POPPEN, POPPEN, POPPEN VOR UND NACH DER SCHICHT ( 1)

Ballade zum Thema Zeitreise

von  rhebs

Aus irgendwelchen Gründen, als ich nach der Grundschule meine Lehrzeit als Dreher startete, stand auf meinem Lehrvertrag "Walzendreher". Hier waren kleine Walzen gemeint, die im Werratal hauptsächlich für die Spinnereiindustrie gefertigt wurden. Es war ein Qualifizierungsunterschied. Spitzendreher konnte man damals nur nach der zehnten Klasse lernen, „Walzendreher“ war eine niedrigere Facharbeiterqualifikation, die man mit Grundschulabschluss in drei Jahren lernen konnte. In Leuna waren aber Walzendrehmaschinen riesige Ungetüme, eine betriebsinterne Bezeichnung, welche in dem Betrieb, in den ich gelernt hatte, kaum in die größte Halle gepasst hätten. Werkstücke musste man mit einem Kran in die Maschine wuchten. An so ein Ungetüm, an den damals mehr Geld, als an den kleinen Spitzendrehmaschinen verdient wurde, stellte man mich zu einem erfahrenen Kollegen, der mir freundlich und geruhsam alle Tricks ohne viel Aufhebens erklärte. Im Pressewerk Salzzungen wäre das undenkbar gewesen. Nach einer Woche legte ich mit meinen ersten Tonnen großen  Werkstück los. Öfters kam ein Kollege vorbei und hat nachgemessen was ich da so zerspante. Die großen Drehmaschinen waren ungemein freundlich. Ich liebte sie fast, wenn sie gemütlich brummten. Und sie beinhalteten einen Vorteil für mich, der absolut segensreich war, wenn das Werkstück eingespannt war. Da das manchmal einige Stunden dauerte, hatte ich manchmal drei Tage absolut nichts zu tun, als zuzusehen, dass nichts schiefging und wichtiger war zuzuhören, ob der Drehmeißel nicht bei einer Fehlstelle des Gussstahls zersprang. Das hatte ich fix weg bekommen und konnte mich bei der Arbeit in eine gemütliche Ecke fläzen und dicke Bücher lesen, die es in der riesigen Betriebsbibliothek vor dem Werk im Leuna Klubhaus zur Genüge gab. Nach der Hetze um die wenigen Märker, die ich in Salzzungen verdiente, hatte ich hier sofort das doppelte Geld in der Hand und konnte an Sachen denken, an die ich vorher nicht zu denken wagte. Das waren erst mal Klamotten. Ich hatte gerade einen Anzug, zwei Hosen, ein paar Hemden und einen dünnen Wintermantel, der noch zu Hause in "Salzzungen" auf dem Boden im Wintergeldmottenschrank, bei den "Salzzunger" Motten hing.
In Leuna wimmelte es von jungen Leuten, die aus allen Ecken der DDR zum Aufbau von Leuna II, so wie ich angeworben wurde. Neben mir an einer anderen Maschine stand der Berliner Schoffölke, der ständig in meine Leserei reinquatschte. Es war trotzdem ein prima Kumpel, der auf meine Maschine mit aufpasste, wenn ich in und um die Hauptwerkstatt, den Bau 15, meine Kreise zog.
Meine Hauptkreise zog ich erst einmal in den beiden Galerien des Bau 15. Auf der einen Galerie arbeiteten an verschiedenen Spezialdrehmaschinen ältere Kollegen und auf der anderen Galerie arbeiteten an einfachen Revolverdrehmaschinen viele junge Frauen. Die interessierten sich für uns aus der Haupthalle aus mehreren Gründen. Der Hauptgrund war, dass wir fast alle neu waren und als Partner für mehr als eine Nacht infrage kamen. Wir waren einfach so etwas wie grüne Jungs und ahnungslose Heiratskandidaten.
Zum anderen war auch ein Grund, das man mal mit uns schnell einen Schwatz machen konnte und die stupide Arbeit an ihrer Maschine, wo manche tagein tagaus, jahrein, jahraus, immer die gleichen fast automatischen Handbewegungen machten, eine kleine Abwechslung bereiteten. Es gab eine Regel dort. Wenn man mit einer der Drehermädchen der Galerie ein Verhältnis anfing und es wurde nichts Festes daraus, waren alle anderen verbrannt und tabu. "Geza pass auf da oben mit den Miezen!“, warnte Schoffölke. „Wenn Du mit einer von denen was anfängst, wirst Du die nicht leicht wieder los, die haben alle Haare auf den Zähnen!  Allein drei aus unserer Schicht sind mit drei von denen verheiratet. Alle viertel Jahre gibt es eine Riesenhochzeit im Bau 15!“
Was soll es, in diese Haare wollte ich beißen und drehte die Drehzahl meiner Maschine ein wenig hinunter, um dort auf der Galerie meine Runden zu drehen. Schoffölke war schon verbrannt und brauchte da nicht mehr hoch. Er hatte sein Jagdrevier auf die Chemieanlagen und Chemielabors rund um den Bau 15 verlegt. Auf der Galerie summte es. Es summten die vielen Maschinen und es summten die vielen Mädchen, die sich über Ihre Maschinen hinweg bei der Arbeit miteinander unterhielten. Wenn ein junger Kollege auftauchte, pfiffen welche wie Jungs auf zwei Fingern, wackelten provokant mit dem Hintern oder schwenkten laut kreischend ihre komischen Netzschirmmützen. Fast alle hatten enge Overalls an, die besonders die Taille betonten, wenn sie denn eine hatten. Viele waren so um die 18 - 20 Jahre alt und hatten den Beruf im Werk gelernt. Die Abteilung gab es seit vielen Jahren und es war schon immer der Jungbrunnen der Dreherinnen. Ein paar Männer waren auch dabei und es gab auch ältere, die schon wohl seit dem Krieg in dieser Abteilung klächten. „Klächen“ ist der Begriff dort für „arbeiten“. Doch diese älteren Kolleginnen interessierten mich weniger.
Ich hielt Ausschau, denn es gab schon viel zu schauen. Und da es so viele waren, hab ich glatt die Übersicht verloren. Ich schlenderte mal zu dieser, mal zu jener und einige hatten so Scherzworte wie "Na Meiner, woher dreibt´s dich denn heer? Was aus Düringen, ein Bratwurstfresser biste, haste auch Bratwürstchen mitgebracht?" Ich war von den Socken, denn so anzügliche Mädels hat ich noch nie kennengelernt, denn bin ich nicht gewachsen, dachte ich. Und mitten im Gezirpe kam Schoffölke angerannt und brüllte, los runter, dein Stahl ist hin.
Ich bekam einen Schrecken und dachte, ich hätte meine erste Tonne Gussstahl vermurkst. Der Schrecken lies nach als ich an der Maschine stand und gewahr wurde, dass sich nur der Drehstuhl, das Werkzeug, abgenutzt hatte. Na was hab ich gesagt" lästerte Schffölke freundlich weiter, "Det ist Material - Knorke wa!" Ich gab ihm gerne recht. Am anderen Tag war Freitag und nach der Mittagspause drehte ich auf der Galerie wieder meine Runden. Eine schwarzhaarige mit hellem Kopftuch und nicht mit der komischen Arbeitsschutz-Netzmütze, winkt von ihrem Halbautomaten. Das Ding lief fast von allein, wie mein Riesenbrummer unten in der mechanischen Abteilung und man könnte mit ihr ohne Stress plaudern.
Ihr Mundwerk schnipste genau so wie die mit Kühlemulsion besprühten Werkteile. Sie stand mir frontal gegenüber mit rechts und links erhobenen verölten Zeigefingern und wechselte beim Schwatzen wie ganz von allein das Standbein. Die Hüften schwang dabei leicht hin und her und ihr schwarz behaartes Köpfchen, das leicht unter dem Kopftuch lukte, wippte in entgegengesetzte Richtung wie die Hüften. Ihre Augen glänzten wie die öligen Finger.
Ich hab kaum mitbekommen, was die schwatzte und dachte nur noch "Die Lollo, mein Traum aus „Fan Fan der Husar“ mit Gérard Philipe und Gina Lollobrigida". "Warst schon im Volkshaus?" war die Frage, die sie nun wohl zum dritten Mal ansetzte. Ich war noch nicht im Volkshaus, im größten Tanzsaal von Bad Dürrenberg und stotterte das irgendwie zusammen. "Bisschen blass ist sie, die Lollo" und so lange Wimpern hat sie nicht - aber sonst stimmt alles - die biegsamen Hüften, die Oberweite - nur die Beine waren nicht zu sehen, sie steckten in den Overall Hosen bis zu den schwarzen Turn Latschen, den Rohrbrückenschuhen, welche damals von den jüngeren Arbeiterinnen als letzter Schrei bei der Arbeit vorzugsweise getragen wurden. Damit tänzelten sie leichtfüßig durch die Kantinen, was eleganter aus sah als mit schweren Arbeitsschutzschuhen. Und Lollo tänzelte vor mir herum und baggerte mich an. "Sonnabend spielt Günter Gollasch im Volkshaus - ich besorg dir ´ne Karte!" Ich konnte nur noch andächtig nicken und verschwand verdattert mit ein paar netten Abschiedsfloskeln. Um 14.00 Uhr war Feierabend und Schoffölke und ich warten vor dem Hauptwerkstor im Feierabendgewühl von Leuna auf die Straßenbahn nach Bad Dürrenberg. Aus der gleichen Richtung wie die Straßenbahn kommt Lollo auf einmal angerannt und schwenkt zwei Zettel aufgeregt über ihren vollen schwarzen leicht krausen Bubikopf. Ich sehe aber weniger auf die Zettel, ich sehe auf die Beine, die zwei Zentimeter vor dem Schlüpfer an einem knallroten Minirock aufhörten. Die Beine stechen in knallroten Pumps - unter der Bluse wippten zwei prächtige Möpse, nur der Mund leuchtete nicht wie Rock und Schuhe zusammen. Die Lippen waren blassrosa geschminkt, was damals auf uns Jungs oberscharf wirkte. "Günter Gollasch!, Günter Gollasch!" trällerte Lollo und wendete sich beim Klettern in die Straßenbahn einer Bekannten zu, wo ich auch nur noch Günter Gollasch, Günter Gollasch im breitesten anhaltischen sächsisch vernahm. Hinter mir in der Bahn steht Schoffölke und raunt nur - „jetzt kommt Eis, Eis kommt jetzt!“ Was für Eis frage ich zurück und Sekunden später trällert Lollo durch die nach Bad Dürrenberg rumpelnde Straßenbahn "Komm´ste noch ein Eis mit essen?" Ich habe nur andächtig zur Decke der Straßenbahn gesehen und dachte ich wäre im Arbeiterparadies gelandet.
Und es war so, ich, ich würde zum ersten Male in meinem Leben von einem Mädchen zu einem Eis eingeladen. Schoffölke hatte sich verdrückt und 20 Minuten später sitze ich in Bad Dürrenberg in einer Eisdiele. Ehe ich lossülzen kann, woher und wieso bekomme ich erzählt, das ich aus Thüringen bin, ebenso aus einer Salzstadt, ich wäre ein Bratwurstfresser, aber jetzt wird erstmal Eis gegessen, ich wohne im Block 32 in der 2. Etage mit einem Polacken und lese bei der Arbeit den ganzen Tag dicke Bücher. Zum Frühstück trinke ich immer Fleischbrühe mit Ei und mittags esse ich oft in der Kantine Huhn. "Gestern haste dir in der HO einen hellen Flanellanzug gekauft!" Mir blieb der Eislöffel im Munde stecken und hielt weiter die Klappe. In einer geschlagenen Stunde wusste ich alles über sie. Der Vater klächt in Buna, Mutter ist Anlagenfahrerin in Bau 26 und der Bruder bei der Armee. Zur Dreherin hat sie sich belatschern lassen, weil sie keine andere Lehrstelle bekommen hat. Nun gefällt ihr der Beruf, weil die Kolleginnen alle sehr nett wären, das Geld stimmt und sie möchte Einrichterin werden. Leider wäre sie in der B-Schicht und hätte nur diese Woche wegen einer Krankheitsvertretung in die C-Schicht gewechselt. "Zweimal hintereinander Frühschicht wäre doch auch nicht schlecht - oder?" Nach dem Erdbeereisbecher gab es einen Bananeneisbecher und als Krönung einen Ananas-Sahne-Shake. Dann sprang sie wie ein Generalbevollmächtigter auf, zahlte und verschwand nach Hause, wo sie Vatern das Essen warm machen musste - „der kann das nicht alleine - Männer können vieles nicht alleine. Ich hab gehört, bei euch in Thüringen machen die Männer die Klöße - stimmt das?“
Ich hab andächtig genickt und bin bei dieser Verabschiedung nicht mal aufgestanden. Und schwupp, dann wippte der rote Rock mit der Lollo mit ein wenig zu großen Schritten von dannen.
Verwirrt blieb ich noch eine Weile sitzen und dachte weniger an diese explosive Erscheinung, die in mein Leben gewirbelt kam wie ein warmer Sommerregen. In meiner Brust steckte noch die Sehnsucht nach Renate, die an diesem schönen Junitag sicher mit ihrem neuen Freund händchenhaltend irgendwo in der Rhön mit ihrem Lehrerkollegen in der gleichen Sonne sitzt. Mich fröstelte nicht nur wegen dem vielen Eis.
Am anderen Tag, dann endlich Günter Gollasch, den ich absolut nicht kannte. Er war Big Band Chef eines Rundfunktanzorchesters. Da ich DDR-Radio prinzipiell kaum hörte, konnte ich ihn nicht kennen. Lollo hatte mich schon am Saaleingang abgefangen und in meinen neuen Flanellanzug kam ich mir ganz passabel vor. Lollo war zum Glück nicht so aufgedonnert wie am Vortag. Sie hatte ein schlichtes cremefarbenes fast hautenges Kleid an. Nur, eben ihre Figur war nun mal so super und die Knilche rund herum machten Stielaugen und verdrehten die Hälse. Die dicken Mädels schauten neidisch. Ehe ich mich im Saal orientieren konnte, donnerte die Band auf der kleinen Bühne los und zwar mit "In the Mood" von Glen Miller als Twist.
Dann zerrte mich Lollo auf die Tanzfläche und die Hüften schwangen in andere Regionen als vortags vor ihrem Halbautomaten. Wer "Pulp Fiction" gesehen hat und sich an die halbwegs blasse Twist Szene erinnern kann, hat eine kleine Vorstellung wie das ausgesehen hat. Nur mit der Lollo sah das ungemein schärfer aus und mit jedem Hüftschwung und Drehen der Füße entgegengesetzt zum Schwingen der Hände, brachte mich Lollo dazu, an diesem Abend weniger an Renate zu denken. Als die langsamen Schmuserunden begannen, kroch mir die Lollo am Flanellanzug herum und presste ihren Schoß gegen meine Hose. Ihr Bubiköpfchen lag wie festgeklebt auf meiner Schulter und ihre Schultern waren sehr schön nach vorne geneigt. Zum Ende hin wurde das Licht im Saal gedimt und die damals obligatorische Spiegelkugel ließ die Tanzsaalsterne kreisen. Lollos Zunge kreiste um mein meine Zunge und langsam wurde die schöne neue Flanellhose eng. "Ist dein Pollacke zu Hause?" hauchte Lollo. "Nein" erwiderte ich und Lollo zog ein Bein leicht hoch und klemmte eins meiner Beine ein. Am Nachmittag war ich noch herumgesaust, um ein, zwei Kerzen zu besorgen, um die triste Ledigenwohnheimbude gemütlicher zu machen. Meinen Polen, der eigentlich ein deutscher Spätaussiedler aus der Masurengegend war, hatte ich in die Nachbarwohnung zu Schoffölke ausquartiert und mit ihn einige Dutzend leere Schnapsflaschen. Schoffölke klärte mich am Nachmittag auf. "Lollo" wie du sie nennst, frisst  Männer wie Brötchen, pass ja auf"! Nur, mein Herz war schon gebrochen, was sollte mir da groß passieren? Lollo brauchte kein Schmuselicht, Lollo brauchte wenig schmusen, Lollo hatte einen ganz normalen ihrem Alter entsprechenden heißen Schoß. Als sie sich schnurstracks ohne viel Gefummel splitternackig aus zog, erschrak ich ein wenig. Lollo war schneeweiß. Keinen Sonnenstrahl lies sie wegen einer Marotte an ihre Haut. Ihre Mutter hatte in ihrer Jugend bei feinen Leuten in Leipzig gearbeitet und diese feinen Leute gingen eben nicht in die Sonne. Lollos Mutter meidete deswegen die Sonnenstrahlen und Lollo meidete sie auch. Ihre Schamhaare waren schwarz wie ihre Haare, ein paar Hitzefriesel hatte sie an den Innenseiten ihrer Oberschenkel. Wenn sie im Profil zu sehen war, sah ihre Brust aus wie die Skisprungschanze in Steinbach. „Die Skisprungschanze wippt aber nicht so schön“, dachte ich. Sie war ganz anders als Renate,  die im Bett immer muckssmäuschenstill war, egal was sie empfand. Lollo war laut, war fordernd und schwitzte am ganzen Körper, wenn wir zusammen waren. Zwischen ihren Beinen wurde sie schnell sehr feucht, wenn ich ihren neuen Vorschlägen folgte, die ich bisher noch nicht kennen lernte. „Mach da! Drück da“ Vorne bischen machen“ Reib vorne! Fester! Tiefer! Drück mich! Halt mich fest“ Mach! Mach! Mach!
Lollo trank in der Küche ein großes Glas Wasser, nackig, in Pumps, trippelte zum Pinkeln und Duschen ungeniert aufs Klo und verschwand nach Nautik Seife duftend wieder frisch und munter  unter meiner Bettdecke. „Mach weiter! Kannst du? Mach! Mach Mach! Ich erinnere mich dann beim „Machen“ ein ein Arbeitsschutzschild, was in der Nähe ihrer Maschine hing.  „Arbeitschutzhinweise für Frauen im gebärfähigem Alter – Vermeidung von Benzolen, Chlorverbindungen und leicht verflüchtigenden Ölefinen...“
Da wurde mir schnell klar, ich hatte die gebärfähige  Lollo im Bett, die mich erst  angeregt hatte, schön aufzupassen. Nach zwei Präservativen meinte sie, da kommt nichts mehr nach, wenn ich mich schön unten rum wasche. Das sagt jedenfalls ihre Freundin, die Herta.  Und so strampelten wir zwei durch den Rest der Samstagnacht im Bett herum, bis die Hähne in den Schrebergärten krähten. Die Sonne ging langsam in Richtung Leipzig auf und Lollo war genau so schnell wieder angezogen, wie sie ausgezogen war. Nachschmusen war nicht ihr Ding und ich hätte so gerne noch gekuschelt. Aber mit Streicheln konnte ich bei ihr nichts anfangen“ Die Liebe fehlte mir und die Chance, sie wieder zu finden, wollte ich wahrnehmen. Aber Essig war´s damit mit der Lollo. Lollo war nicht für Kuscheln, Lolo war für Reinstecken lassen, Tanzen gehen, Eis essen und stundenlanges langweiliges Gerede über ihre Freundinnen, die sowieso alle doof wären. Sie drückte mir einen Schmatzer auf die Stirn und war nach der Frage "Heute Abend acht Uhr wieder hier?", verschwunden.“ Mein Vater hat heute am Sonntag Geburtstag, am Abend ist dann betrunken, weil Kollegen kommen, die alle viel saufen“.  Tripp, trapp, tripp, trapp, hörte ich sie die Betontreppe des Wohnsilos hinunter trapsen. Die Haustür fiel ins Schloss und durch das Fenster meiner Bude sah ich, wie Lollo über den leeren Parkplatz mit verwuschelten Bubikopf eilte.
Das Kopfkissen, in das ich mich dann schön müde bettete, roch noch nach ihren Haaren. Ich musste zum Einschlafen noch eine Wolldecke ins Bett legen, weil einige Stellen feucht waren. In einem Tablettenröhrchen sammelte ich ihre komisch geringelten Schamhaare ein. „Wenn das man gut geht!“ dachte ich noch beim Einschlafen, was mir trotzdem ein wenig Mühe machte. Die Hühner hörten nicht auf zu kreischen und die Gedanken hörten nicht auf sich zu drehen. Ich war in Sachsen Anhalt auf eine sehr angenehme Art angekommen. Lollo kam noch einige mal vorbei, zum Hähne krähen hören. Wir gingen noch zweimal Tanzen, wo wir beide uns aber schon nach anderen umschauten und plätscher, plätscher, plätscher, unsere Beziehung ging auseinander. Ich konnte mit den wuseligen Temperament von Lollo wenig anfangen und Lollo wenig mit meinen Gedanken, die oft in irgendwelchen unrealen Sphären herum schwirrten. Lollo löste, wenn ich las oder nach sinnte fast jedes Kreuzworträtsel. Sie brauchte mich kaum was zu fragen, ich wusste ja fast nichts aus ihrem Kreuzworträtselwissen. Doch einmal. Die Mehrzahl von männlicher Hausvogel mit Fünf Buchstaben.“ Hahn“. Über 18 Monate sahen wir uns dann nicht mehr. Als ich meine Armeezeit beendet hatte, stand Lollo mit einem kleinen Tränenbächlein und gerundetem Bäuchlein an ihrer Drehmaschine. "Der fußballirre Horst von der Benzinspaltanlage, die voriges Jahr in die Luft flog, wird der Vater" und stolz angelte sie aus ihrem Overall eine goldene Kette, an den ein einfacher kleiner goldener Ring hin. Bis zum Hähne krähen hatte das nicht gedauert, meine sie spöttisch spitzig. Ich zeigte ihr stolz ein Bild von meiner neuen Liebe und sie sagte leise dazu dreimal kickeriki, kickeriki, kickeriki.

Schoffölke animierte mich, nachdem Lollo wo anders Eisesser suchte, mit ihn zusammen größere Kreise als nur in der kleinen ehemaligen Salzstadt Bad Dürrenberg zu drehen. Die Möglichkeiten, Dreherinnen-Galerie und Volkshaus hatten wir beide ausgeschöpft und für das Herz war da eben nichts dabei. Das eine und andere Betthupferl nach dem Tanz und mal mit einem Mädchen ins Kino gehen. Das war´s dann auch. Die Arbeit an der Drehmaschine war langsam totale Nebensache geworden. Mich interessierten nur noch zwei Sachen. Beim Drehen Bücher lesen und Warten auf das Wochenende. Ein kleiner Taschenkalender füllte sich die aufgeklebten Eintrittskarten der Tanzsäle. Disko gab es noch kaum. Alles war live. Die Musik, die Mädchen, die dicken Gehacktes-Semmeln oder Bockwürste mit Kartoffelsalat in den Tanzpausen. Präservative in der Apotheke zu kaufen traute ich mich nicht. Es gab sie auf den Klos der Tanzgaststätten, wenn man vor der ersten großen Tanzpause ein Markstück für zwei Stück „FROMMS ACT“ einwarf. Mitternacht war der Automat oft leer.

Leipzig, wo man von Bad Dürrenberg in einer halben Stunde auf dem quirligen Hauptbahnhof stand, wo jeder Zug nie durch fuhr, sondern Rückwärts wieder den Bahnhof verlies. Leipzig war für mich sehr groß, Leipzig war spannend. Wir jungen Kerle waren gespannt auf Leipzig. Schoffölke meinte bei unserer ersten gemeinsamen Fahrt nach Leipzig "Die Berliner Mädels sind schon kess - aber warte mal ab, was hier abgeht!" "Wie die Lollo?" "Nein anders - die sind ruhiger, haben es aber faustdick hinter den Ohren". Es ist Sonnabend, es ist Spätsommer und es ist Zeit der berühmten Leipziger Messe. Leipzig an diesem Nachmittag ist  für mich ein Großstadthexenkessel. Schoffölke, als Berliner war da weniger beeindruckt. Wir schlenderten durch die Mädlerpassage, sahen uns in einigen Messehäusern der Innenstadt an den Westständen um und futterten im Burgkeller hinter der Alten Waage jeder ein Schnitzel. Und dann, ja dann sind wir aus der Stadt in Richtung Süden rausgefahren - nach Markleeberg. Was denn? Wie denn? Warum denn schleppst du mich denn aufs Land? Ich will zu einem Großstadtschwoof"!

"Erstens" meckerte nun Schoffölke "sind die Schwoofkneipen und Bars im Zentrum mit Westonkels voll, da gehen zur Messezeit nur die Freizeitschlampen hin" und "Zweitens, die sind sowieso alle gängigen Leipziger Schicksen im Markleeberg im Forsthaus Raschwitz". Was, in den Wald, in ein Forsthaus willst du mich zerren?" Bist du denn von allen guten Geistern verlassen?" "Na warte doch mal ab!" Quietschend hielt die Straßenbahn nach einer dreiviertel Stunde unweit eines unscheinbaren Ausflugslokales, worüber eine gut funktionierende Leuchtreklame hing: "Forsthaus Raschwitz". Unter der Leuchtreklame hing ein schlichtes Schild: "Drei Säle, drei Kapellen, drei Möglichkeiten!"
Man brauchte eine geschlagene halbe Stunde, um überhaupt in den Schuppen rein zu kommen. In einem Saal spielte live eine Beatgruppe, im zweiten kleineren Saal ein 4-Mann-Combo und der dritte Raum, der eigentlich mehr eine Bar war, klimperte ein Trio. Aber alles in allem war es nett. Was interessant war, es gab gab absoluten Frauenüberschuss. Das sah ich damals selten. Schoffölke zog mich zu einen Achtertisch, wo schon drei  Mädels Platz genommen hatten. Die machten dann natürlich dumme Gesichter, denn dadurch wurden die Chancen geschmälert, dass sie von anderen Jungs zum Tanzen aufgefordert wurden. Mann konnte ja denken, die Mädels gehören zu uns. Ich sah mich um und hatte bei der Riesenmenge der Menschen den Effekt, den Wald vor lauter Bäumen nicht zu sehen. Schoffölke wusste schon, wo er hin sprinten wollte, wenn die Band zu spielen anfing. Es war eine kleine Blonde mit hellen Augen. Die hätte mir auch gefallen - aber was weg ist, das ist weg. Die Musik rauschte los und alles an Jungs sprang auf. „Aha!“ schnell musste man hier sein. Eh ich aus den Puschen kam, war die erste Beute schon verteilt. Aber es war ja noch genug übrig. Ich ging an den nächsten besten Tisch und forderte irgend ein Mädchen auf. Ich wollte erst mal nur Tanzen und mich dabei umsehen. Nur hatte ich Pech, die Dame war einen halben Kopf größer. Aber lustig war sie und Späße machte sie über mich gar nicht so kleinen Knilch von 1,79. "Du bist neu hier - hättest meine Freundin nehmen sollen, die ist kleiner" und zeigte zu ihrem Tisch. "OK - mach ich nachher"! Kannst du auch gleich - bin dir nicht böse! Das hab ich mir nicht zweimal sagen lassen und habe die Lange zu ihrem Tisch zurück komplimentiert. Habe den Stuhl zurück gezogen, und den Stuhl ihr beim Setzen höflich unter ihren Hintern geschoben. Mit einer kleinen Verbeugung habe ich mich höflich bedankt. Die erste Tanzrunde war vorbei und alles klatschte eifrig. Die Tanzrituale waren damals anders als heute. Es wurden von den Bands drei Titel mit kurzer Klatschpause gespielt und dann wurde fünf bis zehn Minuten Pause gemacht. Man konnte dann in aller Ruhe was trinken, oder ein Schwätzchen machen und konnte sich neu orientieren, oder man hat gleich das zweite mal das gleiche Mädchen zum Tanz geholt. Damit war schon mal klar, das ein besonderes Interesse vorlag. Die Resonanz bei der zweiten Tour ergab blitzschnell, ob es Zweck macht, das fort zu setzen. Also hab ich die nächsten Runden mit dem Mädchen von dem Tisch der Langen getanzt und fand sie ganz nett. Ein wenig dünnes auf toupiertes Haar hatte sie und sah ganz passabel aus. Nur an dem Haar ist man kleben geblieben, wenn man nicht auf passte. Das Haarspray war damals sehr klebrig und ständig mussten die Damen auf Klo, um die Pracht zu erhalten. Es wurde nach gesprüht. Als ich sie zum Platz zurück führte, fragte ich gleich, ob ich sie noch einmal zum Tanz holen darf, denn sie tanze ja wie ein Flöckchen. "Flöckchen" kicherte sie "das hat noch keiner zu mir gesagt" und freundlich schelmisch strahlte sie mich an. Nach der nächsten Tanzrunde hatte ich sie fester im Arm und zog sie sachte an mich, denn man hat damals noch selten auseinander getanzt. So eine Art Foxtrott war das, den man eng und weniger eng tanzen konnte. Es war da leicht zu niveliren, ob man gemocht wurde. Wurde man nicht gemocht, hielten die Damen Distanz. Aber man konnte sich auch ganz schön täuschen. Viele waren zurückhaltend und sind nicht gleich nach zwei drei Runden auf Tuchfühlung besonders im Beckenbereich gegangen. Zu Salzzungen war es aber schon ein gewaltiger Unterschied - denn in der Stadt Leipzig waren für alle Partnersuchende die Rituale irgend viel abgeklärter. Es war fixer, es war unkomplizierter und ungeheuer vielfältiger. Es war toll!

Die Möglichkeiten waren vielfältiger aber der Wettbewerb um die Gunst war auch härter. Elke, wie sie hieß, nutzte die Gunst der Möglichkeiten und erwiderte zaghaft meine Annäherungsversuche beim Tanzen. Ich wurde ganz schön scharf und sie merkte das unbesehen. Als die drei Runden vorbei waren, konnte ich nur leicht gebückt der Band applaudieren, denn mein damals wichtigstes Körperteil fand nicht gleich die notwendige Entspannung, um nicht in der dünnen Flanellhose gesehen zu werden. "Dos waar mein scheenster Danz" kommentierte Elke in breitestem sächsisch diese Tanzrunde.

Ich brachte sie zum Tisch zurück und setzte mich gleich auf den Platz von der Langen, die inzwischen verschwunden war. Schoffölke war nicht mehr zu sehen. Dann begann die übliche Konversation: Woher, wohin, was machs´te so, was wills´te, was biste, wie heiß´te. Elke war das Gegenteil von Lollo. Sie war leise, zart ruhig. Ihre Figur war gut proportioniert aber nicht so ausladend. Sie hatte keine öligen Finger, sondern schlanke zierliche kleine Händchen, deren Fingerspitzen, die Fingernägel, kaum merklich farblos lackiert waren. Ein Spitzenhemdchen hatte sie unter der Bluse über den BH. Die braunen Schuhe hatten mittelhohe Stöckelabsätze und am auffallendsten war, sie trug an einem Finger einen älteren goldenen Brilliantring, der von kleinen Rubinen umsäumt war. An den Ohren hatte sie ein wenig kleiner den gleichen Schmuck als Ohrstecker. Elke hatte Sommersprossen bis zum Brustansatz und dicht am Hals trug sie eine dünne Goldkette mit einem Anhänger, der fast das gleiche Design hatte wie der andere Schmuck. Nur der Rubin war in der Mitte und die Brillanten umkränzten ihn. Das das alles echte Brillanten und Rubine waren, wusste ich damals noch nicht, das erfuhr ich erst später. Mir war aber schon klar, dass es kein Talmi, sondern guter alter echter Schmuck sein musste. Es war kein Arbeitermädchen. mit denen ich bisher zu tun hatte. Elke erzählte, dass sie in der 11. Klasse kurz vor den Abitur ist und Pharmazie studieren will. Ihre Eltern hätten ein kleines privates Labor. "Aha", funkte es bei mir, "auf Arbeiter" kann ich hier nicht machen und log sofort, dass ich in Schmalkalden Maschinenbau an der Ingenieurschule studiere und in Leuna ein obligatorisches Betriebspraktikum in einer „Mechanischen Hauptwerkstatt“ absolviere. Mit niegelnagelneuen noch in Eisenach geklauten spitzen Wildlederschuhen, meinem neuen Flanellanzug und einem West-Nylonhemd - bügelfrei - sowie einer vergoldeten Schweizer Uhr sah ich ja nicht gerade wie ein Leunabelzer aus, der in drei Schichten seine Brötchen mühsamer als ein Apotheker verdienen musste. Mit meiner Herkunft brauchte ich nicht sehr zu schwindeln, nur die Rangordnung des ehemaligen älterlichen Geschäftes habe ich ein wenig hochgedichtet. Aus vier Pferden und zwei wackeligen  Kleinlastwagen wurden fünf Zehn-Tonner-Lkw´s. Nur die wären enteignet, wozu eben die Anzahl und die vielen Tonnen nun keine Rolle mehr gespielt hat. Mit meiner ehemaligen wohlhabenden, nur noch teilwohlhabender ungarischen Großmutter habe ich immer angegeben und so auch bei dieser Konversation. Im Gegensatz zu ihr sprach ich ein weit gepflegteres Hochdeutsch vom Klang her und sparte nicht mit Fremdworten, wie es einem ehemaligen Abiturienten gebührt, weil Elke schon mal einen andere  Sätze intus hatte als die Lollo. Jedes zweite Wort bei Elke war Bitte! oder  Danke! Elke war mit ihren Eltern zweimal in Ungarn, in Budapest und in in dem Badeort Heviz in der Nähe des Plattensees und hatten somit ein gemeinsames Thema, wo wir uns auf Augenhöhe austauschen konnten. Inzwischen war es bei diesem Geplauder und noch einem Tänzchen 23.00 Uhr geworden und Elke wollte nach Hause. Um 24.00 Uhr musste sie zu Hause sein mit der letzten Bahn. Natürlich lies sie sich gern von mir begleiten und ich knabberte ihr am Ohr herum, als wir mit dieser Straßenbahn quer durch Leipzig nach Plagwitz fuhren. "Es fährt keine Straßenbahn mehr zurück" warnte sie mich.
"Kein Problem - ich kann von Plagwitz vom Bahnhof sowieso mit dem Zug nach Bad Dürrenberg" zurück fahren. In der Straßenbahn, die von Station zu Station durch die ausgeleierten Schienen rumpelte, knutschten wir dann schon ein wenig herum. Mein Empfinden war, die Elke schmeckt schon edler. Und sie duftete auch feiner und so schön am Hals und hinter den Ohren. Als ich ihr auf dem Weg von der Straßenbahnhaltestelle zu ihr nach Hause zwischen die Beine fassen wollte, wehrte das Elkchen neckisch, aber bestimmt ab. "So schnell geht das nicht mit den wilden Pferden" sagte sie und ich Flätz sage dann auch noch "Ich will dich doch hier nicht gleich reiten!" Da zog sie schon mal die Augenbrauen hoch und aus war es erst mal mit der Knutscherei. Als wir dann vor ihrer Haustür standen, staunte ich nicht schlecht. Die Haustür war ein riesiges schmiedeeisernes Gartentor vor einem großen Vorgarten und hinter dem Vorgarten stand eine pompöse Jugendstilvilla. Neben der Villa standen große Wirtschaftsgebäude mit mehreren kleinen und großen Garagen. Im Hof stand halb aus einer Garage herausragend ein schwarzer Tatra, das damals eleganteste und teuerste Auto im Osten Deutschlands. Neben dem Eingangstor prankte ein großes älteres Messingschild mit der Aufschrift in Times "J. Fincke und F. Würzli KG - Pharmazeutische Fabrik". Ich lies mir mein Staunen nicht anmerken und lobte die echten Jugendstilschmiedearbeiten des Tores. Nachdem ich mich mit Elke zum nächsten Wochenende im Burgkeller zum Tanzen verabredete, bekam ich noch einen Schmatzer und Elke verschwand hinter einen schweren Eichentür der Villa.
Ich machte mich auf den Weg zum Bahnhof und die fast zwei Kilometer vergingen wie im Fluge, weil ich den Kopf voll wirrer Gedanken hatte. Was habe ich mir da nur eingebrockt. Ich bin Arbeiter! Ich bin Dreher! Das stimmt doch alles vorne und hinten nicht. Diese Lügerei ist schon eine Weile auszuhalten - nur was dann. Wenn ich mich wirklich verknalle und sie auch, die Eltern mischen uns auseinander so schnell kann ich nicht bis Zehn zählen. Aber egal, dachte ich, unspannend wird das sicher nicht werden.
Sie hat ja so dünne Haare, die mir nicht passten. Ich war auf Abenteuer aus mit Spitzenhemdchen. Am nächsten Samstag bin ich schon gegen Mittag nach Leipzig gefahren in einem gepumpten feinen Anzug von Schoffölke. Es war ja noch Messe und im Stenzlers Hof, einem Messehaus, habe ich den dicken dort ausliegenden Messekatalog unter der Rubrik Pharmazie nachgesehen. A, B, C, D, E und F, schwupp hatte ich den Eintrag der Firma. In Leipzig ansässig seit 1848, 80 Mitarbeiter, Herstellung von Reinstnitraten für die Pharmazeutische Industrie. Also Reinstsalz für Infusionslösungen produzierte dieser Papa von Elke Fincke. Der Messestand der Firma war auf der anderen Straßenseite im Stenzlers Hof und wenige Minuten später schlich ich da rum, um den Fincke Papa mal näher an zu sehen, der wie die Lage sich entwickeln könnte, eines Tages mein Gegenspieler in diesem Spiel sein könnte. Trotz sozialer angeordneter Gleichmacherei in der DDR waren die Standesschranken keineswegs verschwunden. Ich wusste das und machte mir so meine Gedanken, dass ich dem nie entrinnen kann. Als Mann eine Frau aus einer sozialen Schicht, die weit über einen steht, zu erwischen, war nicht drinne. Diesen bitteren Kelch hatte ich schon mal ausgesoffen.

Der Messestand von Papa Fincke war ein geschlossener Messestand. Ein Schild und eine braune Tür. Es war niemand zu sehen. Niemand betrat den Messestand, niemand kam heraus. Nach einer viertel Stunde Warten in der Nähe habe ich mich verdrückt und bin zum Messehaus am Markt, wo die dicken Probeparfümflaschen in den Ständen der Westfirmen stehen und habe mich dort ein gedieselt. Erst den Hals und dann das Taschentuch. Die weiteren Stunden bis 19.30 Uhr bin ich in den Innenstadtmessehäusern herum geschlendert und habe mir die Nase an Scheiben mit schönen Westwaren platt gedrückt. Im Pressekaffee lag als einzige Westzeitung ein Propagandablatt der Österreichischen  kommunistischen Partei herum. Da hab gelesen was gerade in Wien in den Kinos gespielt wird. Beides für mich momentan unereichbar - Elke Fincke und dieser und jener Film. Nur in vier oder fünf Jahren werde ich diese Filme im Westfernsehen sehen können, da ist sicher Elke schon lange Geschichte und eine Perle an meiner Perlenkette der Erfahrungen. Exakt eine Minute vor 19.30 bog ich am Burgkeller um die Ecke mit einer kleinen gemausten gelben Rose von einem Messestand. Elke stand schon in einem weit ausgestellten schicken neuen Mantel vor der Tür. Meiner war nicht mehr so neu und trug ihn lässig über die Schulter. Wir suchten uns einen lauschigen Platz weit weg von der Musik im Tanzrestaurant Burgkeller, wo der richtige Trubel so erst gegen 21.00 Uhr los ging.
Sie druckste anfangs ein wenig herum und rückte dann mit der Sprache raus. Vor einem halben Jahr hat ihre erste große Liebe mit ihr Schluss gemacht und eigentlich ist sie schwer enttäuscht von den Männern. Er war Friseur und ihr Vater konnte den nicht leiden. "Auweia", dachte ich, „die dünnen Haare! Ein Friseur braucht eine Frau, der er den Kopf waschen und föhnen kann - nur bei Elke ist da wohl Hopfen und Malz verloren. Der Unternehmer-Vater hat sicher mit einem Barbier auch wenig am Hut. Der braucht für sein Töchterchen so etwas, was ich gerade darstelle. Jemand, der real in Kürze ein Ing. vor dem Namen auf der Visitenkarte stehen hat oder besser noch Dipl.-Ing." Ich dagegen bin gerade bloß Hobby-Schauspieler und spiele eine Rolle fast ohne Rollenstudium, ohne Souffleuse aber mit doppelten Boden. Ich spielte Inprovisationstheater aus dem Bauch. Mit meinen Liebesmalästen habe ich sie mehr unterhaltend ein wenig beschäftigt in ihrem Frust und die Unvereinbarkeit meiner ersten wichtigen Liebesbeziehung auf einen Temperamentunterschied geschoben. Das letzte Rollenstudium dazu hatte ich ja bei der Lollo Live gehabt. Irgendwann ging dann die Schmuserei los, welche zwischendurch mit lustigen Geschichten von mir gewürzt wurden. Ich lief als Unterhalter gedämpft zur Hochform auf und musste beim Zuhören nur einmal Passen mit einem negativen Kommentar. Elke spielte regelmäßig Tennis. Ich dagegen war mal als Kind gerade Ballholer für eine Mark am Nachmittag bei der Heimatstadt-Hautevolee. Um das auszugleichen, habe ich Elke von Jagdausflügen mit meinem Vater erzählt und blumenreich beschrieben, wie ein Hirsch ausgeweidet wurde und ich mich mit dem Blut des Hirsches beschmiert hätte. Das konnte ich hinterher mit Oleg, meinem Pferd besänftigen. Ein Pferd hatte ich ja nun wirklich gehabt, allerdings nicht mit den besseren Kreisen zusammen. Nur mein Pferd stand mit den besseren Pferden zusammen in einem Stall. Es war der alte Speditionsstall meiner Familie.
Wahr war, das sich mein Vater gleichgültig gegenüber der Jagd verhielt und höchstens mal gekauften Hirschbraten gegessen hatte. Fragen kann sie ihn eh nicht mehr - mein Vater ist seit 3 Jahren da, wo sich der abgemurkste Hirsch gerade befindet. In den ewigen Jagdgründen. Schnell merkte ich, dass ich zu dick aufgetragen hatte. Elkes Vater war leidenschaftlicher Jäger.
Und so verlegte ich mich mehr aufs Zuhören. Ich fragte gezielt und zielte öfters mit dem DDR Büchsenöffner "Tokai Aszu" in ihr Weinglas. Es wurde kurz vor Mitternacht, als sie auf meine Frage, ob sie nicht um Mitternacht zu Hause sein müsse, wurde von ihr ein zwanzig Markschein gezückt. Den hätte ihr ihr Vater gegeben, als sie ihm erzählte, sie geht mit einem Ingenieurstudenten aus. Vatern hätte gesagt, Studenten sind arme Hunde und hatte das Taxi spendiert unter der Voraussetzung, dass ich sie gesittet nicht zu spät nach Hause begleite. Ab da habe ich ihr nur noch Mineralwasser "Margonwasser" eingeschenkt. Besoffen wollte ich sie nicht zu Hause abliefern. Gegen 2 Uhr haben wir unsere Garderobe abgeholt und sind vor die Tür. In einem stilleren Hausdurchgang bin ich ihr nach einer heftigen Knutscherei mit der Hand unter ihren weit ausgestellten Mantel oberhalb der Gürtellinie gelangt. Man sah nicht, auch wenn jemand dicht vorbei gelaufen wäre, dass ich ihr das Kleid unter dem Mantel vorne hoch gerafft hatte bis zum Slipgummi. Schnell war ich hinter dem Gummi am Bauch mit der linken Hand nach unten entlang an der richtigen Stelle angelangt, die mir die Lollo lehrte. Erst mit einem Finger, dann mit zwei Fingern von unten nach oben um die Ecke herum. Und das mehrmals hintereinander. ich hab nicht die Finger drin gelassen. Habe immer wieder neu von vorne angefangen. Mach, mach, mach, fauchte sie fordernd. Und das im feinsten sächsisch, was für mich sehr ordinär erschien. Was? Wo? Jetzt? Wie? Was machen mit dem sehr feinen lüsternen Mädchen? Mitten in Leipzig, hinter den Rathaus wo die Stadt um diese Zeit noch ein wenig  brummte. Beim ratlosen Umsehen gewahr ich einen geschlossenen Verkaufsstand, gleich am Naschmarkt zwischen Burgkeller und alten Rathaus. Es war ein Stand für Thüringer Rostbratwürste. "Sinnig" sagte ich laut und rüttelte ein wenig die Türe. Oh Wunder, die war nicht abgeschlossen. Kichernd kam Elke mit mir in den fast stockdunklen Stand, wo die Straßenbeleuchtung Streifenlicht durch die Bretterritzen sendete. Gleichzeitig kam aber ihr Einwand leise wieder im gepflegten Sächsisch "Hier ist doch olles feddsch". Mir war dann auch nicht geheuer, ich hatte einen gepumpten feinen Anzug an. „Auch was!“, sagte ich frech, „ich opfere meinen Mantel“ und breitete ihn auf der ca. 80 Zentimeter hohen Theke aus, nach dem sich die Augen an das wenige Licht gewöhnt hatten, das durch die Ritzen spannend leuchtete. Mit wenigen Handgriffen hatte ich Elke die Strumpfhose ausgezogen und sie wurde von mir mit den Hintern ein Stück auf den Verkaufstresen geschoben. Ich lies meine Hose bis zum Knie runter und band die Hose mit dem Gürtel zusammen. "Weid hubben gannschte damit aber nicht“, kicherte sie und hauchte mir ihren Weinatem ins Ohr. Dann kicherte sie nicht mehr und bekam gerade noch raus "Guder, pass nich uff nu jetze – du gannst nein machen – die Dage warn bis gestern!" Ehe Elke die Thüringer scharf angebratene Bratwurst, original ungebrüht und lebend aus Original Thüringen am Schlüpferrand vorbei bis zum Anschlag drinne hatte. Elke war pflückreif wie eine saftige Pflaume, in die ein scharfes Messer wie in angewärmte Butter eindringt. Ich fraß Elke auf wie warmen Pflaumenkuchen mit Schmand, der zu Hause in Thüringen Maatschkoche heißt. Ein bissel klapperten die Bretter der Bude und Elke biss mir in die geborgte Anzugjacke auf dessen Kragen sie ihren Lippenstift verschmierte. Ein Rest der „Dage“ von gestern zusammen mit meinem Lebenssaft hatte ich dann noch an der Hose. Doch das merkte ich erst später.
Hinterher dachte ich "komisch - bei der aufgeblühten Lollo, die voll in Saft und Liebeskraft stand, haste nicht halb soviel empfunden und insgesamt gesehen auf mein bisheriges Leben hatte ich sehr selten solche intensiven Gefühle im Kopf und in der Lendengegend gehabt. Elke japste auch und atmete schwer und bemerkte ziemlich laut "Das worn Ding, dos woar was - was hasd´n da mit mirre gemocht - ich währ faste ohmächt´ch wordn!" Was war los? Warns die komischen heimeligen Umstände, war´s der Alkohol oder war es biologisch, psychologisch sexuell gesehen Topf und Deckel haben sich gefunden. Hab die Hose wieder hochgezogen, Elke hat sich den Slip wieder gerade gebogen, die Strumpfhose angefummelt und mein Taschentuch hab ich ihr noch in den Slip gesteckt. "Damit de nich ausläufst im Taxi!“ Dann im Taxi erzählt sie mir ihr Vater wartet an der Türe, wenn sie nach Hause kommt. Es waren vier Leute. Die Eltern und die Großeltern. Ich bin wie der Wiesel aus dem Taxi raus, habe ihre Türe geöffnet und Händchen beim Aussteigen gehalten. Mit einem Handkuss habe ich sie verabschiedet und bin der Vorstellung elegant entgangen.

Mit der kleinen Spermatozoenfüllung und bewaffnet mit meiner Bad Dürrenberger Adresse und einer Verabredung nächsten Samstag, Bad Dürrenberg, 15.00 Uhr am Bahnhof, stolperte Elke die breite Empfangstreppe hoch zu Papa, Mama, Oma und Opa. Einige und Elke winkten nett zurück, als ich mich in den Rücksitz des Taxis fallen lies. Ich war in zwei Stunden in Bad Dürrenberg in meinem Bett, nachdem ich Schoffölkes Anzug mit warmen Wasser und Waschpulver bearbeitet hatte. Hab alles raus bekommen, nichts wahr mehr zu sehen. Nun konnte ich am Sonntag Nachmittag mit Dummenjungenmännerstolz erzählen, wie ich die Elke hinterm Leipziger Rathaus in einer Bratwurstbude auf den Tresen gepimpert hatte. "Wat denn, wat denn, hau mir nich die Tasche voll!" widerspricht Schöffolke, "dann hättste mein Anzug doch zur Sau gemacht und da ist kein Fleck, absolut kein Fleck drinne." Wortlos habe ich Schöffolke meinen lädierten Mantel unter die Nase gehalten, wo Fettflecke und Senfflecke ein interessantes künstlerisch nicht wertvolles Muster ergaben. Ein paar Blutfleckchen waren auch noch zu sehen. "Ich hab ja imma jesagt, die Thüringer und die Sachsen sind doch die größten Schweine – Ficken die in der Bratwurstbude!" meinte Schöffolke.
Die Woche über hatte ich dann ein Problem - wie mache ich aus meiner Proletenbude eine Studentenbude. Schoffölke war abgebrochener Student und wusste Rat. "An die Wand häng´ste paar alte Originalpergamentzeichnungen von Ingenieurbüro vom Bau 15. Mit einer Rasierklinge rasierste den Namen des Konstrukteurs und das Datum weg. Dann kanste dir dabei noch überlegen, ob du nicht irgendwann auch mal studierst. An die feinen Weiber komste halt als Arbeiter nich ran!

Ich hab einen Skribent mit dem kanste deinen Namen eintragen. Ich holte dann in der Bücherei 2 Kilo Fachbücher wie "Achsen, Lager, Wellen, Kupplungen" zeichnete die Zeichnungen um und fertig war die Studentenbude. Ein paar Zeitungen der Kammer der Technik auf dem Tisch mit Marmelade beschmiert vervollständigten dann meine Studierstube. Samstag kam Elke pünktlich am Bahnhof an und habe erst mal einen auf  Technikgeschichte und Kultur gemacht. Sie bekam von vorne bis hinten erzählt wie Salz gemacht wurde. Habe sie auf den höchsten Podest des Bad Dürrenberger Gradierwerkes geschleppt und lies ihre Zunge am Schwarzdorn lecken der über und über mit Salz bedeckt war. Als das Kulturprogramm abgespult war, begann in meiner "Studentenbude" die Hauptvorstellung für zwei Personen und ein Bett. Hauptrequisite war wieder eine Thüringer Rostbratwurst und eine sächsische weiche heiße Dose. Es war ein Einakter, lang wie eine Wagneroper von 19.00 Uhr bis 23.30 Uhr, von einigen kleinen kurzen Pausen unterbrochen. "Sachma" sagte Elke, "sind die Dhüringer alle so - ich gann noch gaum noch loofen - mir dud alles weg - mir haste die Hüfdgnochen ausgerengt!"

Der nächste Termin war schon im Bett für nächsten Samstag klar gemacht, bei ihr zu Hause in Leipzig, die Eltern sind zum Jagdausflug in der Dübener Heide. Die Woche schlich vor sich sehr langsam hin bis Samstag. Sie gefiel mir die Elke. Ihr zarter geschmeidiger Körper, der um mich herum flitze wie ein Aal. Mir gefiel ihr Geplapper von Kunst und Literatur. Se hatte zig Themen noch in Petto. Hunde, Klamotten, Natur, Freundinnen feine und dämliche, Leipziger Geschichte, Sport, Fernsehen, Kino, und, und und. Sie war nicht so ungebildet, wie die meisten Mädchen, die ich bisher kennen lernte. Nur die Haare fand ich grauslich. Wenn sie aus dem Bad kam und kein Parfüm ihren Körpergeruch verdeckte, duftete sie ein wenig komisch nach jemand, den ich eigentlich nicht kenne. In meine Kopf grummelte es. „Ist das Liebe? Ist das nur der Drang nach von meinem Körper befohlenen Befruchtungsritualen? „Mehrfach am Tag dachte ich an Lollo, an Renate an Elke. Wenn eine hübsche adrette technische Zeichnerin oder Laborantin an der Drehmaschine vorbei lief, dachte ich nur an sie. Schätzte die Proportionen ab, schielte auf den Hintern, versuchte das Gesicht ein zu prägen, wenn sie mir gefiel. Fast alles, was im richtigen Alter war und keine dreckigen Arbeitsklamotten trug gefiel mir. Die Kantinen erschienen durch die weiß bemäntelten Laborantinnen wie die feinen Kurkliniken in Salzzungen, deren Ärztinnen und Krankenschwestern für mich sozial gesehen absolut tabu war. Und mehrfach dachte ich, im Gegensatz zu Salzzungen kannste die hier alle haben! Es sind Arbeiterinnen in weißen Kitteln.“


Anmerkung von rhebs:

In der DDR waren soziale Unterschiede bei Beziehungsgeschichten absolut nicht verwischt. Es ging zu, wie vor Hunderten von Jahren. Ein Arbeiter hat bei einer Funktionärstochter nichts verloren (Dieser Plot kommt  noch). Ein Unternehmer hat Fähigkeiten und Möglichkeiten seine Tochter die Unterschicht vorzuenthalten!

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Kommentare zu diesem Text


 EkkehartMittelberg (19.02.23, 23:04)
Du schreibst realistisch und sehr unterhaltsam. Deine Nachbemerkung hat bei mir ein Vorurteil beseitigt.

LG
Ekki
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