Alleine auf einer Insel

Text zum Thema Hoffnung/Hoffnungslosigkeit

von  max.sternbauer

Er sollte bald sterben. Das wusste er natürlich noch nicht, sonst  wäre er nicht diesem Pfad gefolgt. Aber dieser war ihn aufgezwungen worden. Als  kleiner Soldat unter vielen  konnte man nur mit dem Strom schwimmen und der führte nun mal an die Front.
 
Ein Blauer Himmel hatte sich auf  das Feld verirrt und irgendwo ratterte ein  Maschinengewehr einsam als müsste es sich die  Langeweile vertreiben.
Worauf  schießen die denn, fragte er sich.
Manchmal gab es  eine Pause zwischen den  Salven.  Und er dachte schon, jetzt, jetzt hört es auf.  Aber dann begann es wieder von neuem  Die Schüsse hallten unkommentiert die Stille hinein. Nur einer achtete wirklich auf sie.
Eben jener Soldat Gerard Malraux der auf dem Boden lag.  Er versuchte sich  eine Strategie zur recht  zu schreiben, was er als nächstes machen sollte.            Ich könnte aufstehen und herum tanzen, war ich ein guter Tänzer damals.     Was soll die Vergangenheitsform?                                                                      Ich bin ein guter Tänzer.

Seine Freunde waren alle Tod und lagen in der Gegend verstreut  wie Äpfel  die von einem Baum gefallen waren. Zusammen mit anderen Männern                        von anderen  Armeen.  
Der einzige Gefährte der ihm Geblieben war, war das Stahlmonster.  
Es war nicht  aus  einem tiefen Schlund  der das Sonnenlicht verhöhnt hatte gekommen, sondern von den britischen Linien.                                                                         
Malraux Hände bohrten sich in die Erde hinein, als er sich an das Feuer erinnerte.
Alle hatten sie nach vorne gestarrt.  Auf den Feind gewartet.
Aber es war von einer anderen Richtung gekommen, dort wo sie ihre Verbündeten geglaubt hatten. Diese Arschlöcher waren auf uns losgegangen, weil sie die Stellungen verwechselt haben.                                               Granaten waren in ihren Graben eingeschlagen.
Die trockene Erde und der Pulverdampf hatten sich zu einem Nebel verschmolzen. Dort habe ich gesehen, wie dieser Fels aus Stahl auf uns gerollt kam, erzählte er sich die Geschichte noch einmal. 
Dann, was ist passiert,  fragte er sich aufgeregt  seinen eigenen Kopf, so dass keiner mehr wusste, wer mit der Erzählung angefangen hatte.
Das…das weiß ich nicht mehr.                                                                                                                                                              Nur ein Glühen von etwas, war ihn noch geblieben.
Minuten meines Lebens fehlen.  Er klappte sein Rückgrat in die Senkrechte. Seine Hände betasteten  seinen Körper mit abgehackten  Bewegungen, so dass es einer Marionette glich  die von einem wenig geschickten Meister gelenkt wurde. Er war im Schatten des Panzers.                                                             Vor ihm konnte er ein weites Feld sehen.  Seltsamerweise hatte der Krieg  hier kaum sein Antlitz gezeigt. Es glich  wirklich noch einer grünen Wiese.
Ich könnte einfach nach hause gehen.  Ja ich habe keine Lust mehr.  Dann stellte er sich vor wie er drei Schritte ging,  ein heller Pfiff die Luft teilte                          und er zu Boden  fiele.
 
Vorsichtig schob er sein Gesicht  der Kante des Fahrzeuges entgegen, bis ein Auge in die Richtung sehen konnte wo sich seine Stellung befand. Oder zumindest glaubte dass sie sich dort befand.
    
Haha da sind sie und nicht weit entfernt. Ich könnte es schaffen.              Solange die Kampfpause hier diesem Abschnitt noch anhält.
Malraux nahm  seinen Mantel und legte ihn auf die Erde. Er schaute  in seine Feldflasche. Viel war nicht mehr drinnen. Entweder trinken oder dafür verwenden. Der Boden  auf der anderen Seite des Panzers war aufgerissen, voller Krater und Trümmer. Wenn er seinen  Mantel mit Dreck bedeckte, war er  vielleicht genug getarnt um zu seiner Linie zu kommen.
Aber das war sein letztes Wasser.
Er warf den Deckel weit von sich und schüttete einen kleinen See auf dem Boden aus. Dort wälzte er seinen Mantel bis er richtig dreckig war. Dann zog er ihn über und kroch zu der Kante zurück. Mit freiem Auge konnte er sogar das Periskop sehen, ein dünnes Rohr das am Grabenrand lehnte.
Es sah aus wie ein Mann, der sich lässig gegen eine Laterne abstützte.
He, du da, richte es auf mich!
Aber das Sehrohr drehte sich nicht. Ich kann kein Signal geben, ich kann es nur versuchen. Ach verdammt!
Als er die  Entfernung so in diesem Moment noch einmal abschätzte, wurde sein Herz zu einem heftig schlagenden Eisblock.
Gut dass ich mir alles noch einmal vorkauen musste, schimpfte Malraux.
Aber du musst dich nur überwinden.                                                                   Nur wenige ängstliche Herzschläge und schon ist  das alles Erinnerung.                                                                                                                             Nur einen Schritt, es gibt zwar kein Zurück mehr, aber du wirst es schaffen.
Moment mal, ich will doch gar nicht schwimmen lernen, sondern mitten in
einem Krieg zu meiner Stellung kriechen. Verdammte Angst, wozu hat man so etwas?
 
Er machte sich so flach wie eine Scholle. So wollte er auch über den Boden schweben. Genau in diesen Moment, so zumindest hätte er es seinen Enkeln erzählt (es musste ja nicht stimmen),  sah er zum Feldperiskop hinüber.  Darauf saß eine kleine Feldmaus. Keine von diesen Monstern, die in den Gräbern die Leichen fraßen, sondern eine Maus. Eine Maus habe ich schon lange nicht mehr gesehen, oder einen Hamster oder Hasen.
Nur fette Ratten die durch den Schlamm und über seine toten Freunde krochen. Dieses kleine Tier machte ihn mehr Angst als das Stahlmonster.
Mit seinem Feldstecher beobachtete er das Tier. Zuerst Minuten.
Die wurden zu Stunden. Das Tier hockte auf dem Rohr als wäre es ein Aussichtturm. Wieso wurde die Maus nicht eingefangen. Einige Minuten hätte er sie auch da gelassen und sich an ihr sogar erfreut. Aber doch nicht so lange. Sein Blick durch den Feldstecher, wanderte die Linie der Stellung  entlang. Dann sah er einen Helm der wie ein Hügel herausragte. Mit einer Hand daneben. Beides bewegte sich nicht.
Die Stellung war aufgegeben worden. Nein, nein nein,  ihr Schweine, nein, dachte Malraux. Er kroch in den Panzer hinein  und rang nach Atem.
Brennend hob und senkte sich sein Bauch während er seine Beine umpackte.
"Scheiße", keuchte er leise in seiner Höhle, die sich  mit den Gestank der Toten langsam füllte.
 
Bei dem Angriff waren die Linien durcheinander geraten.
Malraux wusste nicht zu sagen wo seine Leute waren.
Wenn die Artillerie wieder feuerte, lag er mitten im Hagel.
Wenn die Deutschen verrückten, würde er sich nicht rechtseitig  bemerkbar machen können, ohne dass sie nicht gleich auf ihn feuerten.
Also konnte er nur darauf warten dass seine Armee bald einen Angriff startete. Würden sie ihn für einen Deserteur halten, oder für einen Deutschen?
Verdammt ich bin im Arsch.
 
Er kam aus dem Panzer wieder an das Licht.
Er konnte nirgendwo hin. Egal in welcher Richtung. Überall war der Tod.
Er glaubte sich wie auf einer Insel gefangen.
Einer Insel die ins Meer eintauchte. Malraux sah schon das tiefe blaue Wasser sich um ihn schließen. Als würde er in ein Gebirge eintauchen.
Wohin mit seiner Trauer, wohin mit seiner Wut.
Er hatte nur sich.
 
Was soll ich tun?                                                                                           Hymnen schmetternd mit geballter Faust  dem Feind entgegen marschieren.
Mit Grimm verzogenen Lippen und ihnen dann meinen Schwanz..........ach scheiß auf diesen Blödsinn.
 
Malraux nahm sich einen Bleistift und malte mit                                                 dem stumpfen Ende einen Tintenfisch in  die Erde.
Dann einen Strudel Fische dazu.
Da fiel ihm sein Urlaub ein.
Mit langsamen Bewegungen holte er einen Zettel hervor, der schief bedruckt worden     und auf dem eine schnell hin gewischte Unterschrift zu lesen war.       Sein Urlaubsschein.
17. Mai 1917. Vielleicht konnte er den Wisch ja noch eintauschen.
Lacan hatte ihn ständig genervt.                                                                                                                                                               Ja ha, ein Soldat der freiwillig seinen Fronturlaub herausrückt.
Aber was Lacan für ein Theater deswegen aufgeführt hatte.
Kaffee Zigaretten konnte er haben soviel er wollte, wenn er nur diesen Fetzen Papier bekam. Tja, in Lacans Kopf  hatten wohl Prophezeiungen ausgebrütete worden.  Denn wenn er getauscht hätte, wäre er noch hinter den Linien und Lacans Kopf noch auf dem Rumpf.
Scheiß Schrapnell.
 
"Braucht den noch jemand, dann verschenke ich ihn"!
Keine Antwort. Gut selbst Schuld.
Malraux hatte nichts zu essen. Sein letztes Wasser war weg.
Eigentlich hätte er wieder verzweifeln müssen. Probeweise fuhr er über seine geröteten noch brennenden Augen. Alles blieb drinnen. Vorerst.  
Habe ich mich mit meinem Tod abgefunden, dachte und fragte er in die Stille in sich hinein, die der umhin herum glich.
Aber dann begann sein Bauch zu zucken. Dann sein Gesicht.
Seine Mundwinkel verzogen sich als hätte er starke Schmerzen.
Er zerknüllte den Zettel und stopfte ihn in den Mund.                                     Dann brüllte er los. Sie klangen wie Todesschreie.
Waren es ja auch.
 
 
Es begann ein Wettbewerb.                                                                               Was kam zuerst, der  Hunger, der Durst?
Malraux. betete dass es der Hunger war.
Hungern konnte er, glaubte er zumindest obwohl er gar nichts konnte.
Er war überall nur das Mittelmaß gewesen. Hunger hatte er auch so noch nie kennen gelernt, außer seine Tante hatte sich mit dem Abendessen  verspätet.
Es kam der Durst.
Gott hasste ihn.  Es war noch ein milder Frühling und die Sonne schien freundlich.  Weit entfernt von sich, auf dem Feld sah er eine Feldflasche.
Keinen Flachmann oder eine Kaffeekanne, sondern eine Feldflasche Wasser.
Malraux kroch mit seinem Mantel los.
Er kam an einem Toten vorbei, dann am nächsten.
Nicht unendlich langsam, sondern exakt so schnell wie eine Schnecke war er.
Ehe es ihm recht war, stieß er mit seinem Kopf gegen einen Widerstand.
Er musste über den toten Soldaten kriechen.
Unter der Uniform konnte er Bewegungen spüren. Ratten oder Maden, die waren immer schnell bei der Sache.
Mit seinem Bauch schob er sich darüber. Als er bei der Flasche war, sah er noch was anderes. Unweit von sich liegen.
Eine Brotdose.
Malraux fluchte. Er musste ja umkehren, ehe ein Scharfschütze ihn fand.
Schweiß überströmt kroch die Raube weiter.
Die Dose bekam keine Füße und schlenderte zwei Schritte näher.
"Verdammtes Mistding".
Mit der Dose unter seinem Mantel kehrte er um.
Die Kugel traf sein Bein nicht eine Armlänge von der Deckung entfernt,
sondern mitten auf dem Feld.
Malraux riss seine Kiefer auseinander, aber stemmte sich gegen den Schrei
in seiner Kehler.
Er  rührte sich nicht.
Nein nein nein nein nein,  immer leiser wurden diese Neins in seinem Kopf.
Die Flächen zwischen ihnen größer.
Nein...Nein.. ..Nein......Nein.............Nein...............        Nein     
Als Fünf Sekunden vergangen waren traf eine Kugel einen Leichnam da  gleich links.  Irgend so ein Bastard "prüfte"   ob sich da
einer Tod stellte.
Scheiße wenn der auf meinen Schädel zielt.
Ein weiteres Geschoß sauste heran.
Schütze hin oder her, er musste weiter.
Hinter dem Panzer angelangt, riss er seine Wäsche auseinander in Streifen und band sein Bein ab.
Er keuchte und ihm war schwindlig.
Er durfte das Wasser noch nicht trinken.  Erst mal beruhigen.
Da war nicht soviel drinnen und alles austrinken auf einmal, nein den Fehler durfte er nicht machen.
Langsam schob er die Flasche über seine Brust.
Die bittere Flüssigkeit spie er sofort wieder aus.
Schnaps, in der Flasche war Schnaps.
Er wog  die Flasche. Sie war schwer, schwer von Alkohol.
Dann nahm er die Brotdose in die Hände.
Er spürte ihr Gewicht. Genau wie bei der Feldflasche vorhin.
In der Blechdose ruhte ein Wörterbuch.
Deutsch-Französisch.
Malraux sah sich einem Variete-Theater einer geifernden und johlenden Menge ausgesetzt. Fette Kerle mit Glatzen die ihn auslachten.
"Herrje ist das wirklich dein Ernst, hast du echt nichts Besseres zu tun".
Keine Antwort von da Oben. Na warum wohl.
Malraux fühlte sich auf einmal seltsam frei.
Mach dir keinen Kopf Malraux. Wenn das Feuer wieder beginnt, versuch eine
Granate zu fangen. Denk einfach nur an den blutroten Nebel.
 
 
Das Wörterbuch lag auf seinem Bauch und mit jedem Atemzug kam es in sein Blickfeld als würde es von einem sehr höflichen Kellner serviert.
Ihm traf der Funke  dem solche Leuten wie Van Gogh immer wieder begegneten.
"Die Idee ist Scheiße".
Aber  seiner Stimme nach konnte man schon merken dass er sich nur selbst überzeugen wollte und nicht aus tiefster Seele empört war.
Es war eine Möglichkeit. Eine ganze Meute von Einwenden bestürmte ihn.
Da stand alleine im Gang eine schüchterne Sache namens Hoffnung.
Gut, gut bevor du jetzt durchdrehst, brauchst du noch einen Plan. Oder zumindest so was Ähnliches. Er robbte wieder über die Erde, achtete nicht auf seine brennende Wunde.
Diesmal ging sein Blick dorthin wo er die Deutschen Linien glaubte.
Zuerst dachte er dass ihm seine Angst  die Optik verzerrte.
Nein du musst klar bleiben, mach schon.
Dann überprüfte er ein zweites Mal die Strecke.
Nicht weit, es war nicht weit.
Wenn ich direkt hin laufen könnte, aufrecht, wäre es nur Sekunden.
 
 
Mit seinen Schenkeln befühlte er wieder das Gewicht des Buches.
Malraux konnte gar nichts wirklich gut.
"Du bist ein Versager Malraux, du bist dumm".
Er sah wieder seinen Lehrer vor sich.
Groß und breit und ständig kurz angebunden.
Dann sah er seine Tante, wie ihr Lächeln über den Schulaufgaben schwebte.
"Keine dunklen Wolken in deinem Kopf Malraux, du kannst etwas anderes".
Natürlich hatte er sich schon unendlich viele Fragen in seinem Leben gestellt. Aber diese waren doch flüchtig gewesen. Zwei gehörten aber fix zu ihm, wie die Farben seiner Augen und die Form seiner Hände.
Wieso nennen mich alle nur Malraux und wieso glauben alle ich wäre dumm.
Schon gut Malraux......
 
Gut ich habe keine andere Wahl, ich muss  mich auf meinen Kopf verlassen.
Er wollte nicht gleich die ganze deutsche Sprache lernen.
Er wollte nur kurze Sätze bauen, die sofort verstanden werden konnten.
Malraux kam aus einem Dorf in der Bretagne
Die einzige Person die dort eine andere Sprache konnte war der Pfarrer. Und das war       Latein gewesen.
Er hatte noch nie mit einem Deutschen gesprochen.
Oder sich nicht auf Französisch unterhalten.
Malraux versuchte jeden Satz wie ein Gebet aufzusagen. Aber dann passte ihn wieder etwas nicht und er musste wieder von vorne anfangen.
Was er brauchte war kein Gedicht, bei zwar wunderschön war aber wie jedes Kunstwerk eben nicht perfekt.
Er wollte, er brauchte, den perfekten Satz und er fand ihn nicht.
"Nicht schießen", war natürlich sein erster Versuch gewesen.
"Ich bin ein Deutscher", war bisher sein bester.
Fand  er.
Ich bin Deutscher, sag es noch einmal. Er versuchte jeden Dialekt aus
seiner Stimme heraus zu murmeln.
Malraux wusste nicht wie ein Deutscher klang, also tat er das was ihm als logischer Schritt erschien: nicht wie ein Franzose zu klingen.
 
Als er nur noch das Beben seiner Lippen spürte, die stumm  Worte formten, explodierte eine Granate in seiner Nähe.
Malraux kroch so nah an den Panzer heran wie er konnte.
Das Wörterbuch presste er zwischen sich und das Metall des Gefährtes.
Dann als es aufhörte, wartete Malraux noch auf das Pfeifen der Offiziere in den Gräben die die Angriffe einläuteten.
Ohne zu verschnaufen, ohne unendlich erleichtert  zu sein, machte Malraux weiter.
Als sich der  Pulverdampf verabschiedete, wurde dieser von Nebel abgelöst der natürlichen Ursprunges  war.
Der dauerte sicher nicht lange und musste genutzt werden.
Sein Blick wanderte zu seinen Stiefeln, dann etwas nach links.
Seinem Soldatenrock. Seinem hellblauen Soldatenrock.
Ein Bild mit blutenden Fleischstücken, Haien und wie er hinterher sprang.
Diese Uniform konnte sein Tod sein.
Es war kein Engel der seine Gedanken dahin führte, sondern ein sadistisches Arschloch.
Malraux wusste welche Uniform er brauchte. Über diesen Kamerad war darüber gekrochen. Warum der Scharfschütze nicht ein zweites geschossen hatte, auf ihn, konnte er immer noch nicht verstehen.
Diese Frage machte es  ihm nicht gerade leichter.
Warten bis der Nebel verschwunden war, konnte er nicht. Aber auch nicht
blind darin herumkriechen?
Zitternd kam er hinter dem Panzer  hervor. Als er zwei Längen seines Körpers in den Nebel gestreckt hatte, fand er  etwas Interessantes.
Ein Bachbett was ihm vorher nicht aufgefallen war.                                          Und dieses führte direkt zu dem Toten.
Mit erstarrter Miene richtete er seine Pistole. Irgendwann läufst du vor meine Mündung. Der Tote war nicht schwer.
Er wollte sich nicht vorstellen, was unter dem Stoff vor sich ging.
Aber er musste es sehen, weil er  die Knöpfe der Uniform öffnen musste.
Als er seine Arme in die Ärmel der Jacke hineinstreckte, fühlte sie sich an wie eine kalte Fischhaut.
Im Soldatenbrief fand er auch einen Namen.
Gefreiter Erich Worbel.                                                                                                                                                                   Vorsichtig murmelte Malraux die  Worte nach, als wären sie aus Staub.
Mitten als er den Satz wiederholte, ging er in den Nebel los.
Als er eine Weile durch das Niemandsland gestolpert war, fand ihn eine Deutsche Patrouille.
Malraux brüllte nicht einen Satz, sondern gleich alle.
"Nicht Schiessen". "Ich bin Gefreiter Wrobel".
Sie blieben stehen. Malraux auch. Kommt näher, bleibt nicht stehen, Bastarde. Doch die Schatten im Nebel blieben stehen.
"Komm langsam näher", wurde ihm zugerufen. Malraux  ging einfach los.
Jeder Soldat hatte sich auf den Boden gekauert und eine Waffe auf ihn gerichtet. Genau so musste es passieren, aber Malraux hatte sich doch etwas anderes erhofft.
"Name", wurde er noch einmal gefragt.
Name, das Wort hatte er sich eingeprägt.
"Gefreiter Erich Wrobel", antwortete Malraux ruhig.
Man warf sich Blicke zu.
"Hast nochmal Glück gehabt, einer von uns hat deinen Schatten von weitem
gesehen und hätte dich beinahe abgeknallt. Lass die Hände sinken Kamerad.“
Malraux reagierte erst, als die Mündungen der Gewehre  langsam Richtung Erdboden wiesen und ihm jemand zuwinkte.
Dann umringten ihn  die Deutschen, schlugen Ihn auf die Schulter und wünschten ihm Glück.
Malraux nickte zu allen Fragen und lächelte breit.
Geht los verdammt nochmal, bleibt nicht am Ort gepflanzt wie Pilze.
Dann zeigte jemand nach vorne und es begann der Aufbruch.
Nur in diese verdammte Stellung, dann wäre ich Gefangener.
Einer der Soldaten überholte Malraux. Er wechselte die Seite an der er sein Gewehr trug und fragte ihn etwas.
"Kann ich deinen Soldatenbrief haben, dann gebe ich es gleich dem Offizier".
Malraux Herz wusste nicht ob es rasen oder stillstehen sollte.
Er starrte auf die Hand die seinen Ausweis wollte.
Aber dann wurde diese beiseite geschoben.
"Lass mal, erst muss unser Freund aus seinem stinkenden Fetzen heraus".
Malraux wurde angegrinst, worauf er diese Geste erwiderte.
Dann blieb der Soldat wieder stehen.
"Wartet".
Malraux fühlte wieder einen Bach kalter Angst über sich fließen.
Doch der Soldat reichte ihm eine Feldflasche.
Dann gaben ihm die anderen noch Brot, Schnaps und sogar Schokolade.
Blind nahm er alles in einem Rausch aus Dankbarkeit.
Er fühlte sich gerettet, achtete nicht mehr auf die Welt.
Malraux hörte nicht wie ein Deutscher neben ihm schrie, obwohl sein Trommelfell davon brannte.
Die Sachen hatte er in seinen Mantel gestopft und dabei seine hellblaue
Uniform gezeigt.
Wäre das Geschoß nicht in ihrer Mitte explodiert, hätten Sie alle auf Malraux geschossen.
Das war der letzte Gedanke eines jeden Deutschen Soldaten.
Malraux aber waren diese: es hat geklappt. Ich bin gerettet.
Ich bin raus aus der Scheiße.


Anmerkung von max.sternbauer:

Ein Soldat kämpft im ersten Weltkrieg nicht gegen eine feindliche Armee, sondern um sein Leben

Hinweis: Du kannst diesen Text leider nicht kommentieren, da der Verfasser keine Kommentare von nicht angemeldeten Nutzern erlaubt.

Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram