• Der Tag an dem Otto Lilienthal abstürzt, muss ein schöner Sommertag gewesen sein. Ein Tag mit weißen Cumuluswolken, die lange Gleitflüge versprachen. In seinen Aufzeichnungen spricht er von Flügen über 250 Metern, sogar mit Startüberhöhungen auf 20 Metern. Fliegen wie die Störche, ohne Flügelschlag, immer höher. Am 9.8.1896 stirbt er an den Folgen der Verletzungen. Man vermutet thermische Ablösungen, Turbulenzen, die zum Trudeln seines Flugapparates führten.
• Am 10.8. 2019…, ein Samstag, wird er schon während des Frühstücks unruhig, geht öfters nach draußen, schaut gen Himmel und murmelt so etwas wie „Hammerwetter.“ Paulina kennt allzu gut die Unruhe ihres Mannes, wenn Thermikwolken am Himmel stehen. So wie die Zugvögel im Herbst nach Süden ziehen müssen, muss er bei diesem Wetter zum Flugplatz, Leidenschaft Segelfliegen. „Ich bringe noch die Kinder weg, Anja ist auf einem Geburtstag und Nina zu einer Klassenkameradin, sie schreiben morgen eine Matheklausur. Dann kannst du das Auto haben.“ „Beeil dich, es kann am späten Nachmittag Gewitter geben, dann wird es ungemütlich in einem Segelflugzeug.“
Die Passagiere der großen Flugzeuge haben ihm viel zu verdanken. Der Flügel eines Airbus A 380 muss so viel Auftrieb erzeugen, dass er Mensch und Gepäck tragen kann. Otto L. hat die theoretischen Grundlagen dafür geschaffen. Ein Wissenschaftler und Unternehmer. Wie viele Firmen im heutigen Deutschland beteiligen ihre Angestellten am Gewinn des Unternehmens? Die Arbeiter seiner Fabrik bekamen damals 25 % des Reingewinnes. Ein Wegbereiter der Luftfahrt, vorausschauender Unternehmer, Ehemann, Vater und: der erste Flieger.
Sie beeilt sich nicht sonderlich nach Hause zu kommen. Die Wolken haben sich inzwischen verdichtet, im Westen hat sich schon ein Cumulonimbus gebildet. Zu Hause angekommen, sitzt er am Computer, checkt noch einmal das Segelflugwetter. „Eine Höhe bis auf 2000 Metern“, murmelt er, „Thermik ohne Ende“. Sie geht zu ihm, beugt sich herunter, berührt ihn, sucht zärtlich seinen Mund: „Ich habe schon Gewitterwolken gesehen, komm“, flüstert sie, „ich möchte mit dir schlafen, die Kinder sind nicht da, ein Nachmittag für uns ganz allein.“
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Kommentare zu diesem Text
Cora (29)
(17.09.19)
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