Onkel Otto und Tante Lene

Erzählung zum Thema Lebensweg

von  Jorge

Die Reise beginnt im Norden von Berlin.
Das erste Angebot beschreibt ein interessantes Objekt in Wittenau (Reinickendorf). Das liegt zwischen Tegel und Französisch-Buchholz. Das ist noch Berlin - aber eigentlich ist es für alte Berliner Jwd = Janz weit draußen.
Da werden 86 m² (gut geschnitten) in einer 12. Etage für 286 € kalt angeboten. Die Warmmiete von 616 € ist dann schon etwas ernüchternder. Aber wer das nötige Kleingeld hat, kann sich dort sicher wohlfühlen.
Mich zieht es auf der angebotenen Karte  in die nähere Umgebung. Und sofort werden Erinnerungen an meine Kindheit wach:
Keine 2 km von dort entfernt befindet sich Nordend. Die Straßenbahn Linie 46 hat dort ihren Endpunkt und da endet auch der Berliner Norden.
Deshalb Nordend.
Für uns Kinder war es eine verbotene Zone. Vater sprach dieses Verbot aus. Dort, in der Dietzgenstraße wohnten nämlich Onkel Otto und Tante Lene. Vater konnte es ihnen nicht vergessen, daß sie ihn als Kind und Jugendlichen "ausbeuteten". Er mußte als 14/15jähriger Junge nicht nur seine Schularbeiten machen, sondern Tante Lene bei der Heimarbeit helfen (Anfertigung von Krawatten)  Und das ging häufig bis tief in die Nacht. Das war im Jahr 1925.
20 Jahre später nahm Mutter mich oft nach Nordend mit (im Kinderwagen) Vater war noch im Krieg - da gab es dieses Verbot also noch nicht.
Später dann reizte es mich Ende der 40er /Anfang der 50er Jahre solche Ausflüge zu Onkel und Tante allein zu unternehmen. Onkel Otto war da schon ein gütiger alter Mann, von dem man so allerhand lernen konnte. Z.B., wie man sich wassersparend die Hände zu waschen hatte, wie man im Kronleuchter des Wohnzimmers alle Glühlampen bis auf eine herausschrauben konnte, um Strom zu sparen und wie man überhaupt sein Leben sparsam und strebsam zu gestalten hätte. Er war schließlich ein pensionierter Beamter und hatte es im Leben zu etwas gebracht.
10 Jahre später führte mich mein Weg oft an diesem Haus vorbei. Wir Jungen veranstalteten Wettrennen mit unseren Tourenrädern. Ziel war das nahe Schildow bzw. eine Kiesgrube dort. Heute ist in der Googlekarte dort ein Badesee eingezeichnet.
Damit sind wir am Ende der ersten  Immobiliensuche.
Meine Kindheitserinnerungen dominierten mein Interesse an dieser Wohnung.

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Kommentare zu diesem Text


 Emotionsbündel (19.02.09)
Also kann ich mich jetzt doch in einen Sessel kuscheln und deinen Geschichten lauschen....tagsüber reisen, abends zuhören....gefällt mir deine Geschichte und du wirst lachen, sie hat auch bei mir Kindheitserinnerungen geweckt. Wir sind früher jahrelang zu Bekannten gefahren......Onkel Otto und Tante Lene......
Liebe Grüße, Judith

 Jorge meinte dazu am 19.02.09:
Was für ein Zufall, Judith. Danke fürs Lesen dieses etwas längeren Textes.
chichi† (80)
(19.02.09)
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 Jorge antwortete darauf am 19.02.09:
Ich werde am Ball bleiben. Danke für die Ermunterung, Gerda,
Jorge

 JohndeGraph (19.02.09)
Nachvollziehbar geschrieben. Grüße J.d.G.

 Jorge schrieb daraufhin am 19.02.09:
Das klingt ja fast wie eine Ermutigung weiter zu schreiben. Und das von einem "alten" kVler . Dank dir Matthias,
Jorge

 JohndeGraph äußerte darauf am 19.02.09:
Gerne und solange es interessant bleibt ^^.
Nein, aber die Öffentlichkeit ist halt eine Hure und Du solltest Dich nicht auf Sie verlassen. Denn was für den einen spannend ist, ist für den anderen vielleicht sterbenslangweilig? Als Schreibender weiß man ja nicht wirklich was den anderen am Text interessiert, es sein denn, der Leser schreibt einem das in einem Kommentar zum Beispiel.
Aber eine Empfehlung weiter zu schreiben möchte ich hier dennoch aussprechen. Ich werde Dir jetzt zwar nicht verraten was mich genau daran interessiert, aber es interessiert mich halt. Also schreib weiter. Grüß Dich J.d.G.

P.S. Hier bei kV sind wir ja zum Glück alle gleich. Wir alle setzen Gedanken aus, an unbekannten Orten und zurück bleibt, schwarzes auf weißem in unseren eigenen flüchtigen Worten.

 Jorge ergänzte dazu am 22.02.09:
Nochmals Dank Mathias. Auch du hältst die Spannung hoch. LG Jorge
Belisama (47)
(20.02.09)
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 Jorge meinte dazu am 22.02.09:
Hola Xana, schön, daß du diese kleine Erzählung gern gelesen hast. Mir geht es mit vielen Texten hier auf kV ähnlich. Man wird immer wieder an eigene Erlebnisse erinnert und bleibt so auch der eigenen Vergangenheit verbunden. Dank auch für den Klick. Lieben Gruß Jorge
JowennaHolunder (59)
(22.02.09)
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 Jorge meinte dazu am 22.02.09:
Liebe Wally, du legst ja heute einen Rekord im Lesen meiner Texte hin.
Das läßt ein wenig meine Freude überschäumen. Ich sag dir einfach danke für alles. In großer Verbundenheit Jorge
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