Zacharias Bretzelburgs wundersame Antenne

Erzählung zum Thema Weihnachtsgeschichte

von  Lala

Zacharias Bretzelburgs wundersame Antenne


I.

Eigentlich hatte Zacharias Bretzelburg den Nobelpreis oder die wichtigsten Orden aller Länder und Herrscher verdient.  Eigentlich hätte er so berühmt werden müssen, wie Zaphod Chocrane, dem ausgedachten Erfinder des Warpantriebes aus der Fernsehserie Enterprise. Eigentlich. Natürlich ist es anders gekommen.


Angefangen hatte alles damit, dass der Empfang an Bretzelburgs Fernseher schlechter wurde. Das Normalbild wurde von Geisterbildern überlagert, der Ton lief nach, die Privatfernsehsender, auf denen einige der Lieblingsserien von Zacharias liefen, fielen tageweise komplett aus. Es war an manchen Abenden vorgekommen, dass Zacharias stundenlang ein schwarzes Bild seiner Plasma Mattscheibe anstarrte, dazu einen warmen Kakao trank, den er sich immer im Herbst und in der Weihnachtszeit zubereitete und inständig hoffte, dass sich wenigstens einer der verlorenen Sender noch zurückmeldete. Manchmal wurde sein stoisches Ausharren auch belohnt und er konnte wenigstens eine Folge einer Serie, obgleich meist nur seiner zweiten oder dritten Wahl, anschauen.

Ganz bitter war es, wenn das Bild zu Beginn eines Krimis auf einmal erschien, durchhielt und kurz vor Auflösung wieder verschwand. Das Böseste an diesen Momenten war die unvermittelt über ihn hereinbrechende Stille. Bild und Ton blieben plötzlich weg und statt kleisterdicker Krimimucke, fetter Bässe und Stimmen, dem Kribbeliger Werden der Spannung und in sein Wohnzimmer geschleuderter Dialogzeilen wie: „Das ist aber nicht nur ein Griff in die Keksdose!“, hörte er nur noch seine eigenen, Bretzelburgeschen Geräusche. Jedes Kauen, jedes Schlucken, jedes Schnaufen, jedes Mahlen mit den Zähnen, jede Kolik im Magen-Darm-Bereich hörte er so laut, als säße er in einem Kino - seinem eigenen Kino: Zachs Multiplex.

Aber alle seine Geräusche waren stumpf; ohne Widerhall. Es fühlte sich noch schlimmer an, als wäre er mit dem Kopf unter Wasser getaucht worden, denn Unterwasser umgab ihn noch ein Medium und kein Vakuum. Ein Vakuum, welches geeignet war, seinen Schädel mit all seinen Geräuschen und Bildern explodieren zu lassen, weil es keinen Gegendruck, keine Zukleistermusik mehr gab. Wenn sein Kopf abrupt aus dem Fernseher gezogen wurde, war alles leer; alles dumpf; alles schwarz.

Aber immerhin zeigte sich in diesen unerfreulichen Momenten, dass  bei seinem Plasmabildschirm das Schwarz satt und nicht so blass wie bei LCD Fernsehern war. Es zeigte, dass seine damalige Kaufentscheidung, sowie die clevere 0% Finanzierung richtig gewesen war. Dieser stille Triumph ermöglichte es Zacharias zunächst, alle Widrigkeiten des Fernsehalltages zu erdulden.

Aber nach wenigen Tagen, nach wenigen Feierabenden, die er mit stummen Sitzen und laut vernehmlichen Kakaoschlürfen vor dem Fernseher verbracht hatte, war ihm die Feststellung, dass sowohl die Kaufentscheidung, als auch die tiefschwarze Färbung seines Schirmes in High Definition, Zeichen überlegener Cleverness und Technik gewesen sei, irgendwie doch schal im Kopf geworden. So schal wie ein Bier, welches zwei Tage halb leer getrunken auf einer fleckigen Theke gestanden hat.

Als noch alle Programme wie frisch gezapft liefen und Zachs Wohnzimmerantenne eine klare Übertragung geliefert hatte, spielten auch die Monitorwände hinter Zacharias Augen, in Zacharias Gehirn ein einwandfreies Unterhaltungsprogramm ab. Seine Hirnbildschirme multiplizierten jedes Detail der absorbierten Fernsehbilder. Um das zu verstehen, sollte man sich das Innere des Bretzelburgeschen Schädels als kolossale Sendeanstalt mit meterweise aufeinandergestapelten Monitoren vorstellen. Die Bilder, die Zacharias Fernseher emittierte, verdoppelten,  ja sie vervierfachten sich in Zachs Gehirn. So als würde jeden Tag ein mit Großglotzen vollgerammelter Lieferwagen vor Bretzelburgs Frontallappen ankommen, angeschlossen und angemacht werden.

Doch je mehr Sender ausfielen, je schlechter der Empfang wurde, desto mehr Bildschirme fielen auch im bretzelburgischen Kopfkino aus. Es war wie in einem Katastrophenfilm: In der von Überwachungsmonitoren übervollen Zentrale der NASA oder der NATO fällt ein Schirm nach dem anderen aus. Das Licht wird dunkler und dunkler bis nur noch ein kleiner Monitor wie eine Kerze den riesigen Raum erleuchtet, nur, um dann auch zu erlöschen.

In vollständiger Abgeschiedenheit, so als hocke er auf einer Parkbank auf der dunklen Seite des Mondes, begann sich Zacharias sehr schnell, sehr unwohl zu fühlen. Es war ihm, als wäre er, wenn er allein war, bei einer fremden Person zu Gast, die, wenn der Zustand so bleiben würde, sicherlich irgendwann von ihm Notiz nähme und er wusste nicht, ob er diesen fremden Zacharias wirklich kennenlernen wollte. So allein mit sich ist es nicht auszuhalten, dachte er. Er musste die Schwärze, die Stille, die ihn nun umgab, die, wie er sehr schnell bemerkte, an seiner geistigen Gesundheit nagte, wieder vertreiben. Was lag also näher, als eine neue Empfangsantenne zu kaufen oder die Alte auszutauschen?

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Kommentare zu diesem Text

LudwigJanssen (54)
(07.12.09)
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 Lala meinte dazu am 07.12.09:
Hallo Ludwig,

Danke für die Empfehlung. Ich habe gerade mit Schrecken gemerkt, dass es Probleme gibt wenn man "E kleiner als MC²" in Anführungsstrichelchen setzt und das kleiner als Zeichen benutzt. Danach wird der Text abgeschnitten. HTML sorgt für korrekte Wiedergabe der Formeln ;) Jetzt ist da auch ein Ende.

Mit den Mehrteiligen Texten. Ja, das könnte eine Verbesserung sein, aber so richtig klar ist mir das nicht, wie das funzt.

Gruß

Lala
LudwigJanssen (54) antwortete darauf am 07.12.09:
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