Hinter deinen Augen - Teil 1

Kurzgeschichte zum Thema Leben/Tod

von  MrDurden

Dunkelheit. Nur zögerlich vom silbernen Licht des Vollmondes durchbrochen. Hämmernde Kopfschmerzen. Kalter Stahl auf meiner Haut. Handschellen, die mich an das Lenkrad meines roten 71er Ford Mustang ketten. Blitzartig öffnen sich meine Augen und ich komme zu Bewusstsein. Der Wagen ist in Bewegung, das Steuer mit einer Kette fixiert. Ein Radkreuz, das durch den Boden des Fußraums gerammt wurde und das Gaspedal nach unten drückt. Ich gerate in Panik, versuche mich vergeblich zu befreien und trete hektisch das Bremspedal. Die Schläuche scheinen gekappt zu sein. Warme, rote Tropfen fließen aus meiner rechten Schläfe meine Wange hinunter und ruinieren das weiße Hemd und den Smoking. Warum trage ich einen Smoking? Niemals könnte ich mir so etwas teures leisten. Langsam erkenne ich einige Gebäude, die an mir vorbeirauschen. Southwest End Street. Ich bin in Delray aber wie komme ich hier her und warum kann ich mich an nichts erinnern?

Der Wagen wird schneller und steuert geradewegs auf den alten Holzzaun am Ende der Straße zu. Verzweifelt rufe ich um Hilfe, doch niemand ist um diese Zeit mehr auf den Straßen dieses verschlafenen Stadtteils von Detroit unterwegs. Nicht einmal die Straßenlaternen sind eingeschaltet, ganz zu schweigen von den Autoscheinwerfern. Nur das zaghafte Mondlicht macht Umrisse meiner unfreiwilligen Fahrbahn erkennbar. Erst jetzt bemerke ich, dass alle vier Fenster meines Mustangs einen Spalt breit nach unten gekurbelt sind. Auf dem Beifahrersitz ein Aluminiumkoffer. Direkt daneben der Schlüssel eines Luxusautos. Sogar in dieser surrealen Situation erkenne ich das Modell auf der Stelle. Ford Mustang Shelby GT 500, der Wagen meiner Träume. Fragen überschlagen sich in meinem dröhnenden Kopf, Blut rinnt über den Stahl an meinen aufgeschürften Handgelenken und ich versuche, mich schützend hinter das Lenkrad zu kauern.

Berstendes Holz, quietschende Achsen, ein dumpfer Schlag und ich komme vom Asphalt der Soutwest End Street ab. Mit mir als paralysierter Passagier rast mein alter Mustang einen steinigen Hang hinunter in Richtung Klippe und Detroit River. Kein Ausweg, kein Grund zu kämpfen, das bedeutet wohl mein Ende. Heftig schnaufend presse ich meinen Hinterkopf in die Sitzlehne und klammere mich verängstigt an das Lenkrad. Freier Fall. Kein Geräusch. Nur das dumpfe Röhren des Motors. Kerzengerade schlägt das Auto auf die Wasseroberfläche. Der Aufprall schleudert mich gegen die Windschutzscheibe, die sofort an mehreren Stellen springt. Und langsam schwankt der Mustang in seine Waagerechte.

Eiskaltes Flusswasser strömt durch die geöffneten Fenster, flutet den Fußraum und wandert langsam meine Beine hinauf. Vor mir nur finsteres Gewässer. Mein Herz rast, mein Atem überschlägt sich, Todesangst, gepeitscht von Adrenalinschüben, die meinen Brustkorb durchfahren. Obwohl kaum etwas zu erkennen ist blicke ich hektisch um mich. So kann es nicht enden. Ich kann Allie nicht im Stich lassen. Allie, natürlich, meine Alice. Schlagartig kehrt die Erinnerung an meine Freundin zurück. Die Erinnerung an ihr schulterlanges, schwarzes Haar und ihre Stimme. Allie, irgendetwas sagt mir, dass sie der Grund für all das hier ist.

Dunkelheit. Nur zögerlich vom silbernen Licht des Vollmondes durchbrochen. Vor mir der Tod und hinter mir blasse Erinnerungen an unser Zuhause in Delray. Und in Gedanken gehe ich rückwärts.

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Kommentare zu diesem Text

Schwalbenmädchen (23)
(13.02.12)
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 MrDurden meinte dazu am 13.02.12:
Danke fürs Lesen Brina! Freut mich, dass es dir gefällt. Wünsch dir noch einen schönen Abend! Grüße, David.
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