Fluch der Karibik 6.0

Gedicht zum Thema Abenteuer

von  Isaban

Montbretien glühn wie tausend Feuer
und an der Hauswand flammen die Gladiolen,
die Katze wird die jungen Drosseln holen.
Das Haus steht leer, ein Haus der Abenteuer,

im Sommer hört man dort Piraten johlen.
Sie kämpfen gegen Meeresungeheuer,
Tyrannen und die Geister ungetreuer
Gefährten mittels hölzerner Pistolen,

entführen kichernd und verstohlen
Prinzessinnen und rennen wie die Fohlen
nach Hause, wenn die Abendglocke schlägt.

Die Zeit lockt sie ins Reich der Spielkonsolen,
der Bildschirmkämpfer und der Wiederkäuer,
wo alles größer ist und blutiger und neuer

und wo ein Kind sich nur per Pad bewegt.

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Kommentare zu diesem Text


 Lluviagata (03.08.13)
Obercool!

Die Zeit, ja. Oft bin ich selbst immer noch erstaunt über die rasante Entwicklung der Technik in den letzten paar Jahren. Und da nützt es auch nicht, in das Mantra zum Beispiel meiner Eltern einzustimmen, dass sie/wir das nicht hatten, dass sie/wir noch in Bücher geschaut haben und wahre Heldinnen und Helden sein wollten. Nein. Ich tu dies nicht, mime ja selbst gern den Ego Shooter. ;)

Leise Wehmut vermeine ich zu vernehmen, Sehnsucht nach der eigenen Kindheit und nach dem Wunsch, dass es doch das eine oder andere Kind dieser schnelllebigen Zeit zurück fände in die Welt der Bücher.
Ein Sonett mit wechselnden Reimformen, das das Hin- und Hergerissensein des Erzählers veranschaulichen soll.
Oder das der Kinder ....

Liebe Grüße
Llu ♥
ChrisJ. (44)
(03.08.13)
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 Irma (06.08.13)
Mir gefällt hier das lange Festhalten am Spielmuster des traditionellen Sonetts, das erst mit der zweiten Zeile des zweiten Terzetts durchbrochen wird. Etwas, das seit Jahrhunderten Bestand hat, wird mit einem Mal verändert, wird plötzlich „größer“ (zusätzliche Hebung in Z14), wird „neuer“ (durch den neuen Reim und einen fünfzehnten Vers) und „blutiger“ (Abspaltung des letzten Verses). Das gemeinsame Tobespiel von einst ist dem Alleinspiel gewichen, das zur Bewegungslosigkeit und Vereinsamung der Kinder führt (gut veranschaulicht durch die Abtrennung des letzten Verses, wo das „ein Kind“ plötzlich allein steht).

Der Zeitenwandel wird auch durch den veränderten Wortschatz veranschaulicht: romantischer Anhauch im ersten Teil (Montbretien glühn wie tausend Feuer, flammende Gladiolen, enführen kichernd und verstohlen, rennen wie die Fohlen, Abendglocke schlägt) versus neuzeitliche Sprache (Spielkonsolen, Bildschirmkämpfer, Pad) im Folgeteil. Der dritte Vers (die Katze wird die jungen Drosseln holen) überträgt sich in seiner Aussage auf die Kinder, die unweigerlich diesem neuen Spiel anheimfallen, quasi wehrlos dieser neuen Zeit (Katze) ausgeliefert sind. Das leere Haus der Abenteuer erscheint wie ein leeres Vogelnest, das einen wehmütig an das Leben zurückdenken lässt, das dort einmal geherrscht hat und nun unwiederbringlich verloren ist (so wie die heimlich zusammen mit den Prinzessinnen geraubte Hebung in Z9).

Zur Unterstreichung der Aussage hätte ich eventuell Z5 bis Z11 in die Vergangenheitsform gesetzt. Das erscheint zunächst problemlos möglich, scheitert dann aber am „schlägt“. Andererseits könnte man den „Sommer“ natürlich auch als Phase der frühen Kindheit lesen, die noch wild und natürlich ausgelebt wird, bis bei den Jugendlichen irgendwann der Computer Einzug ins Kinderzimmer hält. In diesem Fall laufen beide Ebenen zeitlich parallel ab: draußen spielen die Kleinen Katz und Maus, drinnen die Großen am Mouse-Pad. Wobei die Katze als Symbol für die verlorene Kindheit steht, die immer wieder neu aufgelegt und upgedatet wird.

Ein schönes Neuzeit-Sonett, gern gelesen. LG Irma
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