Stimmungen über 2000 Jahre im Vergleich

Erörterung zum Thema Vergänglichkeit

von  loslosch

Nec quae praeteriit, iterum revocabitur unda, nec quae praeteriit, hora redire podest (Ovid, 43 v. Chr. bis ~17 n. Chr.; Amores). Die Welle, die vorüberrauschte, lässt sich nicht zurückrufen, und die Stunde, die verfloss, kann niemals zurückkehren.

Wehmutsvolle Worte des antiken Dichters, auch der Moderne vermittelbar. In der Kernaussage in völliger Übereinstimmung das deutsche Volkslied aus dem 19. Jh.:

"Wenn in Großmutters Stübchen ganz leise
surrt das Spinnrad am alten Kamin,
hör ich manche verklungene Weisen
wie im Traum durch die Dämmerung ziehn.
Und dann erwacht die alte Zeit, die längst entschwunden,
Kindertage und der ersten Liebe Glück.
Altes Spinnrad, ach bring mir die Stunden
meiner Jugend noch einmal zurück."

Soweit die wichtigste Strophe. Warum findet die antike Sentenz Akzeptanz, während die "moderne" Fassung als Schnulze wahrgenommen wird? Sprachanalytisch lässt sich dafür keine Rechtfertigung finden. Selbst die Melodie scheint nicht über die Maßen effekthascherisch. Woran mag es liegen? Der alleinige Grund dürfte das fußbetriebene Spinnrad sein, das etwa Mitte des 19. Jhs. von der technischen Entwicklung überrollt wurde (Weberaufstände). Da sitzt eine Oma an einem obsoleten Gerät (die Oma ist doch im Fitnesscenter!) und singt im Surrton des Spinnrads. So what!

Als Parodie (die Großmutter) in der Parodie (das technisch rückständige Spinnrad) könnte der Sinn des alten Volkslieds wiederentdeckt werden. Die singend Spinnende betrauert die unwiederbringlichen Stunden an einem Gerät, das längst ausgemustert ist. So wird das alte Volkslied mit seinen schlichten Worten wieder erlebbar.

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Kommentare zu diesem Text


 EkkehartMittelberg (24.12.13)
Hach, das Volkslied ist aber auch schön, Lothar. Ich bekenne mich dazu, habe aber nichts dagegen, dass du meine Sehnsüchtelei mit der Parodie schützt.
Ekki

 loslosch meinte dazu am 24.12.13:
ja, das sind so liedtexte, bei denen die melodie beim lesen mitschwingt, ekki. lo
Graeculus (69)
(24.12.13)
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 loslosch antwortete darauf am 24.12.13:
gone with the wind bestimmt nicht!

vergangenheit zurückholen wäre ein katastrophe. außerdem wäre die erinnerung futsch. ob jeder (bedeutsame) moment kostbar ist? eher nicht. im sinne des lernprozesses wohl eher.

frohe weihnacht dir. lo

 niemand schrieb daraufhin am 24.12.13:
Wenn man die Zeit zurückrufen könnte, müsste man sich selber auch zurückrufen, sprich sich selber in den alten Zustand, denn die alte (frühe) Zeit und der jetzige (heutige) Mensch passen dann nicht mehr zusammen und der Reife, der jetzige Mensch würde sich im Frühen nicht mehr so zurechtfinden und wahrscheinlich alles anders machen, somit wäre das Zurückrufen der Zeit höchstens zwecks Korrektur möglich. Nachleben könnte er es dann nicht mehr. Kein Erwachsener kann z.B. seine Kinderzeit nachleben, da müsste er erst wieder Kind werden.
Interessant wäre es, für mich zumindest, wenn man im jetzigen, reiferen Zustand, sich selber als Kind, beobachtend, erleben könnte. Ob man es so sähe, wie in Erinnerung, oder ob es einem fremd und komisch vorkäme?
LG niemand

 TrekanBelluvitsh (24.12.13)
Wellen... Spinnräder... es ist doch interessant, welche Bilder den Menschen kommen, um etwas Abstraktes wie die Zeit (abstrakt ist nicht ihr Wirken, aber unser Verständnis davon) zu begreifen.

Habe zu dem Thema heute schon einen besonders dusseligen Kommentar auf der Seite der  S.Z. gelesen. Na ja, das Abstrakte ist halt nicht jedermanns oder jederfraus Sache...

 loslosch äußerte darauf am 24.12.13:
ich fand den text im link zusammengerührt. die dame windet sich, schreibt ohne plan. eine art seitenfüllung.
BabetteDalüge (67)
(25.12.13)
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