Wegwarten wiegen ihr wolkiges Blau

Gedicht zum Thema Abenteuer

von  Isaban

Wolfsmilch und Natternkopf säumen Asphalt,
vielfarbig winken Lupinen.
Hinter den Steinbrüchen lauert der Wald.
Dort sieht man noch die Ruinen

des Dorfes, das in den Moosen versank.
Hallimasch wächst da und Bienen
sirren um Nesseln. Verkrüppelt und krank
krümmen sich Birken. An Ihnen

schießen die Porlinge milchweiß ins Licht,
das sich an Tropfen im Spinnennetz bricht.
Rau ist die Rinde, das Licht ungenau,

bis es ganz plötzlich im Augapfel sticht.
Gibt es dort Vögel, so hört man sie nicht,
einzig Entrindungsmaschinen,

aber man munkelt, des Waldhüters Frau
sei letztlich mehrmals erschienen.

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Kommentare zu diesem Text


 larala (04.08.13)
Ein wahres Abenteuer! Ich war unterwegs, in Steinbruch und Ruinen, zwischen den Düften und Farben der Pflanzen und dem Sirren der Insekten. Kann ich da bleiben, bis es Abend wird und mir so schön gruselt und mir vielleicht auch des Waldhüters Frau erscheint? Ich hab mich verliebt in dein Gedicht! :)
(Kommentar korrigiert am 04.08.2013)

 Isaban meinte dazu am 04.08.13:
Ab und zu klopft ein Specht und der Kuckuck ruft verzweifelt immer wieder nach seiner verlorengegangenen Familie, Heupferde und Kreuzspinnen kreuzen deinen Weg und das Kraut Rührmichnichtan springt dir ins Gesicht und wenn du dich ins Sternmoos setzt und in die stille Schönheit der Trameten versenkst, beweisen dir die gemeinen roten Waldameisen, dass du noch am Leben bist. Die schaffen es nämlich, dass man sich auf wundersam beweisträchtige Weise gründlich spürt, selbst wenn man vorher nicht genau wusste, wer man ist und wo man steckt. Und mal ganz nebenher: Wenn du wirklich da bleibst, werden sie demnächst vielleicht von dir munkeln.

 larala antwortete darauf am 04.08.13:
Haha, danke fürs Entführen! Und: Ja, ich will! ;)

 Songline schrieb daraufhin am 04.08.13:
Ich hab mich leise lesend von Euch mit entführen lassen. Schön war's.
Liebe Grüße
Song

 Isaban äußerte darauf am 05.08.13:
@ Song: Danke sehr, das freut mich!
Liebe Grüße

Sabine

 franky (04.08.13)
Wo Katzen flink die Grillen fangen
und Krähen kalt die Nester rauben,
kann niemand es so richtig glauben,
ruhen unter Randgebüsch die Schlangen.

Oh liebe Sabine, die Natur kann schön und grausam sein.
Dein Gedicht zeigt die Herrlichkeit der Natur mit spielerisch gesetzten Reimen.
War gerne bei dir zu Gast.

Liebe Grüße

Von Franky

 Isaban ergänzte dazu am 05.08.13:
Schön, dass es dir gefällt, Franky!

Liebe Grüße

Sabine
ChrisJ. (44)
(04.08.13)
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 Isaban meinte dazu am 05.08.13:
Kennst du Wegwarten, John? Die haben ein Blau, das man ansonsten nur schwer beschreiben kann. Ein Blau, wie ein sanft wolkiger Julihimmel.

 Lluviagata (04.08.13)
Tolle Naturbeobachtungen, Sabine! Wie immer gut gereimt, mit Hintersinn, denke ich - des Dorfes als Jambus unter Trochäen - fällt für mich aus dem Rahmen. Ansonsten fällt mir deine Naturliebe und der Hang zu Geheimnisvollem wohltuend ins Auge.

Liebe Grüße
Llu ♥
(Kommentar korrigiert am 04.08.2013)

 Isaban meinte dazu am 05.08.13:
Nee, Schatzi, der Text besteht durchgehend aus Daktylen, auch - und ganz besonders der eben genannte Vers. In eben diesem habe ich allerdings das Dorf versinken/untergehen lassen, das "des" steht an betonter Stelle, "Dorfes" versinkt an unbetonter, ein kleines Metrik-Verbrechen, weil eigentlich jedes Nomen mindestens eine betonte Silbe haben sollte. Es sollte aus dem Rahmen fallen, liebe Llu, hier sollte ganz einfach der Inhalt stilistisch unterstrichen werden - ein winziges Schmankerl für die Liebhaber der Stilmittel, die sich mit mir über solche Tüfteleien freuen können.

Ich freu mich, dass du den kleinen Waldspaziergang mit mir machen mochtest. Hab lieben Dank für deine Rückmeldung.

Herzliche Grüße
Sabine

 Matthias_B (04.08.13)
Folgende Stilmittel sind klar und nachvollziehbar eingesetzt worden: Akkumulation (VZ 1+2), Metonymie (VZ 1), Pleonasmus (Titel, VZ 2, 7), Personifikation (Titel, VZ 2, 3, 7+8), Enjambement (VZ 4, 6, 7, 8, vorletzte VZ), Metapher (VZ 5, 9, 12), Parallelismus (VZ 6/7), Assonanz (VZ 6+7, 11, 13), (Wortspiel (?)("schießen" die Pilze mit dem Sporenpulver?) (VZ 9)), Tautologie (VZ 9), ergatives Passiv (VZ 10), Alliteration (Titel, VZ 11), Wiederholung (VZ 9 +11, 4+13), Syllepse (VZ 11), Antithese (VZ 11 vs. 13, VZ 14 vs. die letzten beiden), Hyperbel (VZ 12), Prolepsis (VZ 13), Nachtrag (VZ 14), Inversion (VZ 15), Allusion (VZ 15).
Der Inhalt ist durchdacht strukturiert worden (Naturbild im Großen - Ü- Reste des Dorfes, der zivilisatorischen Bemühung, die Natur zu kultivieren, in Kontrast zur Renaturierung - Ü - Naturbild im Kleinen - wirksamer Einbruch der Technik in Wald und Flur - Naturmystik als Gegengewicht); die Komposition zu einer lediglich aufzählenden Aneinanderreihung namentlich bezeichneter Gewächse geraten zu lassen bzw. die beschreibenden Elemente vorwalten zu lassen, ist in den Strophen, in welchen das Naturreich das Übergewicht besitzt, durch die Verwendung der stilistischen Mittel - hauptsächlich der Personifikationen - erfolgreich vermieden worden. Insgesamt ist ein Bild der Simultaneität einer (wieder) wuchernden Flora und eines v.a. anhand des Beispiels der Bearbeitung abgeholzter Stämme verdeutlichten Eingriffs in jene gezeichnet worden, sodass Naturraum (erste, dritte, fünfte S) und Urbarmachung bzw. Kultivierung (zweite (wobei jene nicht (mehr) dominant erscheint) und vierte S) überzeugend gegenübergestellt worden sind, wobei Mutter Natur die Prävalenz verliehen bekommen hat. Der Abschluss des Gedichts als im Hinblick auf die Strukturierung des Werkes erklärbarer Versuch, dem bisher Geschilderten zudem noch eine Art verschmitzte Wendung zu geben, ist schwach geraten, weil er einen hinsichtlich Formulierung und Inhalt wenig einfallsreichen und altbackenen Appendix darstellt.

 Isaban meinte dazu am 05.08.13:
Hallo Matthias,

ein herrlicher Kommentar!

Zu den Pilzen: Nein, die Porlinge schießen nicht mit Sporen, das machen eher Stäublinge. Birkenporlinge wachsen parasitär auf Birken, die übrigens als Pionierbäume gelten, vorzugsweise auf beschädigten, kranken, alten oder toten Bäumen. Birken sind schnellwachsende Laubbäume, die sich gern auf freien Flächen ansiedeln. Man kann sie, wegen der geringen Tragkraft des Holzes, zwar für Möbel, nicht aber für den (Haus-) Bau verwenden. Wo sie von Birkenporlingen befallen sind, bildet sich starke Braunfäule, die den Baum zersetzt, das Holz wird brüchig und verfärbt sich dunkel.
Das Myzel der Porlinge bewirkt, dass die Rinde der Birke aufbricht - zu Deutsch: Wo Birkenporlinge auftauchen, sterben Birken, ihr Holz wird binnen weniger Monate (bestenfalls wenige Jahre) zersetzt, die Natur räumt sich selbst auf. Nebenbei sind Birkenporlinge Heilpilze, sie enthalten z.B. antibakterielle und entzündungshemmende Wirkstoffe und wurden schon seit Ötzis Zeiten als Wundverbands- und Heilmittel verwendet. Sie sind essbar, aber aufgrund ihrer Bitterkeit ungenießbar. Man kann sie zermahlen und als Tee zu sich nehmen oder als Wundverband auflegen, sie finden sogar als Heilmittel in der Krebstherapie Verwendung. Sie bilden ab Juli bis November neue (relativ schnell wachsende, daher das Verb "schießen") Fruchtkörper, die bis zu 30 cm lang und 7 cm dick werden können.
Zu deinem Kritikpunkt
Der Abschluss des Gedichts als im Hinblick auf die Strukturierung des Werkes erklärbarer Versuch, dem bisher Geschilderten zudem noch eine Art verschmitzte Wendung zu geben, ist schwach geraten, weil er einen hinsichtlich Formulierung und Inhalt wenig einfallsreichen und altbackenen Appendix darstellt.

Schade, dass dir der Schluss nicht gefällt. Hier sollte noch einmal mehrschneidig die mystische Stimmung aufgegriffen werden, zum Einen natürlich das (sanft) Unheimliche, das solche Orte umgibt, zum Anderen die seltsame Anziehungskraft, die jene auf uns haben, in diesem Falle also sowohl das Gruselige als auch das „Wunder“ der Selbstheilkraft der Natur. Ich habe absichtlich offen gelassen, ob es sich bei der Erscheinung um einen Geist oder um die lebendige Frau des Wildhüters (Förster/Forstwart/Forstwirt) handelt, ich wollte einfach bewirken, dass der Leser sich dort selbst entdeckt, als Besucher, als Erscheinung, vielleicht sogar als Wiederkehrer, als einer, der in die Geschichte mit eingebunden ist. Vielleicht war das ein wenig zu subtil angelegt – ich bin davon ausgegangen, dass die aufgezählten Pflanzen, die ich natürlich auch wegen ihrer bildhaften Namen, und nicht nur wegen ihres Vorkommens im Wald gewählt habe, genug Neugier und Spannung entstehen lassen können, um jemanden, der sich sonst nicht so sehr für Waldspaziergänge interessiert anlocken zu können. Man muss für Krimis oder Gruselfilme nicht unbedingt ins Kino, manchmal reichen auch Wald- und Kopfkino – so hoffte ich zumindest. Na ja, so ganz überzeugend scheine ich es noch nicht hinbekommen zu haben. Ich werde dran arbeiten.

Hab vielen, herzlichen Dank für deinen tollen Kommentar, die ausführliche Auseinandersetzung mit den Stilmitteln, für Analyse, Interpretation und Rückmeldung zur Wirkung. Dein Beitrag war mir eine Freude.

Liebe Grüße

Sabine

 Matthias_B meinte dazu am 05.08.13:
Dann war es ja wirklich angebracht, ein mögliches Wortspiel "schießen"-Pulver bloß als Vermutung eingeklammert zu haben.
Wie gesagt, hinsichtlich der Struktur des Gedichts hat dessen Ende schon seine Berechtigung; vielleicht kann im Hinblick auf dessen Formulierung das bei einer solchen Thematik oft gebrauchte Verb "munkeln" ersetzt werden, wobei dessen Verwendung trotzdem vertretbar erscheint, da dadurch das folgende mystische Element antizipiert wird. Aber solang mir nichts Besseres einfällt....

 Isaban meinte dazu am 05.08.13:
Gib Bescheid, wenn du eine überzeugende Alternative gefunden hast, Matthias. ich setze mich gerne auch später noch mal an den Text.

 Matthias_B meinte dazu am 05.08.13:
Bis jetzt habe ich bloß ein eher lasches mancher harrt noch/doch, denn des Waldhüters Frau... anzubieten (obwohl "harren" auch kein selten gebrauchtes Verb ist).
Fabi (50)
(05.08.13)
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 Isaban meinte dazu am 05.08.13:
Danke, Fabi!

Liebe Grüße

Sabine

 Perry (05.08.13)
Hallo Isaban,
Waldidylle pur, die von Entrindungsmaschinen bedroht ist.
Die Parallelhandlung mit dem versunkenen Dorf und der Geistererscheinung gibt dem Ganzen zwar einen wehmütig mystischen Touch, will mir aber nicht so ganz zur kommerziellen Waldbewirtschaftung passen.
Ich würde die Entrindungsmaschine einfach rauslassen, denn der Rest ist einfach wunderbar eingefangen.
LG
Manfred

 Isaban meinte dazu am 05.08.13:
Ja, ich würde sie auch gern rausschaffen, lieber Perry. Aus dem Wald. Im Text hat sie ihre Berechtigung, sie ist nun einmal das störende Element. Gut, wenn sie auch als solches auffällt. Ich danke dir herzlich für deine Rückmeldung.

Liebe Grüße
Sabine
Schrybyr† (67)
(18.09.13)
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 Isaban meinte dazu am 18.09.13:
Herzlichen Dank!
Ich wollte den "kleinen Makel" in der Idylle nicht zu früh bringen; wenn man nicht weiß, was man mal eben so nebenher zerstört, schmerzt es nicht genug.

Liebe Grüße

Sabine
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