Kreuzberg

Erzählung zum Thema Lebensweg

von  Jorge

Heute führt mich meine Wohnungssuche in den Kreuzberg. Noch vor Jahren war Kreuzberg ein eigenständiger Berliner Stadtbezirk. Anfang der 90er Jahre gab es den verwaltungsmäßigen Zusammenschluß Friedrichshain/Kreuzberg.
Für Nichtberliner sei kurz angemerkt,dass vom Brandenburger Tor aus, entlang der Wilhelmstraße (Zentrum alter und neuer Macht) der Weg direkt in den Mehringdamm führt; und da beginnt Kreuzberg.
Die erste Wohnung, die ins Auge fällt,ist eine 2zimmrige zum "Dumpingpreis" von 496 € warm.
Die eingestellten Bilder halten eher ab, als daß sie Interessierte anziehen würden. Ich suche weiter und bin froh, in der Willibald-Alexis-Straße fündig zu werden. Hier wohnte Mutters Stiefschwester Lucie. Vor über 50 Jahren war es eine ruhige und saubere Gegend. Die Fotos zur angebotenen renovierungsbedürftigen Wohnung sehen aus, wie Dokumente nach einem Bombenangriff. Die Enttäuschung ist perfekt. Ich ziehe mich erschreckt zurück in meine Erinnerungen:
Ganz in der Nachbarschaft befindet sich der eigentliche Kreuzberg. Und wie an den Berg geschmiegt verläuft die Hagelbergerstraße. In der Nummer 43, so erinnere ich mich,wohnte Käthe mit ihrer Schwester. Käthe war mit meiner Mutter vor dem Krieg Kuchenverkäuferin, zuletzt in einer Bäckerei in der Zossenerstr. Direkt gegenüber der Marheinekehalle. Käthe verwöhnte mich in dieser Bäckerei mit handgeschlagener Sahne und Erdbeertorte bis zum Abwinken. Noch spannender als die Bäckerei und die kleine Hinterstube war für mich die Wohnung der beiden Schwestern. Es war so eine kleine gemütliche Wohnung im Seitenflügel. Man betrat ohne Flur sofort eine Wohnküche mit Speisekammer und Fensterbank. Dahinter lag ein so genanntes  Berliner Zimmer in dem die Schwestern schliefen.
Alle Erinnerungen konzentrieren sich auf diese Wohnküche  mit der herrlich gemütlichen Kautsch, auf der ich noch viele Jahre lümmeln und in Bergen von bunten Illustrierten blättern durfte. Ich erinnere mich an Pfifferlinge und Rühreier und an Kreuzberger Taschengeld, das mir die Schwestern heimlich zusteckten.

Heutiges Fazit: Mit einer Seniorenkarte der BVG in der Tasche werde ich sicher  den Kreuzberg besuchen aber nie dort eine Wohnung anmieten.

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Kommentare zu diesem Text


 Emotionsbündel (21.02.09)
Deine Erinnerungen lese ich gerne. Für mich sind sie einfach nur interessant und amüsant, für dich hoffentlich nicht allzu wehmütig...
Lieben Gruß, Judith

 Jorge meinte dazu am 21.02.09:
Ja, Judith, irgendwie ist da natürlich auch Wehmut und Sehnsucht im Gepäck. Aber auch große Freude, wenn ich mir die Liste der Mitreisenden ansehe.Du erhältst bald einen Treuebonus von mir.
Ganz lieben Dank,
Jorge

 Didi.Costaire (21.02.09)
An so einer "Kautsch" bleibt man gerne kleben.

Leider sind die Kreuzberger Nächte wohl mittlerweile kürzer und die Tage härter.

LG, Didi

 Jorge antwortete darauf am 21.02.09:
Ein freundliches Guten Morgen auch dir Didi. Du kannst in deiner bequemen K(n)autschhaltung verharren und bis zur nächsten Reise eine Berliner Weiße kaltstellen. Ja, Kreuzberger Nächte sind lang, oder waren sie es nur? Die härteren Tage spüren wir wohl alle. Danke,
Jorge

 star (21.02.09)
mein einkaufstip - wenn es schon kein berliner zimmer sein soll - ist der allsamstagstägliche markt am urbanflüsschen, wobei ich jetzt sogar ganz verunsichert schwelge, ob der noch in kreuzberch oder wo schon iss? ejal! und wie hießen bitte gleich noch mal die knautschen ohne lehnen, auf denen mann sich so schön an den kachelofen knautschen konnte?? wer ein gutes pfifferling-omelette ma direkt so selbst machen möchte... bitte, ich stehe für's rezeptieren zur verfügung ...
gracias dir jorge, mir iss janz warm um's herz. muchas saludos vom piepmatz
(Kommentar korrigiert am 21.02.2009)

 Jorge schrieb daraufhin am 21.02.09:
"gracias dir jorge, mir iss janz warm um's herz. muchas saludos vom piepmatz" Rührende Worte eines Pfifferling-Omelette-Rührenden.
Du erhältst für die nächste Reise eine Freikarte und bis dahin streue ich für deine hiesigen Verwandten Brotkrümel auf den Gartenweg. saludos
steyk. (55)
(21.02.09)
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 Jorge äußerte darauf am 21.02.09:
Man soll nie nie sagen. Recht haste oller Kreuzberger. Natürlich weeß ick det SO 36 nich allet is - aber allet is nischt ohne SO 36.
Meine Suchkriterien haben Besseres ausgeschlossen und richtig Gutes ist nicht leicht zu haben. Dank dir Stefan fürs Lesen, Klicken und lokale Erweiterungen. Liebe Grüße,
Jorge

 sensibelchen13 (21.02.09)
Deine Erinnerung beschreibt für mich ein ruhiges und gemütliches Berlin. Das wirst Du bei Deiner Reise in die Vergangenheit wohl nicht mehr finden.
Lieben Gruß
Helga
(Kommentar korrigiert am 21.02.2009)

 Jorge ergänzte dazu am 21.02.09:
Ruhiges, Besinnliches , Gemütliches - das erinnert man gern, Helga.
Die bewegteren Fundsachen sind nicht vergessen. Aber eine Vergangenheit sollte auch Vergangenheit bleiben. Zur Gegenwart:
Einen lieben Gruß in dein Wochenend und Danke fürs Reinlesen
Jorge
chichi† (80)
(21.02.09)
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 Jorge meinte dazu am 21.02.09:
Hallo Gerda, nein, sie war nicht nur erdbeertortig. Als treue Freundin bist du natürlich bei den nächsten Fahrten eingeladen. Vielleicht zeigt dir dann schon der erwachsene Jorge Interessantes von Berlin. Danke für dein morgendliches Lächeln und den Klick.

 JohndeGraph (21.02.09)
Geht doch gut ab, Deine Immobiliensuche meine ich jetzt. Weiter so. Grüße J.d.G.

 Jorge meinte dazu am 21.02.09:
Gerade die Immosuche war ja in dem Fall nicht so erfolgreich, John.
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