Uisce beatha

Erzählung zum Thema Essen/ Ernährung

von  Mutter

Das Handy noch mal. Collie.
‚Ja?’ Meine Stimme klingt brüchiger als ich möchte.
‚Bist du schon weg? Sitzt du auf gepackten Koffern? Beweg deinen Arsch, Mann!’
‚Fuck, Collie, ich kann hier nicht weg. Ich habe einen Plan.’
Stille am anderen Ende.
Dann: ‚Was für ein Plan?’
‚Das erzähle ich dir später. Ruf heute Abend noch mal an.’
Er willigt ein, verabschiedet sich. Fragt dreimal nach, ob es mir gut geht, ob ich klar komme. Ja, Mutti.
Als ich das Handy zuklappe, lasse ich mich nach hinten fallen. Raffe mich nach ein paar Sekunden endlich auf.
Ich gehe die Treppe runter, leise, um Misses Armstrong nicht zu alarmieren, und trete vor die Tür.
Zügig gehe ich die paar hundert Meter die Straße runter, bis ich vor einem Off Licence stehe. Richtig, ich habe einen Plan.
Bestandteile dieses Planes sind eine Flasche Tullamore Dew und … nichts. Der Whiskey ist der Plan.
Zurück in der Pension ziehe ich die Vorhänge zu, dimme das Licht damit angenehm ab und fange an zu trinken.

Zwei Stunden und einen halben Liter später betrachte ich gedankenversunken die Vorhänge. Wie hatte ich die Farbe bei meiner Ankunft genannt? Mauve?
Wenn ich die Dinger als bekacktes Lila bezeichnen würde, könnte mich auch niemand wegen Etikettenschwindels verklagen.
Wo war ich gerade?
Ich nehme noch einen Zug aus der Pulle. Molly.
Richtig.
Scheiße.
Unbeholfen lasse ich die Flasche ein, zwei Mal gegen den Nachttisch ticken, bis ich es schaffe, sie endlich abzusetzen. Ohne dass sie umfällt. Ich halte sie noch ein paar Sekunden, um sicher zu gehen, dass sie steht. Lasse endlich los.
Könnte mir sparen, sie wegzustellen – in ein paar Sekunden greife ich ohnehin erneut nach ihr.
Was mache ich hier? Mir Mut antrinken? Mich abschießen? Weglaufen?
Kommt alles hin. Ich habe keinen Bock mehr, nachzudenken. Meinen Gedanken zuzusehen, wie sie wie ein verwundetes Tier durch ein Labyrinth schießen, gegen Gitterstäbe knallen. Wieder und wieder.
Ausschalten würde ich mich gerne. Knipps. Exit Corker.
Aber hier gibt keiner Regieanweisungen. Oder wenn, die falschen. Mühsam richte ich mich auf dem Bett auf, benommen. Von den Gitterstäben, nicht vom Whiskey.
Kurz denke ich darüber nach, ob ich nicht Molly anrufen sollte. Sie bitten, jemand anderes umzulegen. Ihr anzubieten, ich könnte es ihr richtig besorgen - vielleicht knallt sie dafür Benny Bento ab. Mit ihrer fetten Warfare. Ich muss kichern, als ich mir Bennys Gesicht vorstelle – die Wumme im Gesicht, mit der scharfen Braut dahinter.
Nein, Benny brauche ich lebend. Muss aus dem noch die Scheiße und ein paar Informationen rausprügeln.
Stöhnend schiebe ich die Beine aus dem Bett, sitze auf der Kante. Fange an, gegen Schatten zu boxen, grunze. Mache Bruce-Lee-Geräusche.
Ich habe Kopfschmerzen. Mir ist schwindelig.
Der Plan mit Molly hat ohnehin einen Haken. Ich hätte wieder diese dumme Kuh am Apparat - Anne. Die sich nicht von mir vögeln lassen will. Scheiß-Lesbe.
Molly will sich ebenfalls nicht von mir flachlegen lassen. Auch eine dumme Kuh, entscheide ich. Taste noch mal nach der Flasche. Mit geübten Bewegungen schraubt mein Daumen den Verschluss auf. Ich kann mit zwei Fingern BHs im Dunklen lösen und mit meinem Daumen an den Whiskey kommen. Ich bin ein gottverschissen geiler Typ.
Pisse.
Mit einem Fluch lasse ich meinen Kopf in die Kissen rutschen, setze die Flasche nahtlos an. Ein Teil läuft mir aus dem Mundwinkel, versickert im Stoff. Der Rest landet in meinem Mund.
Mit gierigen Zügen trinke ich den Rest der Pulle leer. Der Geschmack von Whiskey flutet meinen Mund, meinen Hals, meinen Kopf. Meine Seele. Alles schwimmt im Whiskey. Ich könnte im Whiskey baden. Ich bade im Whiskey.
Ich denke darüber nach, mich zurück zum Off Licence zu schleppen, mehr vom uisce beatha zu besorgen. Im Moment hat mir das ‚Wasser des Lebens’ zu viel Strömung – ähnelt einem Gebirgsbach mit Stromschnellen. Ein kleiner Teich oder Waldsee wäre mir lieber.
Der Gedanke an Misses Armstrong hält mich ab, mir mehr Stoff zu besorgen. Würde sie mich hören, wäre sie wenig beeindruckt. Ich kichere. Glaube nicht daran, dass ich leise sein kann.
Mit einem Glucksen und dämlich verzerrten Gesicht stemme ich meinen Körper hoch, stehe auf. Gehe vor den Schrank, in dessen Tür ein langer Spiegel eingelassen ist. Fange an zu boxen.
Boxe gegen Molly, gegen Anne, gegen Collie. Die Bento-Brüder mache ich platt, mein Atem geht stoßweise. Ich verprügele Welshie, der merkwürdig lebendig aussieht, und boxe Misses Armstrong auf ihre dicken Glocken.
Nach ein paar Minuten erlahmen meine Arme. Ich merke, dass ich einen Ständer habe.
Erschöpft schleppe ich mich zum Bett, versuche, mir einen runterzuholen. Probiere es in Gedanken erst mit Anne, dann mit Molly. Beide zusammen. Zum Schluss Misses Armstrong.
Es hat keinen Zweck. Halbnackt dämmere ich weg, schlafe schließlich ein.
Das Letzte, was ich sehe, sind Vorhänge in bekacktem Lila.

In diffuse Träume aus Cricketspielen mit nackten Weibern und scharf riechenden Flüssen goldbrauner Flüssigkeit dringt ein unangenehmer Ton ein, zerfetzt die auf Seide gemalten Gespinste meines Unterbewusstseins.
Mit einem dumpfen Keuchen rolle ich mich auf die Seite, einer verwundeten Seekuh nicht unähnlich, und taste nach dem Handy. Klappe es auf.
‚Was?’
‚Scheiße, was ist los? Hat’s dich erwischt?’
Himmel, Arsch und Zwirn Collie, du nervst.
‚Ja. Glatter Durchschuss.’
‚Sehr witzig. Klingen tust du so.’
Ich stöhne theatralisch und grinse. ‚Ist komisch. Die Warfare macht längst nicht so große Löcher wie ich dachte.’ Stöhne wieder.
‚Lass den Mist, Corker. Wo bist du? Noch in der Pension?’
‚Yeah, Baby. Und ich habe nicht vor zu gehen. Nicht, bevor ich nicht dieses geile Luder Misses Armstrong genagelt habe.’
‚Bist du besoffen?’
‚Sagen wir mal – ja!’ Ich kichere.
‚Oh Shit! Du bist das dämlichste Arschloch was ich kenne. Ich hab gesagt, du sollst da abhauen.’
Unbeholfen versuche ich, mich aufzurichten. Lehne mich gegen die Kissen.
‚Ich bin nicht sicher, ob ich die Tür finden würde.’ Mir entfährt erneut ein Lachen, das in heiseres Husten übergeht.
Collie wartet, bis sich meine Lunge beruhigt hat.
‚Okay, als erstes: Werde nüchtern. Du bist in einem beschissenen Zustand. In der Verfassung wärst du Roadkill für Molly.’
Collie, mein Herzchen, ich bin ohnehin Roadkill für Molly. Whiskey oder kein Whiskey. Sage nichts.
‚Schlaf dich aus. Ich melde mich morgen früh noch mal, in Ordnung?’
Er hält mein Schweigen für Zustimmung. Verabschiedet sich, beendet das Gespräch. Collie ist pissed off, ich bin pissed. Mir entfährt ein keckerndes Lachen.
Während ich mir das Handy mit dem Freizeichen weiter konzentriert ans Ohr halte, schnappe ich mir die Flasche. Schraube sie auf, blinzle mit einem Auge hinein.
Mit einem enttäuschten Seufzer lasse ich los, sie rollt vom Bett. Landet polternd auf dem Boden. Grinsend sehe ich zur Tür. Wenn Misses Armstrong jetzt auftaucht, um sich über den Lärm zu beschweren, schnappe ich sie mir. Vorsichtig ziehe ich das Gummi meiner Shorts hoch, betrachte Corker Junior. Halbsteifer.
Niemand klopft. Möglicherweise ahnt sie, was ich plane.
Ich gleite zurück in einen komatösen Schlaf, durchtränkt von Whiskey-Träumen.


Anmerkung von Mutter:

*edit: Bisschen Boxen raus ... :)

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Kommentare zu diesem Text

Kitten (36)
(26.06.09)
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 Mutter meinte dazu am 26.06.09:
Boah, das gäbe bestimmt Ärger. Würde ich voll rummäkeln ...
Mache ich ja schon bei Buchverfilmungen, die NICHT von mir sind. :D

Danke schön.
AnnaKarenina (31)
(26.06.09)
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 Mutter antwortete darauf am 26.06.09:
Sweet ... :)
Was hab' ich denn geändert (mir iss schon wieder so viel aufgefallen)?

Straffen - okay, ich schau mal, ob da noch Fett weg kann. :)

Danke Dir.
AnnaKarenina (31) schrieb daraufhin am 26.06.09:
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parkplatzbison (29)
(26.06.09)
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 Mutter äußerte darauf am 26.06.09:
Mmmh, über dem 'Misses' habe ich eine ganze Weile gegrübelt. Da das lautmalerisch ist, gibt es keine allgemeingültige Wahrheit - im Englischen wird das dann meistens 'Missus' geschrieben, finde ich aber für deutsche Leser nicht sinnvoll. 'Missis' habe ich tatsächlich noch nicht gelesen (meistens hört man's ja auch nur), aber das muss nichts heißen ... :)

Okay, brutalis wollen wir nicht - mach ich was mit. Versprochen.
Das passiert, weil der Corker, ungebildet wie er iss, halt meistens den Präsens statt des Konjunktives benutzt - aber zusammen sollten sie dann nich auftreten. :)

Beatas Mündung? Kann man vielleicht später noch einbauen ... :D

Danke schön, hat mich ehrlich gefreut.
Alegra (41)
(08.11.09)
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 Mutter ergänzte dazu am 08.11.09:
Hab ich auch gerade gedacht - ich sollte dem noch ein paar Trunkenheits-Kapitel verpassen.
Verschaffen? :)

 RainerMScholz (10.03.10)
Blöde Kühe.
Grüße,
R.

 Mutter meinte dazu am 11.03.10:
:)
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