schöne neue welt

Prosagedicht zum Thema Umbruch

von  AchterZwerg

hier heißen die straßen nach blumen
sind lilien- nelken- magnolienwege
nicht länger bloß chausseen
hier tragen  die leute designerklamotten
und lächeln beschwingt im vorübergehn
hier streitet man nicht außerhaus
falls doch dann nur leise und wohlerzogen
verschwimmt jeder vorwurf
in konzilianz

und jenseits der villen frisiert eine brise
den wogenden blüten das lockige haar
umschmiegt mich der himmel in ultramarin -
bald brabbelt ein bächlein geschwätzig
verkündet das ende von trübsal
und schwarzbitternis

nur selten noch sehe ich nachbarn von früher
die schwitzen soziale misere beschweren
mich unangebracht

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Kommentare zu diesem Text


 niemand (18.06.21)
Diese "schöne neue Welt" findet sich überall, selbst bei uns
im Ballungszentrum Ruhrpott. Man muss nur diese Eckchen finden, dann weiß man wo sich einer absetzt, der es sich leisten kann. Dennoch, in gegenteiligen Ecken ist es auch nicht grade
angenehm zu leben. Dort wird man zugedröhnt, asozial angemacht und, und, und ... Beides für den Allerwertesten ...
LG Irene

 AchterZwerg meinte dazu am 18.06.21:
Liebe Irene,

diesmal operiere ich hart an der Wahrheit.
Ich wohne jetzt in einem solchen Villenviertel (großenteils lupenreiner Jugendstil) und bin überglücklich (!) - natürlich nicht ohne eine Prise Ironie.
Es gibt zuweilen Modellprojekte von Wohnbaugesellschaften, in die man nur nach hartem Kampf und zahlreichen Castings hineinkommt. - Das Haus ist erst 10 Jahre alt, passt perfekt in die Gegend und ist farblich ganz wunderbar gestaltet. Mit riesigem Balkon und unverbaubarem Blick auf die (bearbeitete) Natur. Mit Gäulen etc ...

Hier bin ich, um zu bleiben

 Quoth antwortete darauf am 18.06.21:
Hallo AchterZwerg, erinnert mich an den Film "Blue Velvet" von David Lynch (1986). Ich hoffe, Du findest nicht eines Tages ein abgeschnittenes Ohr im Vorgarten! Gruß Quoth

 AchterZwerg schrieb daraufhin am 18.06.21:
Jede Gegend hat ihre Tücken ...
"Schöner" Film, übrigens.

 DanceWith1Life äußerte darauf am 18.06.21:
Van Gogh und David Lynch, also sowas, kennt jemand die Unterscheidung zwischen Augen und Ohren-Menschen, also als primäres Sinnesorgan?

 AchterZwerg ergänzte dazu am 18.06.21:
Zum Augenmenschen kann ich vielleicht ein wenig beitragen:
Das ist jemand, der nicht-sehend sieht, etwa wie Michelangelo, der im unbehauenen Marmorblock den Engel erkennt, der darin schlummert und den er "befreien" wird. - Der Augenmensch nimmt also nicht nur wahr, sondern durchdringt "sein" Objekt wie ein Laserstrahl (nach Lászlo F. Földényi).
Bei dieser Gelegenheit kann ich es mir nicht verkneifen, auf meine wunderbare (!) Neuerwerbung hinzuweisen: Lob der Melancholie. Vom o. g.
Auf jeden Fall auch was für Reuva. - Es handelt sich hierbei nicht um einen Roman.

 nadir meinte dazu am 22.09.21:
wenn ich jetzt zugebe, gelesen zu haben; jede gegend hat ihre türken, was sagt das über mich? nichts gutes, oder? mir gefällt dein gedicht, auch wenn der titel ... nun ja, er ist natürlich provokant gemeint, aber ich hätte schlimmeres im gedicht erwarten, dass mir gewissermaßen die fratze des bösen ins gesicht springt, statdessen lese ich von den frisörkünsten des windes und bonzenvillen. hat ehrlich gesagt auch etwas, stimmt mich jedenfalls nachdenklich, weil es die frage aufwirft, ob die hölle nicht auch gut möbliert sein könnte ...

lg
nadir

Antwort geändert am 22.09.2021 um 18:56 Uhr

 tueichler (18.06.21)
bei uns ist das der Riesling-, Silvaner- oder Burgunderweg. Gleiches Spiel. Idylle bis ins Fernsehen (ja, B sucht F!) und wenn die Tür zu ist, wird die Frau verhauen.

 AchterZwerg meinte dazu am 18.06.21:
Das kann natürlich sein, bleibt aber von mir unbemerkt.
Und darüber bin ich nach einem umtriebigen Sozialarbeiterinnenleben heilfroh! Aber sowas von!

;-)
Jo-W. (83)
(18.06.21)
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 AchterZwerg meinte dazu am 18.06.21:
Lieber Jo,
das alles gibt es hier, denn es handelt sich bei der Bewohnerschaft nicht um Neureiche. Sondern Grünwähler mit offenen Herzen für Künstler ...

 EkkehartMittelberg (18.06.21)
hallo Piccola,
wer erst von der schönen neuen Welt gekostet hat, weiß, dass sie jeden Schmerz verscheucht, aber es lebt sich so angenehm in ihr.

Liebe Grüße
Ekki

 AchterZwerg meinte dazu am 18.06.21:
So isses Ekki!

Und "das haben wir uns verdient."
Agnete (66)
(18.06.21)
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 AchterZwerg meinte dazu am 18.06.21:
Bis auf "unser" Wohnprojekt verhält es sich wohl so.
Aber wir sind hier wohlgelitten, weil Trendsetter einer rapide alternden Gesellschaft.

 AZU20 (18.06.21)
Da hast Du es wohl geschafft. LG

 AchterZwerg meinte dazu am 18.06.21:
Ja,
einfach wars nicht.
Und im fortgeschrittenen Alter wieder (!) umzuziehen, noch dazu unter Corona-Bedingungen und etwas gänzlich Neues auf der Basis gegenseitiger Hilfeleistung zu wagen, auch nicht.

Liebe Grüße
der8.

 Didi.Costaire (18.06.21)
Für manche ist diese Welt sehr angenehm, andere werden vertrieben. Auch die Gartenzwerge haben es vermutlich trotz der blumigen Namen in diesem sozialen Umfeld schwer...

Schöne Grüße,
Dirk
wa Bash (47) meinte dazu am 18.06.21:
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 AchterZwerg meinte dazu am 19.06.21:
Lieber Dirk,
eine Idylle wird wohl immer nur Schein sein.
Nach meiner Erfahrung kann man aber mit sog. Großbürgern sehr viel besser auskommen als mit den Kleinen der Spezies (siehe auch 8.Zwerg). Der "diskreter Charme" gewährt hinreichend Freiraum und ihre grün-liberale Einstellung stemmt sich gegen die Vermüllung ihrer (!) Gegend.
Die eigentliche Verursachung lassen wir mal außen vor *hüstel.

Bildung und Kultur sind ihnen geschätzte Güter.

Kurzum: Ein schönes Umfeld zum (hoffentlich viiiel späteren) Sterben.

;-)

 AchterZwerg meinte dazu am 19.06.21:
Danke schön, wa Bash. :)
ich (54)
(18.06.21)
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 AchterZwerg meinte dazu am 19.06.21:
Darf ich das jetzt als schichtspezifische Aussage verstehen?

;-)

 TassoTuwas (19.06.21)
Die Verschönerung der Stadt findet statt!
Muss sein.
Emsige "Neue-Straßen-Namen-Finder", schrauben neue Schilder an. Natürlich nicht im "Malerviertel", mehr so in der Armenleutegegend! Da haben sie eh keine Ahnung von nichts, nicht mal von Schönheit
Schönen Tag auch
TT

 AchterZwerg meinte dazu am 19.06.21:
Die Umbenennung der Straßen in "Armeleutegegenden" zeigt eh wenig Effekt: Schon nach ein bis zwei Wochen liefert Amazon (schon wieder) nicht mehr aus ... (siehe Dietzenbach bei Frankfurt).

;-)

 harzgebirgler (19.06.21)
besser um- als zusammenbruch
ist doch ein ziemlich flotter spruch!

 AchterZwerg meinte dazu am 20.06.21:
Da liegen Sie richtig!
Der Text ist übrigens nicht ganz so ernst gemeint, wie viele zu glauben scheinen: Der8. ist ja mehr ein Aufsteigertyp mit Napoleonkomplex, also nicht in allen Dingen mit seiner Kreateuse identisch.

Wunderschön isses hier trotzdem!

:)
gobio (30) meinte dazu am 16.07.21:
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