile so raffiniert und elterlich kluger Taktik mächtig, dieses Ergebnis jener frustrierenden Gedächtnisleistung plus das Erschrecken darob zu verbergen. Zumindest das hatten wir im Laufe der Jahre mit den Minis gelernt. Ja nicht zuzugeben, dass man selbst eventuell...wahrscheinlich...nein, ganz gewiss sogar ähnliche bzw. wohlmöglich genau die gleichen Ideen zum „Eltern-auf-die-Palme-bringen“ gehabt und die dann obendrein ebenfalls in die Tat umgesetzt hatte. Das übrigens war ein sorgsamst zu hütendes Geheimnis. Andernfalls wären alle Versuche, dem Nachwuchs Benehmen beizubringen, für die Katz. Zumal die heranwachsenden Kinderchen zunehmend selbstständig zu denken imstande waren.
In der Schule zwar verbargen sie zeitweise verschämt diese Fähigkeit, setzten sie allerdings mit geradezu umwerfendem Eifer dafür ein, um die ehemaligen, ihrer Meinung nach niemals verjährenden jugendlichen Schandtaten ihrer Eltern denn doch endlich aufzudecken. Und das leider mit für unsere Autorität niederschmetterndem Erfolg! „Also“, konstatierten sie triumphierend, „die sollen besser ihre Klappe halten und fix vom selbst erstellten Engelspodest runter steigen!...Und „Sowas“ wagt uns auch noch Vorschriften zu machen. Das fehlte noch!“
Die Konsequenzen dieser jungerwachsenen, scharfsinnigen Überlegungen hatten dann der Papa meiner Kinder und ich zu ertragen. In beträchtlich umfangreicheren Maße ich. Der männliche Erziehungsberechtigte saß nämlich derweil meist geschützt in seinem Büro und zog den 8stündigen Arbeitsflirt mit seinem Computer dem häuslichen Theater vor. Ich dagegen kleidete mich bereits frühmorgens direkt nach dem Aufstehen in eine Spezialritterrüstung, extra konzipiert fürs mütterliche Nervenkostüm. Deren Erwerb hatte mich zwar keinen einzigen Cent, doch aberwitzigerweise jede Menge Nerven gekostet. Der nicht zu unterschätzende Vorteil dieses schicken Infits: Es wog doch wirklich kein einziges Gramm, war aber gottlob von enormer Gewichtigkeit. Was sich als äußerst wichtig heraus stellte.
Töchterliche Zimmer mir anzusehen, verbot ich mir seit geraumer Zeit. Ich fürchtete um meine Ritterrüstung. Sie hätte unter Garantie gröbste Kratzer bekommen. Mein Haus ist groß. Ich hatte auch so noch mehr als genügend Möglichkeiten, beim Kontrollgang durch sämtliche Räumlichkeiten sowie während des üblichen Tagesablaufes auf dann doch schonendere Weise die Qualität meines Schutzanzuges zu prüfen.
Frühstück:
Wozu hatten wir Haustelefone? Damit durchs Haus gebrüllt wurde. In einer Lautstärke, dass selbst Eurasier „Knödelchen“ zusammen schreckte und sich fragte: „Hat da sich etwa jemand noch lautstarker gemeldet als eigentlich nur ich das darf?“ Jenes ging ihm mächtig gegen den Strich. Also schimpfte Hund mit beachtlicher Stimmgewalt „Wau-wuff-knurr!“ gegen das menschliche Gebrüll an. Ach, das war so das Richtige für meine die Ruhe liebenden Ohren. „Könnt Ihr denn nicht mal alle...?“ Den Rest dieser bei Fortsetzung vielleicht doch unverschämt unhöflichen Frage verkniff ich mir. Mamas haben ja immer Vorbild zu sein. Sowieso wunderte ich mich, dass nach galanter Ruf-Einladung sich ab und zu wirklich bereits nach sage und schreibe nur drei Minuten einer der Zwillinge in der Küchentür zeigte. Normalerweise dauerte das nämlich länger. Oft bis nach dem Frühstück. Mit der Begründung, man hätte das Telefon(Lautstärke 300) nicht gehört. Oder: „Weshalb habt ihr denn nicht einfach geklopft?“ Suuper!!
Vorbereitungen für den Start zur Schule:
20jährige Schulkinder sind ´was Feines. Fast noch feiner als ihre jüngeren, doch angeblich(!) „noch richtiger“ pubertierenden Artgenossen. Wieso? Warten Sie ´mal ab. Die Erkenntnis, dass eines meiner Zwillingsmädchen zu den Ausgaben „Spieglein, Spieglein an der Wand usw.“ zählte, hatte ich schon vor ein paar Jahren, die Augen hilfeflehend gen Himmel erhebend, notgedrungen demütig hingenommen. Von da oben kam nämlich keine Hilfe. Für ihre Zwillingsschwester Tina bedeutete das einen schweren Schicksalsschlag. Vor allem dann, wenn sie aus wahrlich unaufschiebbaren Gründen ins Badezimmer musste. Denn das war absolut nicht zu bewerkstelligen. Die Tür war zu. Von drinnen hörte man ihre andere Hälfte mit mindestens vierzehn kleinen und größeren Flaschen und Tuben ungefähr gleichzeitig rumoren. Ab und zu unterbrach auch schon ´mal ein zartes Klirren diese ansonsten gleichbleibende Geräuschkulisse. In dem Falle war im Eifer des Gefechtes Töchterchen Katja unter Garantie bestimmt ausgerechnet ihre Lieblingsparfumflasche auf den harten (oh, wie gemein!), da ja gefliesten Badezimmerboden geknallt. Dieser für sie kam zu ertragende Unglücksfall veranlasste jene junge Dame, wutschnaubend die Tür zu öffnen und sie danach zwecks Frustabbaus per lautem Knall hinter sich zufallen zu lassen.
Das, aber auch nur das war dann Tinas große Chance, vor Schulbeginn dem Badezimmer den dann doch dringend erforderlichen Besuch abstatten zu können. Endlich, doch tatsächlich schon nach immerhin dreißig Minuten. Gottlob hielt diese Schwester absolut gar nichts von künstlerischer Gesichtsbatik. So sah ich es doch tatsächlich nach nur einer Viertelstunde wieder. Bezeichnend: Sie sah im Gegensatz zu ihrer in frischen Farben erblühten, um zwei Minuten jüngeren Hälfte fast noch genau so aus wie vor ihrem Flirt mit der Waschbeckenablage. Die allerdings hatte auch ausschließlich Seife, einen vereinsamten Labello-Stift und ein mindestens ebenso vereinsamtes Deofläschchen vorzuweisen. Sonst gähnende Leere. Mit einer näheren Beschreibung der Ablage daneben verschone ich Sie besser!
Nein, der nervtötende Aufstand an frühen Morgen war damit beileibe noch nicht überstanden. Das war erst der erste Akt. Der zweite folgte sogleich. Waschen allein reichte ja nicht. Man konnte ja schlecht nackt zur Schule ziehen. Es sei denn, man erhoffte sich in Erwartung einer drohenden Klausur in seinem absoluten Antilieblingsfach eine deftige Lungenentzündung, die dann für längere Zeit vor jeglicher Schreibverpflichtung schützte. Leider zwang einen das, bis auf Weiteres auf das Rendevous mit Freund x,y zu verzichten. Nein, da lieber in den sauren Apfel beißen und hinterher die Fünf einkassieren. Was war schon eine „Fünf“ gegen den Verzicht auf auch nur ein einziges Treffen mit dem geliebten Verehrer. Gar nichts.
So stellten sie sich notgedrungen vor den Kleiderschrank und wählten aus. Mit dem Ergebnis, festzustellen, das ausgerechnet die eine heiß geliebte Jeans da nicht zu finden wäre. Tina tröstete sich in solchen Fällen relativ schnell mit einem anderen Exemplar Hose. Die war da recht unkompliziert. Die komplizierte Veranlagung hoch 2 hatte sich ihre Schwester vorbehalten. Nesthäkchen Katja war sehr eitel. Sie gäbe sich nicht mit einer Notwahl zufrieden. Sie nicht. Stattdessen trampelte sie lieber auf den mütterlichen Nerven herum: „Hast Du meine Jeans gesehen?“ Ich: „Ich sag dir nicht ohne Grund, räum endlich dein Zimmer auf. Dann findest`e die garantiert unterm Bett, oder soo!“ Ich war sauer. Also setzte ich hämisch grinsend hinzu: „Oder im Schreibtisch. Haste da schon nachgeguckt?“
Beleidigt schiefer Blick meiner Tochter zu mir, dann Kehrtwendung dieses entzückenden Etwas und Start in Richtung Waschküche. Nicht etwa vornehm-leise, wie es sich für junge Damen gehörte. Nein, sie stampfte wie ein Elefant die Treppe herunter. Um mir klar zu machen, wie(!) wütend sie ob meiner lästernden Bemerkung wäre, bemühte sie sich nach Kräften, noch zusätzlich da total unnötigen Krach zu veranstalten. Sie hatte Verbündete. Die modernen Stiefelchen an ihren Füssen mit deren ebenfalls ach so modernen 7cm-Pfennigabsätzen halfen ihr bereitwilligst dabei. Klatsch, rums, peng! „Hoffentlich kommt sie heil unten an,“ dachte ich.
Mit gespitzten Ohren um die Ecken lauschte ich forschend nach unten. Ich hörte es rumpeln. Es machte peng. Und noch mal peng. Offensichtlich suchte sie wirklich. Immerhin(!) suchte sie. Eigentlich war allein das schon ungewöhnlich. Wurde dieser geliebte ¼ Nachwuchs etwa krank? Bevor aber meine besorgt-mütterliche Ader sich auswachsen konnte,(„sie wird doch keine Virusgrippe kriegen!?) verwandelte ein kraftvoll ausgestoßenes „Sch...“ meiner ach so dahin siechenden Tochter all diese Ängste einer liebenden Mutter ins absolute Gegenteil. Erst in Entsetzen, dann in pädagogisch wertvolle Wut, dass ausgerechnet mein Kind sich eine solche Ausdrucksweise erlaubte: „Sag` ´mal, könntest du deine Wortwahl ein wenig unter Kontrolle halten?!“ Mich streifte der zweite, dann noch schiefere Blick an diesem Tage. Und diesmal hechtete sie stampfend gleich einem einem Dinosaurier an mir vorbei die Treppe hoch. Ohne eine jegliche Antwort. Deutlicher ging`s ja wohl nicht. Das war schlimmer als ein zweites “Sch...“ Darob beschloss ich, mir die Sorge um ihr gesundheitliches Wohlergehen für spätere Zeiten aufzusparen. Und ich machte mir klar:„Dieses Töchterchen ist schlicht gesagt einfach unverschämt!“
Doch sollte ich angenommen haben, ich hätte es überstanden, täuschte ich mich über alle Maßen. Madämchen rauschte in die Jugendetage in ihr Zimmer. Wieder hörte ich ein lautes Knallen, Geraschel irgendwelcher Plastiktüten, die wohl störend bei der Sucherei im Wege herum flogen und ein jedoch dann nur gedämpftes Meckern. Wenige Minuten darauf zeigte sie sich wieder - in der besagten Jeans. Ja, und das war dann der Auslöser für einen Fast-Ohnmachtsanfall ihrer Mama. Ich beging nämlich den Fehler, mir das gute Stück einmal genauer anzusehen. Ich mach`s kurz: Sie alle kennen den Vileda-Wischmop aus der Werbung. Ich meine den mit den –zig Fransen dran. Damit man auch in jede Ecke kommt. Und genauso sah das Katjas Hosenbein aus. Ringsum Fransen, außerdem überall Fast-Löcher. An der Innenseite hing ein Stückchen Stoff gefährlich weit bis zum Boden.
Was wäre, wenn sie da aus Versehen drauf träte? Sie könnte böse hinschlagen!“, schoss es mir doch tatsächlich durch den Kopf. Gottlob hütete ich mich davor, das laut anzumerken. Stattdessen: „So willst du doch nicht etwa...?!“ Die Ausdruckskraft schiefer Blicke ist wahrlich beachtenswert. Der, dessen sie mich dann für würdig befand, gehörte zur Sorte “Wenn-Blicke-töten-könnten“! Zu ihrem Pech trug ich ja meine innere Ritterrüstung. So trat denn der von ihr ersehnte Effekt zu meinem Glück nicht ein, sondern ich stand auf wenn auch etwas wackligen Beinen weiterhin aufrecht vor ihr. Obwohl psychisch leicht angeknackst, blickte ich sogar erstaunlich mutig zurück.
Das gab dann ganz offensichtlich ihr den Rest. Sie schnappte sich ihre Tasche und dampfte mit extra blasiertem Gesichtsausdruck von dannen.
Für mich hieß das: Überstanden!
Pause bis zum frühen Nachmittag.