Alter und Weisheit

Essay zum Thema Zeit

von  LotharAtzert

Teil 1.
Soweit ich auch zurückdenken kann - stets war mir ein Klären nicht der Phänomene, sondern was diese bewirkt, das oberste Ansinnen. Selbst als ich es noch nicht so benennen konnte, empfand ich doch schon, daß hinter allen Phänomenen ein sogenanntes Prinzip wirkte. Instinktiv empfand ich das - es bescherte meinen ersten Lebensjahren sogleich Einsamkeit, da ich am üblichen Kinderspielzeug nur kurzfristig Gefallen fand und lieber auf meinem Zimmer pädagogenfreien Gedanken nachhing. Und so dank ich diesem meinem Instinkt, daß ich es heute einigermaßen klarer in Worte fassen kann, danke nicht minder der deutschen Sprache, welche all diese unzählbaren Worte mit tiefer Gestaltungsdichte ermöglicht.
Der Instinkt hieß mich bei mir selbst suchen, aus dem Empfinden schöpfen und nur minimal aus dem, was die Menge der Menschen als verbindlich für ihre Art betrachtete. So hielt ich von Anfang an Distanz zu zeitgemäßen Lehren, Lehrern und Schulen.

Das änderte sich erst, als ich die Schriften des Münchner Rhythmenlehrers Wolfgang Döbereiner ( 28.02.1928 - 05.04.2014) las. Denn der hatte das, was der Instinkt mir wies und was im Empfinden noch unausgegoren aufstieg, in Worte gefasst, auf die mein jugendliches Verstehen sehnsüchtig wartete.
Die Unterscheidung in Instinkt und Vernunft zum Beispiel - daß sie eine Opposition darstellten. Das leuchtete mir augenblicklich ein, wie auch die Begründung.
Der Instinkt ist uralt und birgt als Parasympathikus die Erfahrungen aus den Anfängen des Lebens auf unserem Planeten, während die Vernunft gerade mal ein paar Generationen alt ist. Und während die Vernunft zwischen den Bedürfnissen des Einzelnen und den Gegebenheiten, von denen  jeder Einzelne abhängig ist, aussteuert, bleibt der Instinkt (instinktiv) der Vernunft fern.

Gewöhnliche Menschen haben ihn, sieht man mal vom Geschlechtstrieb ab, fast völlig vergessen - zugunsten der Vernunft, was sich, wie jedes Ungleichgewicht bei Oppositionen, irgendwann im Alter zunehmender rächt. Als "Paradebeispiel" für Verdrängung möchte ich auf folgendes Zitat hinweisen:
"Ein Mensch lügt oder ist aufrichtig.
Leider ist der Unterschied nicht an der Beteuerung, aufrichtig zu sein, zu erkennen." (Graeculus - "Lügst Du?" - Apho vom 04. 10. 015)
Hier zeigt es sich am Begriff "Leider". Der Vernunft ist es nicht möglich, am Beteuern den wahren Sachverhalt zu erkennen, soviel ist klar. Das gilt jedoch nicht für den Instinkt, der ja quasi von Anfang an drauf geeicht ist, die Anzeichen des Verstellens schnellstmöglich herauszufiltern, um nicht ihr Opfer zu werden. Da aber der sogenannte Vernünftige den Instinkt für sein Aussteuern der Bedingungen nicht mehr mit einbezieht, kann er nur noch sein fadenscheiniges Bedauern durch Begriffe, wie "leider", zum Ausdruck bringen - und alle Vernünftigen nicken es ab.
Aber so ist das Prinzip nunmal: wer die gespeicherte Erfahrung des Instinkts an der Garderobe des Welttheaters abgibt, wird im Alter mehr und mehr Opfer des Vernommenen. (Vernuft=Vernehmen) Ganz abgesehen davon ist es dumm, die Erfahrung von Jahrmillionen in die Tonne zu kloppen, bloß um im aktuellen Zeitgeschehen die Very Important Person zu mimen.

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Kommentare zu diesem Text

Graeculus (69)
(05.10.15)
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 LotharAtzert meinte dazu am 05.10.15:
Das ist wieder typisch Graeculus - hier geht es doch um zwei Gegensätze. Wenn aufs Auge eine Mücke zufliegt, schließt du instinktiv das Augenlid. Würde der Vorgang der Vernunft überlassen, wären wir längst alle erblindet.

Soviel zur ... ach ....
Graeculus (69) antwortete darauf am 05.10.15:
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 LotharAtzert schrieb daraufhin am 05.10.15:
Ich versteh' Dich schon, aber Du verstehst nicht, daß das Jüngere (die Vernunft) vom Älteren (Instinkt) abhängig ist, bzw. daß es die zwei Pole desselben Vorganges sind. Dasselbe gilt für Mythos und Logos und alle anderen Päärchen. Alles auf unserer Erde ist zweipolig.

Von Über- oder Unterlegenheit zu sprechen, ist nicht meine Intention.
Graeculus (69) äußerte darauf am 05.10.15:
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 LotharAtzert ergänzte dazu am 05.10.15:
"... es muß mindestens ein drittes Element geben."
Jetzt bin ich fürbaß überrascht;-) Weißt Du noch, WER hier permanent und ohne daß ihm eine Antwort widerführe, vom dreifachen Prinzip von -Unbestimmt-Ursprung-Ordnung redet? Oder buddhistisch: Dharmakaya, Samboghakaya, Nirmanakaya, auf Deutsch: Wahrheitszustand, Freudenzustand, Verwandlungszustand - ich rede mir den Mund fusselig und jetzt kommst du mit Platon, der das auch sagt.
Nochmal: ich folge da W. Döbereiner, der von der Opposition zwischen Fische/Instinkt und Jungfrau/Vernunft spricht. Selbstverständlich können wir auch vom Quadrat, also Verstand/Schütze und Funktion/Zwilling reden, oder Trigonbeziehungen, aber da seid ihr, die mir sowieso nur widerwillig schweigend folgen (iiiih-Astrologiiiiie) schnell überfordert. Ich brauch keine Fuzzy Logic, ich bin doch euer Fuzzy ...
BabetteDalüge (67) meinte dazu am 05.10.15:
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 LotharAtzert meinte dazu am 05.10.15:
Da wird der Graeculus aber begeistert sein.
Graeculus (69) meinte dazu am 05.10.15:
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Graeculus (69) meinte dazu am 05.10.15:
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 LotharAtzert meinte dazu am 06.10.15:
Ob ich alles Wichtige weiß? Ich weiß nicht einmal, was als Wichtig gilt. Nur daß ich das für mein Subjekt Wichtige weiß, das weiß ich.

Du sprichst permanent vom Logos, ich aber nicht vom Mythos, sondern vom Prinzip des Daseins, das aus Mythos und Logos und ihrer Vereinigung besteht. Das dreifache Prinzip des Daseins bewirkt immer dasselbe, ob man von Brahma, Shiva, Vishnu spricht, ob von Himmel, Erde, Mensch, oder Tag, Nacht und Dämmerung; Körper, Rede, Geist usw. Dieses Prinzip, einmal verstanden, offenbart sich in allem und zwar durch vier Kausalitäten. Sogar noch in den Jahreszeiten kann man es klar sehen. Wenn man das begriffen hat, studiert man keine Lehrsätze von Philosophen mehr, sondern vertieft sich direkt in den Urgrund.
Bist Du angesäuert? Mir scheint es fast so.
BabetteDalüge (67) meinte dazu am 06.10.15:
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 LotharAtzert meinte dazu am 06.10.15:
Der Professor hat mir ja eine Falle gestellt:
"Du denkst stark bipolar. Yin und Yang, wahr und falsch, Ja und Nein, binärer Code (0 und 1), An und Aus.

Hast Du einmal in Betracht gezogen, die Welt aus der Perspektive einer mehrwertigen Logik zu verstehen?"
Als ob das unsere Intention wäre. ... Jetzt schweigt er wieder und allen anderen fällt schon garnichts ein dazu, abgesehen von zukünftiger Polemik Einzelner. Jetzt fehlt noch Uwe mit "Du siehst auf die Menschen herab" oder sowas in der Art. Statt mir die Füße zu küssen ))))))))))

 Regina (05.10.15)
"Ganz abgesehen davon ist es dumm, die Erfahrung von Jahrmillionen in die Tonne zu kloppen, bloß um im aktuellen Zeitgeschehen die Very Important Person zu mimen." Dieem deinem letzten Satz schließe ich mich an. KOmmt das "Heute macht man es so...." doch recht oft unreflektiert hochmütig herüber.

 LotharAtzert meinte dazu am 05.10.15:
Du sagst es, Regina. Ich danke Dir dafür.
BabetteDalüge (67)
(05.10.15)
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 LotharAtzert meinte dazu am 05.10.15:
Ob es die Vernunft schon immer gab, weiß ich nicht. Was schon immer da war, (wir sprechen von der Zeit ab dem Planeten Erde ...) war das 6. Haus, im Sinne der Anpassung an die verursachten Bedingungen.
Daß wir die Vernunft brauchen, sehe ich ganz so, wie Du es im Weiteren beschreibst.
Danke
BabetteDalüge (67) meinte dazu am 06.10.15:
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JamesBlond (63)
(06.10.15)
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 LotharAtzert meinte dazu am 06.10.15:
Das Beispiel mit der Gletscherbahn ist ein sehr gutes. Daß man dem Instinkt nicht blind folgen sollte, auch da sind wir einer Auffassung.
Und eigentlich habe ich auch garnichts gegen die Vernunft, muß aber feststellen, daß sie heutzutage - Graeculus ist einer ihrer Haupt-Vertreter auf kV - fast schon religiöse Verehrung genießt - und dieser Status gebührt ihr nicht, weil der Logos ohne Mythos keinerlei Kraft hätte.
Die Evolution - ein schwieriges Thema - könnte auch zum planetaren Untergang führen ... aber vielleicht wäre das das Vernünftigste;)
BabetteDalüge (67) meinte dazu am 07.10.15:
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BabetteDalüge (67) meinte dazu am 07.10.15:
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 LotharAtzert meinte dazu am 07.10.15:
Bei plötzlich auftretender Gefahr re-agiert unser Organismus instinktiv: bei einem schweren Unfall zum Beispiel werden alle Körperfunktionen auf das Notwendigste heruntergefahren, um das Überleben so weit wie möglich zu gewähren. Der Begriff des Not-Wendigen ist immer auf den Instinkt anwendbar.

Durch Ärztekunst (stellvertretend für alles Eingreifende) wird das freilich teilweise aufgehoben, was einerseits die Chance trotz schwerster Verletzungen ins Leben zurückzukehren erhöht, andererseits bleibt die Frage, ob das durch kalkulierte Eingriffe gerettete Leben nicht im weiteren Verlauf der Gesundheit der Natur Schaden zufügt (und sei es auch nur durch Lob seiner "Retter".) Daß ein gesundes Immunsystem verunfallt, würde ich auch fast ausschließen wollen.
Und daß Moralisten bei solchen Gedanken "instinktiv" empört re-agieren, kann nicht wirklich überraschen. Wenn sie dann aber gleichzeitig noch mit dem Taoismus zu liebäugeln vorgeben, (- wie Graeculus), der aus gutem Grund ein Nichteingreifen anstrebt, ist das einfach nur nicht zuende gedacht.
Instinkt und Vernunft gehören zwei verschiedenen Ebenen an, sind aber polar aneinander gebunden und also integrierbar ins Bewußtsein.
(Antwort korrigiert am 07.10.2015)
BabetteDalüge (67) meinte dazu am 07.10.15:
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