Die feierliche Bestattung eines angesehenen Verbrechers

Text

von  Vessel

Der koniferische Einkauf

Neulich betrat ich ein modernes Kaufhaus. Es glich einem ökonomischen Schaugarten und ich verlief mich bald zwischen seinen Regalen. Als ich einen hübschen Kiefernzapfen, der ein Mädchen war, nach dem Ausweg fragte, antwortete sie mir, dass die Welt ein quietschender Gummiball sei, der in der Saatschale des großen Wirtschaftswissenschaftlers Joseph Stumpeter einsam Wurzeln schlägt.


Die bibliothekarische Unternehmung

Es war schon ein imposanter Anblick in der Bibliothek: Auf dem Sitzplatz vor mir hatte sich ein zeltähnlicher Mensch aufgeschlagen, der schnaubend durch die Seiten eines zerbrechlichen Gedankenwerkes polterte. Es musste ihm große Anstrengung bereiten, dennoch bewegte er sich mit der eleganten Vollständigkeit eines akrobatischen Kraftausdruckes.
Da kam mir meine eigene Wichtigkeit in den Sinn und ich erinnerte mich an das hübsche Mädchen, das mich einen Polarbären nannte und mir ein gemeinsames Frühstück in ihrer Mikrowelle vorgeschlagen hatte. Es war schon ein amüsanter Gedanke, ein Zelt hätte niemals durch die bemessene Öffnung ihrer gläsernen Genauigkeit gepasst.


Die Ankedote eines beachtlichen Menschen

Es ist immer eine wunderbare Erfahrung, den Professor vor der Tafel sprechen zu hören. Das dachte ich, als er mit beeindruckender Gestik versuchte, zweiundzwanzig Studenten aus Tübingen den Zusammenhang zwischen Stirnglatze und Heuschnupfen darzulegen. Er ist wirklich ein sehr kluger Mann, und als er einen Purzelbaum schlug, kam mir ein großartiger Gedanke. Da nieste mein Sitznachbar, ich wünschte eine gute Gesundheit. Mein Einfall hatte sich unterdessen im schütteren Haar des Professors verfangen, und ging verloren als dieser sich die hohe Stirn mit einem Taschentuch wischte.


Die Zulänglichkeiten einer kommerziellen Witzfigur

Es war ein ansenhlicher Abend, den ich mit einem hübschen Mädchen im Kofferaum eines urbanen Wüstentraumes verbrachte. Da ich ein mitunter sehr anhängliches Gedächtnis habe, fiel es mir nicht schwer, mich an den vorausgegangenen Spaziergang durch ein Einkaufszentrum zu erinnern, dessen Läden sich wie Münder aufreihten. Einmal spuckte einer eine Horde freundlicher Hyänen aus, die mir einen Sarg verkaufen wollten. Ich lehnte dankend ab und beschloss, mich für alles Weitere nicht mehr ohne die Sicherheit eines kondolativen Gefährtes auf Safari zu begeben.

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Kommentare zu diesem Text

Metulskie (32)
(04.11.15)
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 Vessel meinte dazu am 04.11.15:
Oh! Ja?

 Songline (04.11.15)
Schön surreal. Ich hab's gerne gelesen.
Liebe Grüße
Song

 Vessel antwortete darauf am 04.11.15:
Freut mich, danke Song!

 Skala (04.11.15)
"Surreal" war auch mein erster Gedanke beim Lesen (bezogen auf Songlines Kommentar) und ich bin mir immer noch nicht ganz sicher, was ich von dem Text halten, nein, vielmehr, was ich darüber denken soll, weil ich ihn für ziemlich gut halte, vielleicht, weil mir einige kleine Stückchen einfach unglaublich gut gefallen, der "ökonomische Schaugarten", zum Beispiel, oder das "anhängliche Gedächtnis".

Sprachlich ist der ganze Text so wahnsinnig sorgfältig, dass ich mir beinahe schon mies vorkomme, dass ich an einer Stelle gestolpert bin, und zwar bei
...dennoch führte er seine Bewegungen mit der eleganten Vollständigkeit eines akrobatischen Kraftausdruckes.
, wo ich mich frage, ob es nicht eher vollführte heißen müsste. Ich kam am Ende des Satzes an und dachte "hups, war's das?" Ist eine Gefühlssache, wer weiß, vielleicht soll's ja auch so, was mich bei der schon erwähnte Sorgfalt eigentlich nicht wundern würde. // edit: obwohl dann zwei volls in einem Satz wären... das wäre dann ganz voll...

Interessieren würde mich jetzt noch der Zusammenhang zwischen Stirnglatze und Heuschnupfen. (Ich hab ja Gott sei Dank mit keinem von beidem Last.)

Alles in allem: gefällt mir, erinnert mich stark an einen britischen Autor dessen Name mir jetzt entschlüpft ist. Na ja, wurscht, ich weiß immer noch nicht, worum es geht.

Cheerio!
(Kommentar korrigiert am 04.11.2015)

 Vessel schrieb daraufhin am 05.11.15:
Hey! Wenn du einige Versatzstücke magst, dann ist das gut. Der Text gleicht nicht ohne Grund einem akademischen Buffet.
Mit deiner miesen Anmerkung hast du natürlich Recht. Der Brite würde mich noch interessieren, vielleicht erinnerst du dich irgendwann wieder.

Zu Stirnglatze und Heuschnupfen gibt es ganz außergewöhnliche Betrachtungen: Ameisen haben grundsätzlich weder das eine, noch das andere. Empirisch lässt sich daraus folgern: du bist eine Ameise.

Danke für den Kommentar!
ues (34)
(10.11.15)
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 Vessel äußerte darauf am 10.11.15:
Hallo ues,
naja menschenähnlich ist noch übertrieben. Dafür gleiche ich den Wesen, die mir in der Stadt regelmäßig aus einer genügsamen Zeitschrift für Gemüse- und Obstanbau vorlesen wollen, zu wenig. Zudem: Sie riechen seltsam, wie frische Erde manchmal.
Wassermelonenzucker ... ja, sicher. Unter anderem er. Bei diesem Spaß insbesondere er.

Viele Grüße und danke für deinen Kommi :)

Ps: mir ist ja das akrobatische Zelt am liebsten, der Professor ist aber auch eine bewegliche Koryphäe!
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