Epiphanie

Text

von  beneelim

Schlag deinen Kragen hoch. Wenn nicht der Schnee kommt, so wird doch irgendetwas vom Himmel fallen. Wo sie hinter dir singen, vom geschuldeten Untergang, da träumen die andern vom Aufgang eines Neuen, das weit genug ist, ihre Stimmen zu tragen. Und der Bub, kaum dass er aus der Wiege gefallen, kniet am Holzscheit, schält Kartoffeln und verschiebt seine Tränen bis zur einsamen Nacht, während die Mutter sich die Hände wund betet am dornenreichen Rosenkranz. Aus Assisi und er, der für uns Blut geschwitzt hat. Der das schwere Kreuz getragen hat. Die wertlose Brut wankt am Scheit und die Mutter zückt ihren Riemen. Wir singen zu Jesu Geburt und in der Christnacht sprechen die Tiere im Stall. Schleich dich hinaus in die Schneemondnacht, schluck drei Krumen von Weihrauch, schlag den glosenden Tannenzweig gegen die Schwelle und lauf. In den Stall, auf die Weide, zu den Geschichten. Was du hörst, von jenen Tagen, als Kaiser Augustus den Befehl erlassen hat, und das heilige Paar ohne Obdach. Der Herr ist mein Hirte. Der Herr ist ein Hirte, und er lebt und er wirkt in seiner Kirche. Die Glut verliert an Atem und der Riemen schneidet durch verbetete Luft und durch Haut.

Mit viel Kerzen und Holzschmuck ist der Christbaum verziert, der Vater liest die Weihnachtsbotschaft und die Mutter hebt an zur Stillen Nacht, der Bub senkt den Kopf und summt. Schlag den Kragen höher, bedecke deine Ohren, hier gibt es nichts, was du nicht schon einmal gehört hättest, und du greifst zu den gebratenen Mandeln, bis die Tage gezählt sind. Erzählt sind. Dann, als alle einander beschenkt haben, mit Küchengerät und Wintergewand und einem Paar Stiefel für die Stallarbeit, nimmt der Vater die Mutter unter dem geschnitzten Kruzifix, der Bub ist schon lange im Bett. Stille Nacht. Da träumt er sich vorwärts, durch drängelndes Leben, da findet er Halt, und da gleitet er ab. Und wieder. Und erneut, und du streifst dir den Kragen zu Recht, weil ein Wind aufkommt. Dein Schritt geht achtlos über einen Tannenzweig, der Riemen zieht eine blutende Spur, und heute, nur heute, ist der Heiland geboren.

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Kommentare zu diesem Text


 Georg Maria Wilke (23.12.12)
Mit der Epiphanie ist eigentlich das Dreikönigsfest bezeichnet und kommt erst im Januar - der Text und die Aussage sind aber trotzdem mehr als passend - ein nachdenklich machender Text und sehr gut beschrieben.
Liebe Grüße und ein fohes Fest der Liebe und des Lichts, Georg

 beneelim meinte dazu am 23.12.12:
Ja, ich überlegte noch, ob ich diesen Titel wählen soll, bezog mich dann auf die allgemeinere Wortbedeutung. Dank und schöne Feiertage!

 Songline (23.12.12)
Ein sehr guter, weil stiller und doch eindringlicher Weihnachtstext.
Liebe Grüße
Song
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