Kein Bussi-Bussi im und neben dem Bus

Bild zum Thema Alles und Nichts...

von  Fuchsiberlin

Ich laufe in einer kühlen Septembernacht durch meinen Kiez. Ein umgehängter Rucksack umklammert meine Einsamkeit. An einer Haltestelle steht ein Bus, als ob er auf mich gewartet hätte. Dieser wirkt wie ein fahrender und verlassener Laufsteg ohne Models. Ich steige ein, löse beim Fahrer ein Ticket. Als mich der emotionale Kompass in meinem Rucksack auf einen Fensterplatz setzen lässt, entdecke ich schräg gegenüber den einzigen Mitfahrer in dieser Nacht. Ein Mann, und es hat den Anschein, als ob er den ganzen Tag in diesem Bus fährt, von Anfang bis zum Ende, vom Ziel bis zum Start.

Der Bus fährt noch immer nicht los. Zittrige Hände meines Gegenübers umfassen eine leere Flasche. Leergut, doch was bedeutet für ihn gut und leer?

Nach einer gefühlten Stunde, setzt sich die Transportmaschine auf vier Rädern in Bewegung. Die kalten Kunstlichter der Stadt spiegeln an den Scheiben den grauen Asphalt. Dazwischen entdecke ich mein Gesicht, dem das Make-up fehlt. An der nächsten Haltestelle liegt ein Mensch am Kaufhauseingang. Seine Gegenwart steht auf dem Boden geschrieben. Er sah einst eine Zukunft, der Glaube daran schlummert nun mit ihm vor dieser Haltestelle. Doch der Bus hält hier nicht.

Große Visionen stecken in den Giganten des Betons, Haus an Haus, und der Mensch wirkt manchmal wie ein Zwerg vor diesen eckigen Steinbergen. Die kleinen und großen Zweibeiner streben den Gewinn an. Der Unterschied besteht im Sinn und der Geburt von Helden. Verluste können nicht verkauft werden, nicht einmal als Sonderangebot. Diese werden ins Abseits gedrängt oder eliminiert.

Aus einem Bürogebäude erscheint eine Gestalt im Dress des Leichenübergehers. Dieser wünscht sich ein Denkmal, sein Ego investiert dafür alles. Die Liebe und die Freundschaft meiden ihn. Dies verstärkt seine geistige und Ich-bezogene emotionale Faust.

Eine Station vor der Endhaltestelle verlasse ich den Bus. Wo endet eine Flucht? Wovor flüchtet man? Ein „man“, in dem sich manchmal das Wort "Ich", "du" oder "wir" versteckt. Ich suche vielleicht einen Sinn, und fast jede Reise bestätigt eine Sucht. Das zu Hause befindet sich nicht immer an einer Haltestelle, oder in einem Bus. Fremd erscheint manch ein Ort, und kann dennoch ein zu Hause ohne Dach bedeuten.

Zu spät fällt mir auf, dass ich den Rucksack meiner Träume im Bus vergaß. Nun gut, das Kaufhaus öffnet am nächsten Tag um 9:30 Uhr. Dort könnte ich mir einen neuen Rucksack zulegen, doch will ich designte Träume? Nein.

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Kommentare zu diesem Text

Nimbus (37)
(24.09.12)
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 Fuchsiberlin meinte dazu am 25.09.12:
Hallio Heike,

ja, da stimme ich Dir zu. Doch designte Träume helfen, dauerhaft betrachtet, nicht.

Lg
Jörg
chichi† (80)
(24.09.12)
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 Fuchsiberlin antwortete darauf am 25.09.12:
Ich danke Dir sehr Gerda.

Lg
Jörg

 Lluviagata (24.09.12)
Anrührend, ja, und Fragen stellend, die ein Jeder für sich selbst beantworten kann und muss.
Sehr gut geschrieben. Lediglich - das Zuhause - würde ich so oder so - zu Hause - schreiben und die geklammerten Wörter weg lassen. ;)
Llu ♥

 Fuchsiberlin schrieb daraufhin am 25.09.12:
Ich denke da so wie Du. Ein jeder kann Fragen nur für sich selbst stellen und beantworten.

Oh, das werde ich gleich korrigieren, bez. des "Zuhause" und Deinen Verbesseruungsvorschlag bez. des Wegglassens der geklammerten Worte, ja der gefällt mir.

Lg
Jörg
fragilfluegelig (49)
(24.09.12)
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 Fuchsiberlin äußerte darauf am 25.09.12:
Hallio,

ich weiß gar nicht so genau, was ich zu Deinem Kommentar antworten kann, außer: Du hast genau das herausgelesen, was ich in diesem Text an gefühltem und gedachtem Inhalt setzte.

LG

Jörg
Steyk (61)
(24.09.12)
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 Fuchsiberlin ergänzte dazu am 25.09.12:
Ja..., genau so verhält es sich, Stefan.

Lg
Jörg
ichbinelvis1951 (64)
(24.09.12)
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 Fuchsiberlin meinte dazu am 25.09.12:
Eine sehr gute Frage Klaus. Ich denke, dieser ist nicht ersetzbar, sondern höchstens neu zu erschaffen.

Lg
Jörg

 EkkehartMittelberg (24.09.12)
Ein illusionsloser Text. Mancher fährt ohne Perspektive (Leergut) im Kreise. Allen Ernstes: Ein Obdachloser kann in so einem Bus, ohne zu erfrieren, die Nacht überleben.
LG
Ekki
MarieM (55) meinte dazu am 24.09.12:
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 Fuchsiberlin meinte dazu am 25.09.12:
Hallio Ekki,

doch man verwehrt ihm den Eintritt. Ich stimme in dem Sinn MarieMs tiefsinnigen Kommentar zu.

Lg
Jörg
MarieM (55)
(24.09.12)
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 Fuchsiberlin meinte dazu am 25.09.12:
Hallio Marie,

bez. des Singledaseins beschreibst Du sehr gut, wie es auch bezüglich Träumen und Sehnsüchten ausschaut. Manchmal mangelt es vielleicht am Mut, oder das Selbstvertrauen fehlt oder/und eine zu große Angst, vor was auch immer, beherrscht den Einzelnen in diesem Bereich des Lebens. Ich glaube nicht daran, dass diese Vereinzelung mehrheitlich gewollt ist. Manchmal steht ein Mensch sich selbst im Weg, durch negative Erfahrungen, die den Mut nahmen, und das Selbstvertrauen erschütterten. Und auch die Manipulation von außen kann durchaus hierbei eine gewichtige Rolle spielen. Wer schöpft hieraus einen Gewinn? Eine Frage, die ich so auch nicht beantworten kann. Jed6ch, wer hieraus einen Gewinn schöpft, fehlt diesem dann nicht die Empathie?

Ich danke Dir sehr für Deine tiefsinnigen Gedanken!

Lg
Jörg

 FloravonBistram (26.09.12)
Sich drehende Gedanken um das Jetzt und vielleicht, Warum und Wohin. In Hoffnung eingebettete analytische Gleichgültigkeit.
Gerade darum anrührend hinweisend

 Fuchsiberlin meinte dazu am 26.09.12:
Mit wenigen Worten drückst Du sehr viel aus. In diesen steckt viel an tiefsinnigem Inhalt, und dafür danke ich Dir sehr.

Lg
Jörg
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