Geduld

Skizze zum Thema Geduld/Ungeduld

von  blauefrau

Der Geburtstag meiner Patentante stand bevor, und ich wollte ihr daher etwas schenken. Ich fertigte eine Glasscheibe an, die ich mit schwarzer Farbe bemalte. Aus dieser Farbe kratzte ich mit einer Nadel einen Baum, Blüten, Blätter, einen Vogel, Gräser. Aus einer schwarzen Fläche hatte ich schließlich einen ziselierten Urwald herausgearbeitet, an mehreren Nachmittagen, in einer Reihe von Stunden. Ich hatte diese Arbeit in selbstverpflichtender Dankbarkeit erledigt und freute mich schon auf ein begeistertes Dankeschön. Damit sich die Muster nicht verwischten, klebte ich noch eine zweite Glasplatte gegen die erste. Dieses Kunstwerk packte ich in hübsches Geschenkpapier ein. Meine Tante würde ich an ihrem Geburtstag nicht sehen, daher gab ich mein Geschenk einer weiteren Tante zur Überbringung mit. Von meiner Patentante hörte ich nichts, allerdings sah ich einige Tage später die Tante wieder, die das Geschenk übergeben sollte. Sie teilte mir mit betroffener Stimme und tiefer gelegtem Blick mit, dass sie mein Geschenk auf ihrem Wohnzimmerschrank zwischengelagert habe, dieses aber nun zersplittert sei. Warum genau, könne sie sich auch nicht erklären. Ich nickte und schwieg. Ab dieser Stunde stellte ich an mir einen unbestimmten Groll fest, der immer tiefer dröhnte, je länger ich über diese Mitteilung nachdachte. Aus dem Groll wurde Zorn, den ich über diese Tante empfand. Es vergingen Jahre, in denen ich über die Achtlosigkeit dieser Tante zürnte, bis ich sie nicht mehr unter dem Aspekt ihrer schwerwiegenden Schuld wahrnahm.

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Kommentare zu diesem Text


 AZU20 (23.02.13)
Das kann man gut nachvollziehen. LG
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