Flammen fressen fraglos.

Text zum Thema Abschied

von  Erdbeerkeks

Ich pack alle deine Sachen ein. Da wären deine T-Shirts. Und Jacken (die eine in grau ist schön) und Pullis. Sie riechen noch ein bisschen nach dir und während ich sie in den rauen braunen Karton lege halte ich die Luft an. So hartgesotten bin ich dann doch nicht.
Ich greife nach deinem Lieblingsparfum und lasse den Flakon hineinfallen. Solange er geschlossen bleibt, geht’s mir ganz gut, musst du wissen. Dann fege ich unsere Bilder, Fotos, Polaroids und Negativstreifen von meinem Nachtschränkchen, reiße sie von der Pinnwand mit den kleinen rosa Pünktchen und hole sie wie ein Muscheltaucher aus den Ritzen meines Betts und unter meinem Kopfkissen hervor. Einige sind zerknickt, zerknittert wie wir. Sie landen ungeglättet zwischen Glas und Stoff.
Tagebücher werden aus hintersten Regalen gezogen. Minutenlang zögere ich mit dem kühlen Papier auf meinen Knien. Schlucke, schlage die ersten Seiten auf und reiße sie feinsäuberlich hinaus. Blättere um, trenne heraus. Suche weiter und vernichte. Ein handlicher Stapel verkommener und protestierender Erinnerungsstücke. Herzlos zerknülle ich sie und das Rascheln zwischen meinen Fingern ekelt mich an. Ich vergrabe sie tief unter den restlichen Überbleibseln verschwendeter Zeit.
Ich zähle nicht mit, wie viele Kleinigkeiten noch dazukommen. Es sind Ringe und Armbänder, Kinokarten und Schlüsselanhänger,
Briefe.
Es ist alles.
Als ich fertig bin, verschließe ich die Kiste, als hätte ich Angst, aus ihr könnten in einem unbeobachteten Moment Geister der Vergangenheit herauskriechen. Ich verklebe sie doppelt und dreifach – meinen Mund gleich dazu – und nach getaner Arbeit sitze ich mit einer Mischung aus Ratlosigkeit und Verdruss davor. Ich weiß nicht, was ich damit machen soll. Weiß nicht, was fair wäre und so packe ich das kleine Päckchen unter den Arm, stolpere aus der Tür und fange an zu gehen.
Die Dinge darin fangen auf halber Strecke an zu flüstern. Sie klingen verängstigt und bitten und flehen, ich möge sie herauslassen. Ihre dünnen Stimmchen schneiden sich in mein Trommelfell, doch ich bleibe standhaft. Als sie merken, dass es nichts bringt, werden sie lauter. Ihre Rufe kriegen diesen fordernden Ton, aus Forderungen werden geschriene Befehle und als das Kreischen meinen Kopf vollkommen einnimmt, hole ich aus und schleudere das Paket voller Hass auf den Asphalt zu meinen Füßen. Es klimpert, raschelt, dann ist es still. Sie regen sich nicht mehr.
Ich frage mich ob sie sterben.
Ein bisschen tut es mir leid. Kleinlaut hebe ich den Karton wieder auf, rubble sorgfältig den Schmutz davon ab, als könne es meinen Mord entschuldigen und ohne meine Augen davon abzuwenden gehe ich weiter und ich weine, weil es blutet. Es klebt an meinen Fingern und selbst, nachdem ich auf dem Waldboden gekniet hatte und mit bloßen Händen ein Loch hinein gegraben habe, nachdem ich das Päckchen hineingelegt und mit einer Schicht feuchten Erde bedeckt habe. Selbst dann haftet es immer noch an mir und  quetscht mir hämisch grinsend die Luftröhre zu.
Was für ein Umstand, sage ich verächtlich und schlucke schwer.
Ich verbrenne so etwas nächstes Mal.
Flammen fressen fraglos.


Anmerkung von Erdbeerkeks:

Scheiße, und jetzt verschmiert die Tinte auch noch.

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Kommentare zu diesem Text


 princess (11.12.10)
Eene, meene, miste, es plappert in der Kiste....
Luft anhalten hilft. Und verbrennen, das muss ich mir merken, vor allem:
Flammen fressen fraglos
Ein phantasievoller, ein berührender, ein toller Text.
Liebe Grüße, Ira
(Kommentar korrigiert am 11.12.2010)

 princess meinte dazu am 05.01.13:
Ich schmökere mich heute mal wieder durch deine Texte. Und hier bleibe ich hängen. Also, besonders hängen. Auch mehr als zwei Jahre später. Wie gesagt: toller Text!
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