Sofoort ... !!

Tagebuch zum Thema Anpassung

von  tastifix

Auf Tischsitten wurde bei uns zu hause aller größten Wert gelegt.

Gelangweilt baumelten mein Bruder und ich während des Mittagessens mit den Beinen. Von der Unterhaltung zwischen den Großen verstanden wir kaum etwas, wir waren noch klein. Prompt ernteten wir empörte, elterliche Blicke:
„Hört sofort auf damit!!“
Das kam von Mutti.
Wagten wir es dann tatsächlich, zusätzlich auch noch den Mund aufzumachen, wandelten sich die empörten Blicke in wahre Wutblitze, die denn doch unsere Kinderseelen ungemein beeindruckten.
„Kinder haben bei Tisch zu schweigen! Was fällt euch denn ein?“
Das war Vati.
Binnen einer Sekunde ähnelten wir frappierend den Wanderstöcken aus Vatis Gebirgsverein und saßen so kerzengerade wie Queen Mum beim Staatsbankett.

Stöcke halten sich nicht nur sehr aufrecht, sondern bleiben meistens auch stumm. Angesichts der ärgerlichen Gesichter unserer Erziehungsberechtigten nahmen wir uns diese Gehhilfen zum Vorbild und gaben vorsichtshalber bis auf weiteres keinen Piep mehr von uns. Das wiederum erfreute dann Mutti und Vati und erfüllte sie mit Stolz ihrer offensichtlichen Erziehungskünste wegen.

Aber unsere Eltern hatten noch mehr auf Lager, was uns innerlich rasant schnell an die berühmte Hb-Männchen-Decke beförderte. Selbstverständlich hüteten wir uns davor, diese frevlerische Regung auch nur andeutungsweise zu zeigen. Sie kennen sicherlich den tollen Satz:
"Es wird gegessen, was auf den Tisch kommt!"
Leider kannten unsere Eltern den auch und sorgten mit wahrer Begeisterung und aus felsenfester Überzeugung heraus dafür, dass er im Gedächtnis ihrer Kinder keinesfalls in Vergessenheit geriet.

Für mich bedeutete das:
"Spiegeleier am laufenden Band!"
Dummerweise liebte meine Mutter Spiegeleier. Ich dagegen hasste die glibberigen Dinger wie die Pest. Näherte sich solch` ein Gelbgold-Ufo meinem Teller, rumorte mein Magen und ich stand kurz vorm K... . Nein, das Letzte streiche ich wieder, denn das zu denken, noch mehr, das zu sagen geschweige denn gar zu tun, gehörte sich denn nun wirklich nicht und galt als Unverschämtheit in höchster Potenz, die dann dementsprechend gemeine und äußerst eindrückliche Strafen auf den Allerwertesten nach sich zog.

Da ich auf diese wenig erbaulichen Maßnahmen so gar nicht erpicht war, würgte ich jene für mich sauren, unterirdisch/unirdischen Spiegeleier-Äpfel verzweifelt hinunter und versuchte mir einzubilden, es wären gar keine Eier - das allerdings ohne jeden Erfolg.
Mutti und Vati jedoch sonnten sich in Zufriedenheit, sie hatten sich durchgesetzt. Wir, ihre Kinder fanden das alles mehr als bescheuert, waren darob zunehmend deprimiert und litten still ...




Wir wurden älter.

Die Benimmregeln beherrschten wir aus dem Effeff. Unsere Eltern hatten keine Gelegenheit ausgelassen, sie uns einzutrichtern, sowohl die unsinnigen als auch die, die uns im täglichen Miteinander des Lebens eine echte Hilfe waren. Schließlich Teenager zu sein, brauchte uns den nicht zu verachtenden Vorteil, sogar bei Tisch auch mal was sagen zu dürfen und dabei sogar ernst genommen zu werden. Aber mit den Beinen zu baumeln war weiterhin strengstens untersagt.


Wir wuchsen heran und bildeten uns darüber, was sein musste und was nicht, unsere eigene Meinung, die wir doch tatsächlich selbstbewusst unseren Eltern eröffneten. In ihren Gesichtern spiegelte sich blankes Entsetzen. Schwerst beleidigt erklärten sie unsere Einstellung für unmöglich, ja unreif. Aber wir blieben hart und bei unserer Auffassung.


Wir wurden Eltern von vier Kindern.

Nochmals versuchten Omi und Opi nachdrücklichst ihren Einfluss geltend zu machen und redeten uns in die Kindererziehung rein, wo sich eben die Möglichkeit dazu bot, sicherlich alles mit guter Absicht und im festen Glauben, wir hätten als junge Eltern ja noch keinerlei Ahnung, was den Umgang mit dem Nachwuchs anginge und seien diesbezüglich sowieso völlig auf dem falschen Dampfer. Sie redeten sich den Mund fusselig. Sie erreichten damit höchstens das Gegenteil von dem, was sie erhofften, nämlich uns, ihre fehlgeleiteten Kinder, wieder auf den rechten Erziehungsweg zu bringen. Wie sie glaubten.

Das besagte Gegenteil sah dann so aus, dass uns ihr dauerndes Mäkeln mehr und mehr auf den Wecker ging, bis dann eines Tages die Bombe hochging. Nein, es kam nicht zum heftigen Krach, das spielte sich ganz anders ab.

Wieder einmal waren wir samt der Kinderschar bei Omi und Opi eingeladen. Wir fuhren sehr gerne hin, denn sie wohnten in einem tollen Haus mit riesigem Garten wunderschön ländlich in einem winzigen Ort in der Nähe von Köln. Zu der Zeit war unser Nachwuchs im gleichen Alter wie ich damals in den Jahren von ´Kinder haben sich bei Tisch nicht zu rühren und schon gar nicht sich zu äußern!`.

Eines muss ich den lieben Großeltern zugestehen: Von ´Es wird gegessen, was auf den Tisch kommt!` hatten sie wegen unserer unbeugsamen, diesbezüglichen Anti-Haltung inzwischen Abstand genommen. Ihnen war klar geworden, da bissen sie bei uns auf Granit.

Wir waren uns einig, wir wollten ein deutliches Zeichen setzen. Soo nicht länger mit uns und erst recht nicht mit unseren Kindern! Dort angekommen, setzten wir uns nach herzlicher Begrüßung um den sehr eleganten Esszimmertisch mit dem ebenso hochvornehmen Porzellan darauf. Es sah einfach alles toll aus, nicht allein die Tischdekoration, sondern vor allem auch der Kuchen. Omi buk leidenschaftlich gerne und ebenso gut.

Es war soweit. Meine Kleinen krabbelten eine nach der anderen auf die passend eleganten Stühle. Allerdings entsprach ihre Haltung so gar nicht Omis und Opis Geschmack. Um ehrlich zu sein: Die Kinderbeine schienen nicht lang genug zu sein, um unterm Tisch zu verschwinden. Den Kleinen war es entsprechend ungemütlich und kurz entschlossen saßen meine Vier plötzlich im Schneidersitz auf ihrem Platz, natürlich, ohne vorher wenigstens die Sandaletten abgestreift zu haben. Zur eigenen Verteidigung versichere ich Ihnen, die Schuhe waren sauber, meine Minis mit denen noch nicht durch irgendwelchen Dreck gelatscht.

Und trotzdem: Sowohl Omi als auch Opi schienen einer Ohnmacht nahe, durchbohrten uns mit drängend vorwurfsvollen Blicken. Die in der richtigen Weise zu interpretieren, war so etwas von kinderleicht ... !!

Die Großeltern verstanden offensichtlich die Welt nicht mehr. So hatten sie uns nicht erzogen, das war nicht der Stil daheim gewesen, in wessen Einfluss waren wir bloß geraten?

„Das ist ja wohl die Höhe! So etwas hätten wir uns früher erlauben sollen!“, brachte Omi stammelnd heraus und Opi schüttelte sprachlos den Kopf.
Gottlob hatte Omi ja gesprochen, da brauchte er wenigstens nicht mehr viel dazu zu sagen.
„Ich bin der Meinung, Kinder müssen nicht so verkrampft am Tisch sitzen!“, setzte ich noch eins drauf, vermied aber tunlichst den Seitenblick zu dem mittlerweile recht unsicher drein schauenden Papa meiner Kinder.
Ich hatte es ihm schon angemerkt: So wirklich überzeugt von all dem war er nicht!

Damit jetzt aber kein falscher Eindruck entsteht: Falls jemand denkt, wir hätten antiautoritäre Kindererziehung praktiziert, ist er total auf dem Holzweg. Im Gegenteil haben uns später unsere Kinder immer wieder gesagt, wir hätten sie fast zu streng erzogen. Heute machte man das anders, ihre Freunde und Freundinnen dürften weitaus mehr als sie.

Ich verrate Ihnen etwas: Ich fand die vier Schneiderlein da vor mir auch nicht gerade super, wollte aber Omi und Opi endgültig zeigen, dass wir uns nicht weiterhin in die Erziehung unserer Kinder einreden lassen würden.

Abgesehen davon verstanden wir uns übrigens damals recht gut.

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Kommentare zu diesem Text


 Sonnenaufgang (08.06.07)
hallo gaby, du hast vollkommen zu recht gehandelt. ähnliches spielte sich in meiner kindheit auch ab. wir waren 9 kinder. bei tisch mußte es still zu gehen. sonntags wurde im wohnzimmer am großen tisch gedeckt und dann hörten wir klassische musik vom plattenspieler.
vieles was du schreibst, ist auch bei mir vorgefallen. erfahrungen beim ersten kind macht man selbst und nicht durch besserwissererei. sollte ich selbst mal oma werden, halte ich mich zurück, bis dass ich um rat gefragt werde. dir einen netten abend und sag selbst, deine vier kinder sind super gelungen, nicht wahr? liebe grüsse von feli

 tastifix meinte dazu am 08.06.07:
Hallo Feli!

Mir wird immer gesagt, wie lieb sie seien und wie gut sie sich benehmen. Darauf bin ich stolz! Ganz lieben Gruß Deine Gaby
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