Ich glaub, du hast Geheimnisse.

Text zum Thema Alles und Nichts...

von  Erdbeerkeks

Illustration zum Text
(von Erdbeerkeks)
Mein Hamster ist gestorben, ich trinke meinen Kaffee nur noch mit viel Milch, mein Zimmer ist komplett weiß angestrichen, weil ich das Orange nichtmehr ertragen konnte.
Ich kann Geigen nichtmehr hören, ich hab was mit ‘nem Mädchen angefangen, vor meinem Fenster wächst ein Kirschbaum und letzte Woche hab ich mit einem Spezialisten geredet.
Meine Wangen fühlen sich taub an, mir ist ständig kalt, meine Mitmenschen zerreißen sich das Maul über mich.
Mein Vater ist sehr krank, ich trage neun Armbänder und schlafen kann ich nur noch auf der Seite.
Mein Gott, alles hat sich verändert und ich hab sovieles mit der Veränderung aufgegeben.

Du schuldest mir spätsommerliche Nachmittage, die ich immer mit Lachen und Wettrennen gefüllt habe.
Du schuldest mir tiefschwarze Nächte mit weißem Staub auf meinen papierdünnen Augenlidern, in denen der Schlaf weiter entfernt war, als meine Finger von den Sternen.
Du schuldest mir eine warme Schulter unter blassorangenem Laternenlicht, zitternd auf einer dunkelgrünen Bank, während Menschen vorbeiziehen.
Du schuldest mir die Musik in meinem Kopf, die sich inzwischen mit meinen Gedanken vermischt und dann verflüchtigt hat.
Du schuldest mir jeden einzelnen Herzschlag, der nie sein wird, weil das, was ihn rasen ließ, nichtmehr ist.
Du schuldest mir den Ersatz für das vergangene, das ging, um dir Platz zu schaffen.
Du schuldest mir Gespräche durch Fensterrahmen hindurch und leise Schritte im knisternden Gras.
Du schuldest mir deine Scheiß-egal-Einstellung und alles, was ich genauso getan hätte.
Du schuldest mir Erinnerungen und all das, was uns beiden gebührte und du nur für dich behieltst, aus Egoismus und Angst, ich könne es zerbrechen.
Du schuldest mir…

Hör auf. Lass gut sein... Ich weiß.
Ja, wir wissen es. Wir wissen es beide so verdammt gut, richtig? Das taten wir doch schon immer.
Aber sag mir,
weißt du auch, was passiert, wenn du jemandem ein Leben schuldest?

Anmerkung von Erdbeerkeks:

Ist schon länger her, aber solche Sachen klärt man mit sich nie so ganz, hm?

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Kommentare zu diesem Text


 Mutter (05.05.10)
Die Überschrift hat mich reingezogen.
Den Text finde ich klasse, mag, was da alles mitschwingt. Da sind so viele Bilder drin.

Aber den letzten Absatz - ich weiß nicht, den hätt's nicht gebraucht, der ist mir irgendwie zu viel ...
Maskitow (25)
(05.05.10)
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 franky (05.05.10)
Der Text ist sehr griffig und flüssig geschrieben, man wird wie auf Wellen mitgetragen.
"weißt du auch, was passiert, wenn du jemandem ein Leben schuldest?"
Das kann niemand wissen, da es praktisch nicht möglich ist. Dein Leben läuft mit dir, du kannst es niemand in die Schuhe schieben und auch von niemand einfordern.
Wir bekommen es bei der Geburt in die Wiege gelegt und müßen damit wohl oder übel auskommen.

Herzliche Grüße

Franky
Nemoria (19) meinte dazu am 08.05.10:
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 Erdbeerkeks antwortete darauf am 08.05.10:
Ich sehe, da versteht jemand meine Gedankengänge.
Nemoria (19) schrieb daraufhin am 08.05.10:
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PaulineKirsch (22)
(09.05.10)
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 SunnySchwanbeck (09.05.10)
Schließe mich Mutter an, den letzten Abschnitt hätte sich Fräulein Keks sparen können, aber sonst gut. Wirklich. Der Titel poppt einem entgegen und das mag ich.

Grüße von der Schwanbeck.
Ansichtssachen (42)
(27.05.10)
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 SunnySchwanbeck (11.06.10)
Hatte dies schon einmal kommentiert vor etwa einem Monat.
Heute les' ich es erneut und es wirkt so anders. So viel
mondglanzfädenwerdenzerrissendurchrauehändediesovielgabenundfehlenweileskeinraumehrgibtohneweich.

Irgendwie kam das über mich Keks. Und die Aufnahme in meine Favi-liste war längst überfällig.

Kuss.

 Jorge (11.06.10)
Ich schließe mich franky und Mutter in ihren Kommentaren an.
Vom Titel bis in die letzte Zeile Spannung pur.
Das läßt auf weiteres Interessantes hoffen, LG Jorge

 creative16 (13.06.10)
Fantastischer Text, selten ein derart umgreifendes, vielfältiges, inhaltsschwangeres Kurzwerk gelesen.
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