Biber zurück an der Mumpitz - Mein kurzes Leben mit Ole Björn Smörebroed

Drama zum Thema Ende

von  LotharAtzert

Als ich den letzten Brandstifterkongress verließ, war ich so erschöpft vom Dreitageseminar, daß ich bei der Heimfahrt fast hinterm Steuer einschlief. Das heißt, der sogenannte Sekundenschlaf erfasste mich irgendwo zwischen Kopenhagen und Flensburg, so daß ich mit offenbar hoher Geschwindigkeit gegen den einzigen Baum weit und breit prallte.
Die Feuerwehr musste anrücken und ich verlor beim Rausschneiden mit dem Schneidbrenner mein linkes Bein, sowie zwei Backenzähne rechts, einen Schneidezahn, die Milz und diverse Kleinteile.
"Ausgerechnet das linke Bein!" polterte meine Frau, packte enttäuscht ihre Koffer und ließ mich  in einer Nacht-und-Nebel-Aktion alleine zurück.
Am nächsten Tag bereits kam der Vertreter einer Prothesenfirma und erklärte mir die Vorzüge  des Nordmanntannenbeins. Er kannte meine spärliche Rente und bot erst garnicht die Edelhölzer aus Amazonien an, dieser Schlaukopf.
So kam ich zu Ole-Björn Smörebroed, wie ich das Holzteil nannte, das mich den letzten Cent kostete und mir nur die Kündigung der Wohnung blieb, womit ich einer drohenden Zwangsräumungsklage zuvorkam.
Schnell fand ich eine Brücke zum drunter nächtigen und pfiff anfangs noch trotzig den River-Kwai-Marsch durch die Zahnlücken. Aber das änderte sich mit dem ersten Frost Ende Oktober.
Mit wieviel Liter Wodka ich den Winter überlebte, kann ich keinem erzählen. ...
Irgendwann kam dann doch der Frühling, das Eis schmolz, das Ende der Nacht ... und mit ihm ... der Holzwurmeinzug in Ole-Björn Smörebroeds maßgefertigten, glattgehobelten Nordmanntannenkorpus.
Nacht für Nacht feierte fortan die Bagage Freß- und Vermehrungsorgien, mit übelsten Schmatzlust-Geräschen, so daß ich, davon traumatisiert, schon bald beschloß, meinem ach so qualvollen Leben ein Ende zu setzen.
Hinten am Bahndamm bei Stiegelützen wollte ich mich vom Nachtzug nach Berlin überrollen lassen. Doch vergaß ich dummerweise, daß ich wegen Brückenunterspülung gerade im zweiten Stock eines Abrißhauses weilte, stürzte über das morsche Balkongeländer nach unten und brach mir dabei so unglücklich den rechten Arm, daß dieser trotz Ärztekunst nicht mehr zu retten war.
"Denken Sie positiv" sagte der Chefarzt bei der Entlassung, "jetzt stimmt das Gleichgewicht wenigstens wieder ... nur Liegestützen sollten Sie bleibenlassen!"
Ich hatte genug, ging raus nach Stiegelützen und legte mich mitsamt Ole Björn auf das Gleis des Nachtzuges nach Berlin. Der Mond ging auf mit einem unendlich sanften Licht und ich nahm unter Tränen Abschied für immer, wie ich glaubte. Freilich, dem Mond war's wurscht und fast erfüllte es mich mit Freude, daß nun auch das Ende der Holzwürmer nahte. Aber sie konnten ja eigentlich auch nichts dafür ...

So muß ich wohl eingeschlafen sein, denn als ich die Augen aufschlug, war es bereits hell und über mir ragte, statt des Abendsternes, das besorgte Antlitz eines Streckenwärters, der nun vom Streik der Lokführergewerkschaft berichtete, für 5 % mehr Lohn, welcher noch bis morgen Mittag fortgesetzt werden solle.
Für die Streikenden hatte ich auch Verständniss und, nachdem der Steckenposten, der sich mit Ali vorstellte, uns auf das jeweilige Bein half, verließen Ole-Björn und ich den Gleisbereich, um an dem nahegelegenen Fluß Mumpitz zu überlegen, wie jetzt weiter in dem Fall vorzugehen sei.
Der Schmerz war einfach zu stark - ich schlief abermals vor Erschöpfung ein, um von den zwei unversehrten und ach so wunderschönen Beinen meiner Ex-Frau zu träumen, die bis in den Himmel ragten ... und dann ..., war plötzlich Ole Björn nicht mehr da!
Ich schaute herum und entdeckte am gegenüberliegenden Ufer einen Biber, der etwas hinter sich her zog: - es war mein Holzbein, das er oberhalb des Knies wohl während des Träumens abnagte, um seinen Damm damit zu befestigen. Daß Bäume hier rar waren, entschuldigt keinesfalls  einen dermaßen frechen und hinterhältigen Diebstahl.
Ich fluchte, bettelte, drohte ihm mit der einzig verbliebenen Faust, rief "Gib mir mein Holzbein zurück!", doch es half alles nichts. Immerhin hatte es sich mit den Holzwürmer erledigt, die würden jetzt alle ersaufen. Nur ich wieder nicht! - die Mumpitz war bei Stiegelützen maximal knietief.

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Kommentare zu diesem Text

BabetteDalüge (67)
(21.10.14)
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 LotharAtzert meinte dazu am 21.10.14:
Deshalb nennt man sie manchenorts schon Weihnachtswürmer. Unwahr ist allerdings, daß sie inzwischen zum Christentum konvertiert seien.
Freut mich, wenn Du lachen konntest.

 Lluviagata (21.10.14)
Noch eine Überarbeitung der Schusselfehler - und es ist perfekt!

Danke für die Lachsalven am Morgen! :D :D :D

Liebe Grüße
Llu ♥

edit: Schusselfehler :P
(Kommentar korrigiert am 21.10.2014)

 LotharAtzert antwortete darauf am 21.10.14:
Danke DIR, Llu.
Liebe Grüße auch. (Mach doch auf die Schussel ein Ü-Tüpfli)
Lothar

 TassoTuwas (21.10.14)
Ist ja klar, wenn man so eine richtig fette Pechsträhne hat, einem das Wasser sozusagen bis zum Hals steht, dann hat die blöde Mumpitz natürlich Niedrigwasser. ))
LG TT

 LotharAtzert schrieb daraufhin am 21.10.14:
Du sagst es, Tasso ...
Danke und Gruß
Lothar
Gringo (60)
(21.10.14)
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 LotharAtzert äußerte darauf am 21.10.14:
Erst mal abwarten. Der Biber ist aus Polen eingeschwommen und jetzt zur Fahndung ausgeschrieben - wg. schweren Raubes, nicht wegen Diebstahl, weil er die Nagezähne benutzte.
Beim Eihnanderhängen traute ich weder dem Ast (bricht!), noch der Schlinge (reißt!) ...
Lieben Gruß auch Dir
Lothar

 EkkehartMittelberg (21.10.14)
Su humorvoll habe ich dich noch nie erlebt. Man lernt eben nie aus.

LG
Ekki

 LotharAtzert ergänzte dazu am 21.10.14:
Tja Ekki, da hielte ich jetzt besser mal den Mund. Aber dann hätte ich gar keine Hand mehr zum Tippen frei.
Ich merkte halt irgendwann, daß meine grandiosen spirituellen Werke (haha) nicht ... usw. usw.
Und da fiel mir ein: Mensch, du (-also ich!) hast doch noch mehr drauf ... - das wird jetzt sicher nicht zur Regel, aber
Danke fürs Kompliment.
Lieben Gruß
Lothar
(Antwort korrigiert am 21.10.2014)
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