Aderlass

Kurzgeschichte zum Thema Selbsthass/verletzung/mord

von  püttchen

Er kam gerade von der Arbeit nach Hause. Seine Frau war nicht da. Sie war schon lange nicht mehr da. Er vermisste sie sehr. Von Beruf war er Lehrer. Am örtlichen Gymnasium. Den ganzen Tag versuchte er Wissen in unwillige Gehirne zu Hämmern. Doch die Schädeldecken dieser pubertierenden Massenwahren schienen aus Beton zu sein. Es schien eine Ewigkeit vergangen zu sein, seid dem er Lachen in seiner Wohnung vernommen hatte. Er vermisste es so sehr. Er hatte sich Kinder gewünscht. In einem richtigen Haus, raus aus dieser bedrückenden Wohnung. Und einen Hund vielleicht. Aber seine Träume waren zerplatzt wie Seifenblasen. Sie hatte nie Kinder gewollt. Sie brauche ihre Freiheit, hat sie gesagt. Nichts hatte sich seid ihrem Fortgehen verändert. Die Wohnung nicht, die Welt nicht. Vielleicht seine Einstellung dem Leben gegenüber ein bisschen. Ein bisschen. Vielleicht. Er ging ins Bad, lies heißes Wasser einlaufen und begann sich auszuziehen. Er hatte sie schon seid seiner eigenen Schulzeit gekannt. Damals, als sie so wundervoll Theater gespielt hatte. Es hat ihr solchen Spaß gemacht in immer andere Rollen zu schlüpfen. Als sie alt genug waren, nahmen sie sich ihre eigene Wohnung. Zu zweit. Das war ein langersehnter Traum, den sie sich damals erfüllten. Sie liebten sich. Aufrichtig. Sie war eine gute Schauspielerin. Oftmals wenn er von der Schule kam fand er einen kleinen Zettel auf dem Küchentisch. Bin im Bad, komm doch zu mir, stand darauf. Sie liebte es zu Baden. Sie sah so wunderschön aus, ihren Körper in dem duftenden Schaum verborgen. Ihre Brüste und Oberschenkel zeichneten sich durch feine Linien in den weißen Wolken ab und ihr schwarzes Haar glitt seidig durch das entspannende Bad. Wie sehr er sie doch liebte, dachte er damals. Sie hatten sich damals auch darauf geeinigt, dass er Arbeiten ging und sie sich um ihr gemeinsames Nest kümmern wollte. Sie hatte ihr Studium ihm zu liebe abgebrochen. Sie hatte Kunst studiert. Einige ihrer Bilder hingen immer noch in der Wohnung. Ihre Werke waren klar und hell. Sie hatte die Gabe dem Betrachter das Gefühl zu geben mit den Farben ihrer Bilder zu verschwimmen und für immer eins zu werden. Es war im November letzten Jahres. Sie hatten schon lange nicht mehr richtig miteinander gesprochen, erinnerte er sich. Er kam wie immer gegen halb zwei von der Schule nach Hause. Zu ihr, wie er meinte. Auf dem Küchentisch fand er einen kleinen Zettel. Bin im Bad, komm doch zu mir, stand darauf. Mit Vorfreude erfüllt begann er sich schon in der Küche seiner Kleider zu entledigen und ging ins Bad. Lange konnte er sie nur anstarren. Sie lag dort im Wasser. Ihr Gesicht schien so ruhig und friedlich. Es war unnormal bleich. Ihre Augen waren sanft geschlossen und ihr schwarzes Haar waberte wie eine giftige Qualle um ihren Kopf. Diesmal zeichneten sich weder die Brüste, noch die Oberschenkel auf dem Wasser ab. Das dunkle Rot lies keinen Blick zu ihrem toten Körper zu. Es schien eine Ewigkeit, bis er es schaffte zum Telefon zu gehen. Er wählte die Nummer der Polizei und berichtete in harter, sachlicher Stimme seinen Fund. Er wollte ihnen nicht nackt gegenübertreten, wenn sie kommen um die Leiche ab zu holen. Er ging ruhig in die Küche, sammelte seine Sachen auf, zog sich an und wartete. Die Autopsie besagte, dass sie Schwanger gewesen sei, als sie sich die Pulsadern öffnete. Er hatte es nicht gemerkt. Lange her ist es jetzt schon. Nichts hatte sich verändert, seid ihrem Fortgehen. Die Wohnung nicht, die Welt nicht.
Er legte sich in das warme Wasser und ließ die Wärme und Geborgenheit wirken, die er darin fand. Das Steakmesser aus der Küche lag auf der kleinen Ablage neben der Wanne. Mit einer Engelsruhe griff er danach, tat noch einen letzten Atemzug von der schicksalsgeschwängerten Luft und vollzog den Aderlass mit einem Gefühl der langersehnten Freiheit.

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Kommentare zu diesem Text

Profane (31)
(28.05.07)
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 püttchen meinte dazu am 29.05.07:
danke für die Verbesserungsvorschläge! Werde noch ein paar Absätze einfügen. Danke für das Lob! gruß, jointy
Arvin (48)
(29.05.07)
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 püttchen antwortete darauf am 29.05.07:
danke den kommentar. werde die Absätze noch einfügen. gruß, jointy
Grufti.Ente (28)
(29.05.07)
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 püttchen schrieb daraufhin am 29.05.07:
bitte nicht übertreiben ;). danke für deinen kommentar! gruß, jointy
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