Die verlassene Ikone

Gedicht

von  Georg Maria Wilke

Die Worte der Gebete
sind vergessen.
Schweigen füllt das Herz.
Dunkel glänzt Ikonengold,
reiht Bild an Bild -
erzählt von Marter
und von Liebe.
Der Feuerwagen,
der über den Himmel rollt,
rot gespannte Rosse
fliehen wolkenwärts,
flüchtig vor dem Schmerz
der Erde.

Ein Seraph,
sein Flügelkleid
birgt tausend Augen,
schweigt mit glühend Schwert
am Bildesrand
und fordernd strebt die blasse Hand
dem Wolkenschiff entgegen,
von Patriarchen voll besetzt,
beschwört das heil´ge Leben,
von klagenden Tränen reich benetzt,
der Lebensbaum,
der keine goldnen Früchte trägt.
Der bleiche Leib,
in eine dunkle Gruft gelegt,
bevor der Ruf ihn weckte
und aus dem weißen Linnen
sich nach dem neuen Leben reckte.

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Kommentare zu diesem Text

chichi† (80)
(17.08.11)
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 Irma (17.08.11)
Ein kleiner Schatz, der einen beim Besuch des Gotteshauses völlig in den Bann zieht. Man richtet seinen Blick ehrfürchtig auf dieses Bild, das dort unbeachtet im Schatten hängt, folgt schweigend der Geschichte, die es erzählt.

Bekannte biblische Bilder, die zugleich auch die eigene Geschichte wieder ans Licht holen: die Liebe, den Schmerz. Schweigende Klage gegen Gott. Die Worte der Gebete sind vergessen. Der Engel blickt gen Himmel, fordernd, beschwörend. Verlassenes Ich in Erwartung des versprochenen neuen Lebens. Hoffnung auf Erfüllung, in ferner Zeit. Von Dir, lieber Georg, in wirklich beeindruckender Weise in Worte gemalt!

LG BirmchenIrmchen (P. S. Hattest Du ein dabei ein konkretes Bild vor Augen, und wenn ja, welches?)

(Kommentar korrigiert am 17.08.2011)
(Kommentar korrigiert am 17.08.2011)
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