Die Schwüle des Tages war auch in der Nacht nicht aus den Gebäuden gewichen und obwohl fast alle Fenster handbreit geöffnet waren hingen die Vorhänge schlaff und unbewegt wie nasses Tuch. Die Luft stand schwer und stickig in den Räumen und ließ selbst das Atmen zur schweißtreibenden Anstrengung werden. Der Mann auf dem Bett hatte sich schon mehr als ein dutzendmal von einer Seite zur andern gewälzt doch alles Drehen und Wenden hatte ihn nicht zu einem erholsamen Schlaf verholfen. In den kurzen Momenten des Wegdämmerns durchzuckten wirre Traumfetzen sein Unterbewusstsein, an die er sich schon beim nächsten Herumwerfen nicht mehr erinnern konnte. Einzig ein mehrfach wiederkehrendes Bild eines Schattens, der um Lautlosigkeit bemüht, ihn in großen Kreisen zu umschweben versuchte blieb ihm verschwommen in Erinnerung.
Irgendwann, nach einer weiteren unruhigen Phase des Halbschlafes wurde ihm endgültig bewusst weiter im Bett zu bleiben würde ihn mehr zermürben als er es brauchen konnte. Er sagte sich, gegen Morgen, wenn ein frischer Wind aufkam, würde ihn sowieso die Müdigkeit einholen und da er keine Termine hatte, war es ohne Bedeutung, ob sein Tag erst gegen Mittag, oder noch später begann. Jetzt jedenfalls war das unruhige Herumwälzen nur Nerven zerrende Quälerei. Zudem verspürte er einen unangenehm trockenen Geschmack im Mund. Er musste etwas trinken, ein kaltes Bier, das schien ihm jetzt das Richtige. Er blinzelte zum Radiowecker, das grün leuchtende Display zeigte viertel nach drei. Er zog die Knie langsam an, drehte sich zur Bettkannte, setzte die Füße auf den Boden, verharrte einen Moment, um dem Kreislauf Zeit zu geben, dann stemmte er sich mit einen Seufzen in die Höhe und schlurfte, ohne Licht zu machen vom Schlafzimmer durch den Flur in die Küche.
Als er die Kühlschranktür öffnete prallte er entsetzt zurück. Ein handflächen großer Frosch glotzte ihn aus milchig trüben Augen an, seine aus dem aufgeschlitzten Bauch hervor gequollenen gelben Eingeweide hingen blutverschmiert bis auf die Butterdose, auf der er in grotesker Pose thronte.
In einem Reflex schleuderte er die Tür angewidert zu und konnte sich danach gerade noch rechtzeitig ins Badezimmer stürzen, bevor sich sein Magen in wilden Zuckungen selbständig machte. Der grauenvolle Anblick und die Krämpfe über dem Abort hatten ihn mit einem Schlag hellwach werden lassen. Er erhob sich mühsam, wankte zum Waschbecken, ließ sich eine ganze Weile kaltes Wasser durch Mund und Gesicht laufen, danach ging er ins Wohnzimmer. Aus der Hausbar griff er die erstbeste Flasche, goss ein Glas halb voll und stürzte es hinunter. Er musste sich schütteln, danach ging es ihm besser.
Der erste klare Gedanke sagte ihm, dass die Ursache des Traumes vom lautlos herumschwebenden Schatten tatsächlich keine Phantasie gewesen war. Kein Zweifel, jemand hatte sich in seiner Wohnung aufgehalten. Er pfiff halb anerkennend, halb verächtlich durch die Zähne. Der zweite Gedanke betraf die Urheber dieses Theaters, und er war sich sicher, nur die Schnappka Brüder konnten hinter, dieser Schweinerei stecken, hatte er ihnen doch das letzte Geschäft gründlich verdorben. Blieb die Frage, was bezweckten sie damit. Sollte es eine Warnung sein, wollten sie ihn einschüchtern, was für Pläne hatten sie und was wussten sie von dem, was er vorhatte? Sie konnten nichts wissen. Zu niemandem hatte er ein Wort gesagt. Er sprach nie über seine Aufträge, Verschwiegenheit gehörte zu den Voraussetzungen um in der Branche erfolgreich zu sein. Nicht einmal Hellen war in seine Vorhaben eingeweiht.
Oder war er vielleicht doch ohne Wissen jemand anderem, den er nicht auf der Rechnung hatte, in die Quere gekommen?
Er würde es herausfinden und das so schnell als möglich.
Eines war unstrittig, jemand war in den letzten Stunden in der Wohnung gewesen, nicht um ihn zu erledigen, was im Halbschlaf ein Kinderspiel gewesen wäre. Das aber bedeutet, er war lebendig, für wen auch immer. von Wichtigkeit. Unwillkürlich breitet sich ein zufriedenes Grinsen in sein Gesicht, der erste erfreuliche Gedanke, seit er aufgestanden war.
Er sah sich in der Wohnung um, konnte jedoch in keinem Raum etwas entdecken, dass auf ein gewaltsames Einsteigen deutete, noch irgend einen Hinweis finden, der den nächtlichen Besuch erklärte, ging dann von Fenster zu Fenster, um durch die Vorhänge geschützt, sowohl vorn zur Straße, wie auch nach hinten zu den Gärten, die Umgebung in Augenschein zu nehmen. aber da war nichts, was verdächtig erschien.
Trotzdem entschied er sich kein Licht anzumachen. Mit dem Vorfall dieser Nacht hatten sich sein Pläne für die nächsten Tage erübrigt. Kurzentschlossen griff er zum Telefon und wählte.
Es dauerte fast eine Ewigkeit bis sich eine kratzig verschlafene Stimme meldete.
"Wer zum Teufel will was?"
"Dein alter Freund Johnny", sagte er.
"Johnny Triggerfinger, Johnny die Narbennase oder Bermuda Johnny?", krächzte es aus der Leitung.
"Der Johnny, der ab sofort auf den schönen Namen Arthur Savilborrogh hört und der jetzt seine englischen Papiere braucht!"
Von der anderen Seite war ein unterdrücktes Gähnen zu hören, "Morgen Abend!"
"Hör zu...", sagte Johnny, "...ich krieg den Job im Buckingham Palast nur, wenn ich dort pünktlich auf die Sekunde meinen Spruch aufsage, ...du setzt dich jetzt hin und machst, ...in drei Stunden brauch ich alles, ...otherwise we are not amused!"
"Sir...", schnarrte es an sein Ohr, "...kostet Expresszuschlag!"
"Scheiß drauf!", er drückte das Gespräch weg.
Dann wählte er noch einmal. Diesmal drang schon nach dem zweiten Rufzeichen eine ölige Frauenstimme an sein Ohr.
"Hallo Liebelein, hier bist du richtig, wir können alles für dich tun!"
"Quatsch nicht rum..", fuhr er dazwischen, "...gib mir mal Hellen!"
"Wenn du Charlene di Carlo meinst, die turnt gerade an der Stange, und außerdem hat sie einen total verliebten Messeheini mit richtig Schotter am Seil, ...tut dem Kindchen auch mal gut", flötete es zurück.
"Mutti, du bist die Beste...", sagte er und, "...es eilt!"
"Eins nach dem anderen und gut Ding hat Weile!"
"Dann erinnere Frau di Carlo bitte daran, dass sie auf`s Klo muss, aber schnell, ich warte auf ihren Rückruf, ...auf dem Handy!"
Er lehnte sich zurück und atmete tief durch. Ich sollte unter die Dusche springen und das Nötigste packen, dachte er, aber zuvor brauch ich einen Kaffee. Er ging in die Küche, machte dabei einen Bogen um den Kühlschrank. Er würde sich darum kümmern, aber nicht jetzt.
Aus der Ferne schlug eine Uhr vier.