Ab-Reise
Kurzgeschichte
von Hartmut
Der Tauchurlaub ans Rote Meer war schon lange gebucht. Anne hatte den Vorschlag gemacht, ihr Freund hatte zugestimmt. Heute ist alles anders. Sie vermutet, dass ihr Freund fremdgeht. Als sie ihn anspricht, verneint er und lacht. Sie spürt es, diese Beziehung geht zu Ende, nicht heute, nach dem Urlaub. Ihre erste Liebe ist einfach gegangen, fast wortlos, er hätte sich in eine Kollegin verliebt, sagte er ihr am Telefon. Ihr neuer Freund würde es ihr überlassen zu gehen.
Eine Woche vor dem Abflug erleidet ihr Vater einen Schlaganfall. Sie eilt ins Krankenhaus und erkennt ihn kaum wieder. Es sind nicht die Geräte, die Schläuche, die ihn so fremd aussehen lassen, sondern sein Gesicht, das sie so liebt. Er wir beatmet, hat die Augen weit geöffnet, sieht erbärmlich aus. Ein fürchterlicher Schlag muss es gewesen sein für Körper und Geist.
„Ich bin es Papa, bleib ruhig, ich bleib bei dir.“ Er erwidert ihren Händedruck, versucht zu sprechen und es kommt nur ein Röcheln. Er war es, der in ihr vor Jahren die Liebe zum Tauchen geweckt hat. Zuerst sind sie geschnorchelt, der erste Blick nach unten, das Grün einer Seegraswiese. Als sie 14, war zum ersten Mal mit Tauchgerät auf zehn Metern Tiefe, dann nach vielen Übungsgängen auf dreißig Meter zu den violetten Gorgonien im Mittelmeer. „In diesen Tiefen sind wir Eindringlinge, es ist, als ob wir einen fremden Planeten betreten“, bemerkte er immer nach einem Tauchgang. „Bitte, hilf mir das Neoprenzeug auszuziehen.“ Sie mochte den breiten Rücken ihres Vaters, die Schwielen an seinen Händen. Im Alter von ungefähr dreizehn Jahren wurde sie von Schlaflosigkeit heimgesucht, ja, sie sah beim Einschlafen überall im Zimmer magische Wesen, fürchtete sich. Ihre Mutter tat ihre Furcht mit derselben Leichtigkeit ab, mit der sie auch ihre Menstruation erklärte hatte. Ihr Vater aber nahm den Vorgang ernst, auch wenn er müde und verspätet von Montagearbeiten nach Hause kam, setzte er sich zu ihr ans Bett, nahm ihre Hand so lange, bis sie eingeschlafen war.
Jetzt liegt er da, fast bewusstlos, ringt mit sich, hilflos. „Papa, so kann ich nicht ans Rote Meer zum Tauchen fahren.“ Er versteht sie. Es folgt ein Aufbäumen seines geschundenen Körpers, seine Hand bebt, die irren Augen suchen sie und geben ihr zu verstehen, sie soll tauchen.
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Die Tauchergruppe hat schon ihre Neoprenanzüge ausgezogen, lebhaft wird der Tauchgang im Blue Hole kommentiert. Bier wird verteilt, etwas Besonders in diesem Land, als sie die Nachricht per SMS bekommt: „Vater hat wieder einen Schlaganfall bekommen, ihn nicht überlebt.“ Ihr Freund reicht ihr eine Flasche, möchte mit ihr anstoßen, sieht aber nicht das Entsetzen in ihren Augen. Sie sagt etwas, was aber in der Gruppe untergeht. Dann geht sie zum Auto, dort wo die Tauchgeräte stehen, und zieht unbemerkt die Ausrüstung an. Der Einstieg ins Blue Hole ist nicht weit, noch immer herrscht reger Tauchbetrieb. Sie betätigt das Ventil zum Abtauchen. Die Luft entweicht aus der Tarierweste, sie sinkt erst langsam, dann immer schneller. Das Blue Hole, ein kreisrunder Abbruch im Korallendach des Roten Meeres, hat in ca. 50 Metern einen Ausgang zum offenen Meer, das hier fast senkrecht bis auf 1000 Meter abfällt, das Ziel ihrer Reise, zu ihm.
Eine Woche vor dem Abflug erleidet ihr Vater einen Schlaganfall. Sie eilt ins Krankenhaus und erkennt ihn kaum wieder. Es sind nicht die Geräte, die Schläuche, die ihn so fremd aussehen lassen, sondern sein Gesicht, das sie so liebt. Er wir beatmet, hat die Augen weit geöffnet, sieht erbärmlich aus. Ein fürchterlicher Schlag muss es gewesen sein für Körper und Geist.
„Ich bin es Papa, bleib ruhig, ich bleib bei dir.“ Er erwidert ihren Händedruck, versucht zu sprechen und es kommt nur ein Röcheln. Er war es, der in ihr vor Jahren die Liebe zum Tauchen geweckt hat. Zuerst sind sie geschnorchelt, der erste Blick nach unten, das Grün einer Seegraswiese. Als sie 14, war zum ersten Mal mit Tauchgerät auf zehn Metern Tiefe, dann nach vielen Übungsgängen auf dreißig Meter zu den violetten Gorgonien im Mittelmeer. „In diesen Tiefen sind wir Eindringlinge, es ist, als ob wir einen fremden Planeten betreten“, bemerkte er immer nach einem Tauchgang. „Bitte, hilf mir das Neoprenzeug auszuziehen.“ Sie mochte den breiten Rücken ihres Vaters, die Schwielen an seinen Händen. Im Alter von ungefähr dreizehn Jahren wurde sie von Schlaflosigkeit heimgesucht, ja, sie sah beim Einschlafen überall im Zimmer magische Wesen, fürchtete sich. Ihre Mutter tat ihre Furcht mit derselben Leichtigkeit ab, mit der sie auch ihre Menstruation erklärte hatte. Ihr Vater aber nahm den Vorgang ernst, auch wenn er müde und verspätet von Montagearbeiten nach Hause kam, setzte er sich zu ihr ans Bett, nahm ihre Hand so lange, bis sie eingeschlafen war.
Jetzt liegt er da, fast bewusstlos, ringt mit sich, hilflos. „Papa, so kann ich nicht ans Rote Meer zum Tauchen fahren.“ Er versteht sie. Es folgt ein Aufbäumen seines geschundenen Körpers, seine Hand bebt, die irren Augen suchen sie und geben ihr zu verstehen, sie soll tauchen.
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Die Tauchergruppe hat schon ihre Neoprenanzüge ausgezogen, lebhaft wird der Tauchgang im Blue Hole kommentiert. Bier wird verteilt, etwas Besonders in diesem Land, als sie die Nachricht per SMS bekommt: „Vater hat wieder einen Schlaganfall bekommen, ihn nicht überlebt.“ Ihr Freund reicht ihr eine Flasche, möchte mit ihr anstoßen, sieht aber nicht das Entsetzen in ihren Augen. Sie sagt etwas, was aber in der Gruppe untergeht. Dann geht sie zum Auto, dort wo die Tauchgeräte stehen, und zieht unbemerkt die Ausrüstung an. Der Einstieg ins Blue Hole ist nicht weit, noch immer herrscht reger Tauchbetrieb. Sie betätigt das Ventil zum Abtauchen. Die Luft entweicht aus der Tarierweste, sie sinkt erst langsam, dann immer schneller. Das Blue Hole, ein kreisrunder Abbruch im Korallendach des Roten Meeres, hat in ca. 50 Metern einen Ausgang zum offenen Meer, das hier fast senkrecht bis auf 1000 Meter abfällt, das Ziel ihrer Reise, zu ihm.